Putins Kleid

Ich sitze am Schreibtisch und höre die Detonationen in der Stadt. Ist nur Spaß, denke ich, und das stimmt ja auch.

Nur 700 km östlich von uns sitzen Leute wie wir an ihren Schreibtischen und hören wie wir die Detonationen in ihren Städten, die wie unsere sind, und sie wollen denken wie wir: ist nur Spaß. Doch nein, sie wissen, ist nicht wahr, kein Spaß, sie und ihre Liebsten wird es treffen, heute, morgen, irgendwann, -wie und -wo, in höchster Lebensgefahr.

Und ich verstehe nicht, wie ein Mensch vermag, Rechtfertigungen zu finden, und ich verstehe nicht, wer es vermag, die Schuldigen nicht zu nennen bei ihren Namen: Söldner und Soldaten, Mörder, Wahnsinnige, Feiglinge und Opportunisten, der russische Staat, der Untertan. Die Tat vieler auf Geheiß eines Einzelnen, Putins Befehl. Die korrupte Kleptokratie. Dieser monströse faschistische Irrsinn. Der Irrglaube, ganze Völker zwingen zu können. Wo das her ist, ging schon Stalin scheißen. Und wie sie alle heißen.

Aber! Der Westen hat doch. Die NATO hat. Die USA haben und wir haben doch. Aber, aber, aber, Rhabarber. Haben wir oder haben wir nicht, das ist nicht die Frage, wir wissen genug darüber, was wir haben und was nicht, und wir haben zu jeder Zeit die Freiheit, zu sagen, dass wir sehen, dass wir wissen, und wir können jederzeit etwas tun, fordern, prostestieren. Und uns wird nichts geschehen, nichts ohne öffentliches Licht, nichts ohne Korrektiv, nichts ohne Widerstand. Wir ändern etwas. Wir laufen gegen eine Wand. Mal so, mal so, von Fall zu Fall, auf der Straße, im Betrieb, vor Gericht, überall.

Ich sage nicht, der Staat ist unser Freund. Ich sage nicht, der Staat ist unser Feind. Ich sage, wir wissen, wann es wie ist und wie gemeint. Und ich sage, ja, wir sind die Wurzel vielen Leids. Wir haben ihn erlebt, den faschistischen Wahn, den mörderischen Imperialismus, Verleumdung, den tödlichen Hass, wir haben es selbst getan, unsere Väter, Mütter, Ahnen. Haben geglaubt und nicht gesehen, was geschah. Nichts davon. Nichts und alles. Verlogen und verleugnet. Selbstbetrug. Und am Ende haben wir bezahlt. Niemals genug.

Real Men

If I have to wait in the cold I’ll take it like a man… I miserably die
If you kiss me, darling, I’ll feel blessed… and get impatient
If you don’t like me, honey, don’t do this… you’ll miss me

Bitterly I cry

If anyone criticizes me I’ll take it like a real man… killing him
If I don’t feel man enough I’ll do gym… yeah, that’s me, so tough
If I’m too lazy I’ll call myself intellectual… self-confident

Satisfy me

I believe in equal rights: feminism, trans… that I grant
If there are two good options I will take the third… just for fun
If there’s no reason for anything I’ll find one… let’s say two

Don’t be a fool

If no one takes a risk I’ll do, with my own hands… and a gun
So call me a hero, brilliant, selfless… unbelievably cool
Do you believe in love? I do. Your boss, your president, I’m you

You’ll miss me

Advent, Advent

Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt

ein Haus, ein Land
im Finstern, kalt

Flammen schlagen
aus den Fenstern

Teddy liegt versengt
in Barbies Armen

in Omas Häuschen
scheißt der Bär

Drohnen fallen
vom Firmament

in die roten Beete
Europas Seele brennt

Vor der Botschaft der Russischen Föderation

Wuchernder Faschismus

Die Duma, das altehrwürdige Parlament der Russischen Föderation – hoppla, schon duftet es nach Ironie – ist, und so viel lässt sich ohne Übertreibung sagen, Sitz und Hort einer Bande kleingeistiger Faschist:innen. Allesamt, wie wir seit gestern wissen. Eine ganz schön große gestrige Bande. Querbeet. Einzig im Föderationsrat erklingen oder vielmehr verklingen noch menschliche Stimmen. Eine wenigstens. Höchstens. Lyudmila Narusova. Sie und ein paar Letzte noch. Erste und Letzte. Oppositionelle in den Provinzen. Das war’s dann aber auch. Der Führer lässt grüßen.

Dass der russische Staat so rasch und unwidersprochen offen menschenverachtend wird, Terror und Krieg gegen seine Leute und die anderer Länder führt, wer hätte das vor zwanzig Jahren gedacht! Gut, Grosny war da schon gewesen, man hätte es also ahnen müssen. Manche haben das. Chapeau. Ich wollte noch vor ein paar Jahren auf Reisen gehen im Ural. Ein Bilderbuch. Hätte ich tun sollen. Nun widert es mich zu sehr an. Denn alles kommt wo her. Nichts aus dem Nichts. Da war, da ist, da muss was sein: etwas – wie der Tod, und dem will ich nicht begegnen, ohne Not – dummerweise Quicklebendiges. Das zieht sich durch. Eine Tortur. Eine Qual. Russland, du wirst bluten, einmal mehr, und irgendwann zerfallen wie ein greiser Bär.

Und da ich abholde Wenigkeit in deinem großer Grausamkeit geneigten Staate aus Gründen verschiedener Diversität, unterschiedlicher Anlässe und Vorwände im Knast verenden würde müssen, oder – der Führer lässt noch einmal schönstens grüßen – im Arbeitslager, windstill gelegen im Elend, fehlt das sonst inhärente Mitleid mir für deine Menschen, die Gleichgültigen, Menschen des Mainstreams, Menschen der schläfrigen, feigen Mehrheit verblendeter Faschismus-Mitläufer:innen. Die nimmer das Maul aufkriegen. Wie die Mannen der deutschen Reichsmannschaft, nur schlimmer.

Obwohl das nicht stimmen kann, sagt mein Herz, und: Das hast du nicht verdient. Das nicht und mein Herz. Und Mitleid empfinde ich tatsächlich doch. Traurigkeit und Mitleid. Für ein trauriges, für ein wunderschönes Land in einer unwürdig schießwütigen Realität. Ein Reich, das sich in neuem Glanz erstrahlend wähnt. Was für ein monströser Irrtum. Was für ein finstrer Ort. Was für ein langer, hässlicher Weg da raus. Irgendwann. Den hast du verdient. Das hast du alles dir verdient. Reich, das wankt. Falscher Held. Faschistoid. Blind für die Schönheit der Menschlichkeit. Und also musst du niedergehen. Wie bestellt. Nicht gewollt, aber auch nicht unverlangt.

#20

Jedes Leben ist ein Meer, und allein darin sind wir leer. Was uns füllt, macht uns eigen, macht uns schwer. Was kann uns dann tragen, wer? Der es kann, wo ist er, wann, woher, wohin? Niemand kann stehen, kann atmen ohne Grund. Den zu haben, fordert unser Sein. Jede Hoffnung, die wir fassen, rührt daher. Glücklich der, der sagen kann: Ich bin.

Heute bin ich, habe Grund, Geleit, den Weg zu gehen aus der Lebenseinsamkeit.

Die Queen ist tot, es lebe das Blabla

Am Ende ging es schnell. Push, da war sie, die Nachricht, und alle redeten darüber, natürlich auch die, die nichts zu sagen haben – was, keine Frage, eine weitgehende Gemeinsamkeit herstellt zu der Person, die sie zu kommentieren wagen. Ich sage: Hört auf damit! Mit euren pseudo-kritischen und schmachtenden Worten. Ich kann das besser. Oder auch nicht.

Mögen die Engel dich in Ruhe lassen / „May flights of angels sing thee to thy rest“

Ja, so ähnlich war sie euch, war sie uns. Tragisch ist vor allem, dass die Queen in siebzig Jahren eigenständig wenig Wichtiges, Gutes, Spannendes geschaffen oder veranlasst hat. Es lag ihr einfach nicht, ihre Herzensinteressen waren profan: Hunde, Pferde, Disziplin. Wobei letzteres bereits ein komplexeres Unterfangen darstellte, auf das wir mit Bewunderung oder Abscheu schauten.

Wirkliches Interesse zeigte sie beim Thema Commonwealth: ein kolonial bedingter Bund souveräner Staaten, in dessen Repräsentation sie ihren persönlich empfundenen Antirassismus zeigte und auslebte – nicht ohne Widersprüche, versteht sich, aber die gehören seit jeher zur DNA eines monarchischen Daseins.

Nicht sie, sondern Margaret, ihre Schwester, hätte den Job machen wollen. Königin. Aber gefragt wurde ja nicht. Auch die Mitglieder ihrer schrecklich netten Familie haben nicht gefragt, bevor sie irgendetwas angestellt haben, das alle in Verruf brachte, oder irgendeine Art von Größe und Respekt gezeigt gegenüber der wuchtigen Bedeutung der royalen Repräsentanz. Das allein schon beweist, dass ein adliges Leben mehr Bürde ist als Privileg. Dass die Queen da noch die meiste Würde zeigte, verweist auf das Format ihrer Person: innere Kraft – nicht Herzlichkeit, denn die war mühsam angelernt.

Dass sie nicht die Klügste war – was ihr leidlich bewusst war –, nicht die Liebste und auch die Schönste nie, hat ihr im hohen Alter in die Karten gespielt, da wirkte sie unverbohrter, zugänglicher und ja, man muss es so sagen, süß und niedlich, wie schon ihre Mutter, Queen Mum, die dank konservierenden Gin-Konsums ihren corpus majestatis noch bis 101 irgendwie in Gang hielt und uns keck von royalen Kutschen zuwinkte. Ihre Tochter starb nun lieber rasch nach dem Verlust ihrer außerordentlichen Belastbarkeit, ohne langen Abschied, und auch das passt zu ihr.

Ich habe mal Abscheu, mal Zuneigung empfunden für ihre Person, ihre Funktion. Abscheu vor allem wegen ihrer zementierenden Rolle im Gefüge der politischen, der gesellschaftlichen Entwicklungen, für das Staatenoberhaupt als Teil des Establishments, Abscheu, wenn ich sie hellauf begeistert beim Pferderennen sah. Als Kind erreichten mich mit Tinte geschriebene Briefe, die aktuelle Fotos der Queen enthielten, meist aus der Karibik, zugesandt vom Sohn des Chefs meines Vaters. Erst letzte Woche schrieb er wieder einen. Kontinuität. Das hätte ihr gefallen. Gesehen habe ich sie nur einmal und das sehr zufällig, vorm TU-Gebäude. Meine gestrenge Lieblingsprofessorin und ich kehrten gerade zurück von einem wissenschaftlichen Ausflug zur Siegessäule, als die Queen im groß befensterten Rolls vorbeirollte. Wir waren schlichtweg gerührt. Als führe Jesus vorbei oder Michael Jackson.

Vor zwei Jahren tat sie dann etwas, das auf den ersten Blick unspektakulär, erwartungsgemäß, allzu christlich und manifestierend erscheint, tatsächlich aber Millionen Menschen Kraft und Zuversicht gab in einer schlimmen Lage, auch mir ganz persönlich; sie hielt eine Rede, deren Manifestationen deshalb glaubwürdig und tröstend wirkten, weil das ganze Gewicht einer Dekaden andauernden Beharrlichkeit aus ihr sprach. Nie vergesse ich, wie ich ihre Worte in der Stille des Grunewaldes – auf meiner Flucht vor der Plage – abspielte und dabei ihren plattdeutschen Akzent vernahm. Als spräche meine geliebte Großmutter zu mir: „We know that Coronavirus will not overcome us. As dark as death can be – particularly for those suffering with grief – light and life are greater.“

Und ebendieser Größe schließe ich mich an, wenn ich sage: Ich kenne deine Rolle, dein Diktat, die Konformität und die Rassismen, die auch du darin vertratst, aber: Im Abschied trage ich nur Menschlichkeit. Lebe wohl und ruhe in Frieden! Der ein Unfrieden sein muss. Nicht nur wegen Truss.

Ist so

Ja, schrecklich unangenehm, sich mit heiklen Themen wie (Gender-) Diskriminierung, Rassismus, Krieg oder Freiheit (und Freiheitseinschränkungen in gesundheitlichen Notlagen) zu befassen, aber es ist auch super spannend. Wer hier tiefer taucht, entdeckt schnell vielerlei Unglaubwürdigkeiten, falsche Solidarität, falsche Alliierte. Und man kann sie enttarnen. Wie im Krimi. Oft tun sie das auch selbst und merken es nicht einmal.

Ich sammle Screenshots von diesen Debakeln, als wäre ich eine Investigativjournalistin. Solche werden ja gelegentlich sogar getötet. Weil die Offenlegung von Wahr- und Unwahrheiten so wunderbar demontierend wirkt. Die Mächtigen und die Verlogenen bekommen schlichtweg Angst um ihre Trugbilder, Lebenslügen oder Privilegien. Einige von denen lesen hier gerade mit. Hello! Huhu! Kuckuck! Dolle Sache. Faszinierend. Womöglich liken sie das am Ende sogar, meinen sich nicht gemeint, entlasten ihr Gewissen.

Investigation ist unendlich wertvoll, ich war schon als schüchternes, schweigsames Kind davon fasziniert, vielleicht gerade deshalb, und ich ziehe mein Krönchen vor allen Mutigen, die das tun, also auch vor mir selbst. Ich bin mit diesem Mut nicht auf die Welt gekommen, er ist und bleibt Arbeit, und manchmal versage ich auch. Manchmal antworte ich auf gewaltvolle, meist männliche Sprache mit gewaltvoller oder noch gewaltvollerer Sprachkunst. Weil ich’s kann. Bin nicht stolz drauf. Zeigt aber, die Prinzessin hat street credibility. Hi hi.

Die Zahl der Verabschiedeten in Richtung Schwurbelei und Verschwörungswahn hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen, das sagen viele, und die Einschläge kommen näher. Man kennt nicht bloß irgendjemanden, nein, es betrifft Freundinnen und liebgewonnene Bekannte, Familie, Kolleginnen. Was sie sagen, schmerzt und verwirrt. Anfangs ganz einleuchtend, oft beherzt, dann irgendwo falsch abgebogen, den Kompass verloren, in Wahnsinnstan verirrt. Was macht man dann? Das Herz kann sie nicht wegwerfen, der Verstand schon. Und auch dafür braucht es Mut. Manchmal ist es auch Ohnmacht. Ratlosigkeit. Selbstschutz.

Manchmal ertappt man sich auch selbst bei einer Polemik, einem Spiel mit der Unkorrektheit, mit Halbwahrheiten und Unausgegorenem. Und das ist auch gut so, denn dann weißt du, das noch Luft rankommt an dich und deine Wunden. So, das wollte ich euch nur mal erzählen. Hab euch lieb. Nicht alle, aber viele. Bleibt stark! Die unheilvollen Wellen rollen. Aber wir schaffen das. Müssen uns auch nicht immer vollends einig sein. Wär ja zum Fürchten. In diesem Sinne. Love & peace

Pronomen est omen

Viele von euch Älteren werden das nur schwer auf die Kette kriegen, aber es gibt ja immer mehr Jüngere, für die es normal ist, die Identität ihrer Mitmenschen nicht vollends zu ignorieren.

In Schweden jibbet drei Pronomen, hen/hon/han, was super praktisch ist. DEUTSCH is schönes Sprach, aba bissl unpraktüsch. Deshalb reicht „Prinzessin, du“. Merci. I love u

B.

Ich stehe in der Welt, verwirrt von ihr
Viel hat mit dem Krieg zu tun
Dem, was er aus ihr machte

Die Nacht trägt das Licht
Und das Licht die Namen durch die Nacht
Friesische Küche? Persische

Ich treff Prinz Istro, wir werden ein Paar
Verrückte Vögel in einer verrückten …
Was? Ein Ungeheuer, ungeheures Glück

Heute wird sie zwanzig, wieder mal
Älter nie, jedenfalls nicht am Stück
Wem sie gehört, ist ihr egal

Was hast du nur gemacht mit mich
Sobald ich atme, dichte ich