„Das war ja starker Tobak!“ – „Ich fand den Film eigentlich ganz gut.“ Nach der Filmvorführung verlässt das Freundespaar den Kinosaal mit diesen äußerst verschiedenen Auffassungen, und hierfür gibt es – sieht man einmal genauer hin – durchaus ein paar ganz handfeste Gründe.
Wer Schweigsames liebt, dem empfehle sei als Geheimtipp „La Antena“ empfohlen, ein recht neuer Film aus Argentinien, der in seiner Art zur Zeit weder im deutschen noch im U. S. -amerikanischen Film vorstellbar wäre. Er atmet klassische Brillanz sowie revolutionäre Energie und legt auf fantastische Weise die uns umgebende Medienmanipulation dar, ohne dabei aus seinem kunstvollen Rahmen zu fallen. Inhaltlich ist der Film offenbar derart brisant, dass er fast überall entschärft wiedergegeben wird. Aktuelle Bezüge werden in beinahe allen Berichten gescheut. Das Kinopublikum reagiert überwiegend verstört und abwehrend bis abwertend. Die im Film allgegenwärtige Verdummung der Massen wirkt also bis heinein in die Kinosessel.
Zensiert wird „La Antena“ nicht vor oder während seiner Aufführung, sondern in den Rezensionen. Folgerichtig gehen diese gar nicht darauf ein, dass der Film die Wirklichkeit beschreibt. Es wird viel an der einen oder anderen Stelle herumgemeckert, weil die Kunst des Genres da und dort nicht hundertprozentig stimme, oder weil dieses oder jenes unnötig oder ach so kurios sei. Die außergewöhnlich konsequente Metaphorik wird nur verhältnismäßig unmotiviert erwähnt. Dass der Film letztlich das Ende einer spätkapitalistischen Konsumwelt beschwört und seinerseits zu einer revolutionären Stimmung beitragen will, die ihre real existierende Motivation aus den real existierenden Verhältnissen – hierzulande wie in Argentinien – erhält, wird weder adäquat wahrgenommen noch vermittelt, so als wären las antenas gar nicht auf Empfang gewesen.
Etablierte gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse, Wut und Gegenwehr werden leider nur allzu gern verschwiegen. Man hält vornehm Distanz. Klar ist: Vieles kann man an diesem Film kritisieren, aber man kann auch seine wesentlichen Motive übersetzen, weitertragen und darauf aufbauen – alles eine Frage des Wollens. Fragen der Macht, des Machtmissbrauchs und der Manipulation stellen sich nicht nur im Film.