Das Erdbeben in Chili

Kein Beben, nicht mal eine Erschütterung: Kleists „Das Erdbeben in Chili“ in einer Bearbeitung von Jana Polasek. Schade.

Im Theaterdiscounter.

Die Inszenierung der jungen Regisseurin Jana Polasek setzt im doppelten Sinne ganz auf die Kraft der Erzählung sowohl Kleists als auch ihrer beiden jungen Schauspieler und behauptet gerade damit die Aktualität des Textes. In einer völlig schnörkellosen Inszenierung wird die Geschichte mit einfachsten Mitteln erzählt und entwickelt durch Kleists Sprache und Wortgewalt einen Sog, der immer weiter in die großen Fragestellungen dieser dunklen und brutalen Geschichte hineinzieht.

Zwei junge Liebende sind wegen ihrer verbotenen Liebe zum Tod verurteilt. Am Tag der Vollstreckung wird jedoch die zerstörerische Gewalt der Natur zu der Kraft, die ihnen das Leben rettet: Ein starkes Erdbeben verwüstet die Stadt und reißt unzählige Menschen in den Tod. Das Liebespaar überlebt und findet sich auf den Hügeln vor der Stadt samt dem gemeinsamen Kinde wieder. In einem Taumel von Glück und Dankbarkeit feiern sie gemeinsam mit anderen die Errettung des eigenen Lebens im allgegenwärtigen Chaos. Doch als der Priester auf der Dankesmesse der Überlebenden das Erdbeben als eine Strafe Gottes für begangene Sünden deutet, gerät die Menge außer Kontrolle und rächt das Unglück an dem Liebespaar.

Heinrich von Kleist, der Dichter, „dem auf Erden nicht zu helfen war“, stellt in seiner erschütternden Novelle die Frage nach dem Ausgeliefertsein bzw. der Verwirklichung des Einzelnen gegenüber Natur und Gesellschaft. Und nach dem seltsamen Verhältnis zwischen Glück und Unglück. Sie ist aber auch eine Betrachtung darüber, wie nah das Schönste und das Schreckliche im Menschen beieinander liegen können.
Mit Anina Polasek und Werner Michael Dammann

Realer Wahnsinn: Brazilification

„Brazilification“ von Die neue Dringlichkeit kommt als sinnbildstarkes Zwei-Personen-Stück daher, zieht sein Publikum von Beginn an in den Bann der Erzählung, schafft es dann mühelos, die Spannung aufrechtzuerhalten und bleibt bis hinein in die letzten Momente – in welchen dunkelhäutige Neugeborenenpuppen in rascher Folge auf die Bühne geschleudert werden – unvorhersehbar.

Als metaphorisch stimmige, humorbegabte Auseinandersetzung beheimat sich das nur scheinbar zeitgebundene Dokument „Brazilification“ im Grenzgebiet von bestürzender Tatsachenbeschreibung, tragikomischer Realsatire, Anklage und politisch unkorrekter Intervention in übermächtige Gegebenheiten scheinbar geewigter Unrechtssystematiken. So entwickelt sich aus performativer Erinnerung altbekannter Weltverhältnisse und jüngst erkannter autobiografischer Realitäten eine unterhaltsame Wilderei im gesellschaftskritischen Sujet.

Selten geht man ins Theater und findet vor, was man vorfinden möchte, und gleichzeitig solches, dessen man vorzufinden nicht zu hoffen gewagt hatte. „Brazilification“ erfüllt gleich beiderlei Erwartung, ist intelligent, aber nicht verkopft, kurzweilig, aber mit langem Atem, inszenatorisch überzeugend, aber unperfekt geblieben – kurzum: Ein Bühnenwerk wie angegossen für den TD.

In Sao Paulo gibt es Hubschrauber-Taxi-Unternehmen, damit die Reichen den Boden nicht mehr betreten müssen, der ihnen unsicher scheint. Der Begriff Brazilification steht in Douglas Couplands Kult-Roman „Generation X” für: „The widening gulf between the rich and the poor and the accompanying disappearance of the middle classes”. In Brasilien werden Vorgänge sinnlich fassbar, die auf globaler Ebene nur abstrakt zu verstehen sind: Das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich, der Zusammenhang zwischen struktureller und physischer Gewalt und die Folgen der totalen Entfesselung des Marktes. Miriam Walther Kohn und Christopher Kriese sind zwischen Brasilien und Europa aufgewachsen; Marcel Grissmer ist nach der Schule als Aussteiger in dem südamerikanischen Land hängen geblieben. In Brazilification nehmen sie ihre Erfahrungen vor Ort als Ausgangspunkt für eine autodokumentarische, performative und politische Suche nach ihrer eigenen Positionierung und Möglichkeiten der Intervention.

gefolgt von: Saving Philotas (Film)

kriese/walther/grissmer befragten in Tel Aviv zusammen mit jüdischen und arabischen Jugendlichen das Schicksal von Lessings Titelhelden Philotas und fanden erstaunliche Antworten. Das Theaterprojekt entstand an der jüdischen Aleph High School und der arabischen Ajyal High School, die für das Projekt erstmals kooperierten. Premiere feierte Saving Philotas am 15. Juli 2012 im Arab-Hebrew Theatre. Der Prozess des gemeinsamen Theatermachens wurde zur Metapher für ein friedliches Miteinander. Um die Erarbeitung des Projektes und seine Bezüge zum Nahost-Konflikt zu reflektieren, entstand ein Film, dessen Rohfassung im Anschluss an Brazilification gezeigt wird.

Princess meets Popjesus

David Hasselhoff gegen Goliath

Bremen, 1991 – Ankunft des zukünftig ewigen Bademeisterdarstellers, späteren Akoholkranken sowie früheren Freunds und Fahrers des sexiesten Automobils der 80er, der 1989 als modisch funkelnder Popjesus mit dem Hit Looking for Freedom über der Berliner Mauer schwebte. Am Sonntag gibt David Hasselhoff eine Pressekonferenz für das Bündnis „East Side Gallery retten!“.

„How can you tear down the wall that signifies freedom, perseverance and the sacrifice of human life?“, twitterte Ex-Sexiest Man Alive David Hasselhoff zu Beginn des Monats. Am kommenden Sonntag nun wird David in einem orangeroten Heiligenkostüm über den Großen Teich schreiten, um in Berlin spazieren zu gehen und dabei nach der schwindsüchtigen Freedom zu sehen, um die er und Millionen andere so lang ersuchten – eine Freiheit ohne „new dimension of living without compromise“, eine Suche nach würdiger Authentizität im Todesstreifen, eine Mahnung, die letzten Reste der Berliner Mauer nicht für immer aus dem von wechselhafter Geschichte gemalten Stadtbild zu radieren. Shame on you, Berliner Senat, again, again and again.

Am Sonntag rettet David Hasselhoff die East Side Gallery.

14 Uhr am Kulturklub Yaam, East Side Gallery, Berlin

Willkommen in Oprien

Leserpost aus Johannisthal.

„Ganze Regionen, Opri, scheinen sich mittlerweile nach Dir zu benamsen, so Ostpreußen als eine der ersten, die bereits ihre KFZ-Kennzeichen anpassten.“

Welcome to Opria.