Dem Palast seine Kinder

Palastbrief

Palastgebirge

Liebe Palastkämpferin, lieber Palastkämpfer,

liebes Kämpfendes,

ich wünsche Dir einen guten Rutsch in ein skandalös schönes Jahr, wünsche Dir Anrührendes, Berührendes und Aufrührendes! Auch hoffe ich, wir sehen uns da oder dort.

Und schau doch mal beim Palastkind www.abriss-berlin.de vorbei, schreibe einen Kommentar oder verfasse selbst einen Artikel für die Seite! Das wäre großartig.

Die Antwort rollt.

E. Princess, Ostprinzessin

H-O

Frost als Glücksverstärker

Cornelia Druse Menschliche Robbe Boris Lisowsky-Greenberg
Für die neue Spielstätte des Jungen Theaters, die „Stauerei“ in der Überseestadt Bremen, hat Cora Frost zusammen mit Nordlicht Nomena Struß ein neues Stück konzipiert: Weihnachten auf hoher See. Es ist etwas neues, was sie uns dort zeigt, und zugleich liest sich glücklicherweise ihre Handschrift bestens heraus.

Dass bei Frost die emanzipativen Anliegen auf der Bühne oft ins Gegenteil gewendet vorkommen, das hat Methode. Emanzipativ deshalb, weil Frost die Menschen am Rand, die Unsichtbaren wie die nur allzu Sichtbaren, nicht nur respektiert, sondern sie auf die Bühne hievt, sie durch ihren Glücksverstärker jagt und wundervolle Wesen ins Licht stellt.

Ins Gegenteil gewendet deshalb, weil sie, die Frauen- wie Männer-Liebhaberin, gern auch mal als eine Mischung aus Meerjungfrau und Prostituierter auftritt, die mit rustikal kerligem Benimm daherkommt und ebenso gern zwischen Goldkehlchen und Jahrmarktschreierin schwankt. Ins Gegenteil gewendet auch dann, wenn sie diesem Stück nun aus dramaturgischen Gründen eine weibliche Striptease-Szene verpasst, die – hetero-männlichen Erwartungen zum Trotze – auch deshalb zu einer absurden Persiflage wird, weil Frau ohne Nackheit auskommt und Mann hier als schlicht strukturierter Eisbär vorkommt.

Oder wenn sie bei sog. „Familientreffen“ einen alten Freund, einen Schauspieler des Obdachlosentheaters Ratten 07, im Glitzerkleid vor das Publikum treten lässt, auch dann offenbart sich der Charakter der Frost. Ob Frost allumfänglich um ihr gesamt-emanzipatives Sein und Schaffen weiß, das könnte höchstens sie selbst beantworten….

Jedenfalls ist dies ein höchst politischer Moment in ihrem Werk. Beinahe möchte man ihr sogar blind vertrauen, dass sie sich von den sozial blinden Umarmungspolitikern,  Klaus Wowereit zum Beispiel oder den Neo-Grünen unserer Zeit, fernzuhalten weiß.

Überhaupt scheint Frost einen Kompass bei sich zu tragen, der ihr immerzu anzeigt, welche Tabus tatsächlich und welche absichtlich nicht zu brechen sind. Der Dekonstruktion unserer entfremdeten, desensibilisierten Welt weiß sie dann nämlich eine wärmende Parallelwelt nachzusetzen, in der wir alle wie selbstverständlich gleichviel wert sind.

Frost betört in diesem Stück nicht zuletzt mit ihrer atemberaubenden Stimme, aber auch mit einer Baby-Imitation, einen hysterischen Anfall, ihre sagenhaft lapidar-komische Mimik und ihre Kunst, sich nicht in verkünstelten Phrasen zu ergehen, sondern emotionale Momente zu erschaffen, die bei aller frosteigener Frostigkeit dennoch den Weg zu Monsterherzen finden.

Weihnachten auf hoher See

Japanischer Hippie-Trash-Horror

Im b-ware in der Corinthstraße 61 in Friedrichshain nimmt man auf breiten Sofas, auf Schaukeln oder auch gleich oben in den Betten Platz. Das kleine Kino in einem unsanierten Altbau ist ein fantastischer Ort, um nicht-gewöhnliche Filme zu sehen, in Originalsprache und mit Untertiteln.

Was die Filmemacher des Jahres 1977 wohl ritt, einen so reichhaltig kitschigen Film mit Beat-Musik und bestem Hippie-Sound zu unterlegen? Und als sie die surrealen Effekte immer kräftig in die wunderbar irren Szenen hineinmischten, hatten sie sicher eine Menge Spaß. Heraus kam ein gelungener Albtraum. Nicht nur für Untote!

hausu (house) japan 1977
regie: nobuhiko obayashi
darsteller: kimiko ikegami, kumiko ohba, yôko minamida

b-ware!

Ein Stück Glück

Die Käpt'n Struß und ihre Crew Die Crew und die menschliche Robbe

Bericht an einen Freund

Heute war Premiere. Das Stück von Frost und Struß spielt auf Hoher See an Weihnachten. „Ich hasse Weihnachten ja sehr!“ Frost spielt eine Cornelia Druse, ein hässliches Entlein mit Engelsstimme, ist absurd hässlich verkleidet und kaum wiedererkennbar – und doch irgendwie ganz normal. In der Pause lädt sie Personen in Dreiergruppen ein, eine Nixe zu bestaunen. Aber Vorsicht! Es ist sehr gefährlich, von einer Nixe in den Bann gezogen zu werden! Das wäre der sichere Tod! Sie lässt also mich und zwei andere in einen winzigen Betonraum eintreten, geht selbst mit hinein und knallt die schwere Metalltür hinter uns zu. Ich stehe an einer Betonwand, in einer Ecke. Es ist dunkel. Wir sehen und horchen hinunter in ein Loch vor uns, aus dem eine Nixe zu singen beginnt. Frost warnt: „Nicht zu nah ran gehen!“

Ich stehe also direkt hinter und neben diesem Menschen – es ist so eng, dass sich alle Körper irgendwo berühren – der mich zu berühren vermag wie kaum ein anderer je, den ich so sehr verehre und bewundere. Ich stehe also mit diesem Menschen still in einem winzigen, dunklen Betonkabuff und wir alle tun so, als sänge da unten in dem Loch tatsächlich eine Nixe. Nichts weiter…

Dann plötzlich beendet sie lautstark die Prozedur, weil es sonst zu gefährlich würde…! Sie drängt und schubst mich hinaus und knallt die Tür zu. Dieser Mensch, die für mich Unberührbare, berührt uns also in mehr als einer Art und Weise. Alles war so schlicht und einfach und konstruiert, und doch so nah, so menschlich, so unbegreifbar menschlich, obwohl ich doch auch ein Mensch bin! So voller Poesie und Berührungen.

Am Ende ist der Applaus vom kleinen Publikum enorm – viel glücklicher als im Sommernachtstraum an der Schaubühne – und Frost strahlt über das ganze Gesicht. Voller Glück. Sie hat eine Glücksbegabung, hat mal jemand gesagt.

Und ich fühle auch wieder dieses Bremer Gefühl, dieses, wo den Leuten teilweise nicht viel anzumerken ist, wo immer unklar ist, welche Subtexte sie wahrzunehmen bereit und in der Lage sind, die sich ganz verhalten durch die Herausforderung des Aburd-Komischen, des Grotesken bewegen, und am Ende doch so einem Bedürfnis der Dankbarkeit Raum geben. Dann denke ich: Vielleicht sind sie nicht die Erfahrensten, nicht die, die sich mit Freaks auskennen, aber sie lassen sich von Gefühlen berühren, lassen die fremde Seele eine Zeit lang aufrichtig und gern an ihrem Wohnzimmertisch Platz nehmen.

Bei Frost kann ich loslassen, fröhlich sein und leicht, ohne meinen Verstand abgeben zu müssen; immer auch am Leid teilhaben, ja das Leid teilen, mit den Leidenden teilen. Dafür bewundere ich sie so sehr. Sie ist für mich so etwas wie eine Seele zur Ostprinzessin. Durch sie kann ich glauben, an mich und an andere Menschen, an das Gute, an das Leid.

Junges Theater, Stauerei, gegenüber der Energieleitzentrale Weihnachten auf hoher See Achtung, Achtung an Alle Cast, Crew und außergewöhnliche Attraktionen Hoppelpoppel und Tingeltangel Musterrolle der Reederei Polliwog, Testament 

Baha’i

Haus der Andacht, Neu-Delhi

Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger.

Der Mensch ist mit einem freien Willen ausgestattet, trägt die Verantwortung für sein Tun und hat die Konsequenzen selbst zu tragen. Er ist fähig zum Guten wie zum Bösen und bedarf der Erziehung, um die in ihm angelegten „Gaben und Fähigkeiten“ zu entwickeln.

Haus der Andacht, Hofheim am Taunus

Alle Menschen müssen die Wahrheit selbständig erforschen. Der Glaube eines Menschen hängt nur von ihm selbst ab. Es gibt daher keinen Klerus, der den Glauben vermittelt. Die Heiligen Schriften sollen von allen Gläubigen selbst gelesen und interpretiert werden. Das Menschenbild erzieht zu Mündigkeit und Selbstbestimmtheit.

Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen. Nach dem Glauben der Baha’i erklärt die Religion Zusammenhänge, die jenseits des wissenschaftlich Erfahrbaren liegen. Wissenschaften und Religionen sollten sich daher ergänzen und nicht widersprechen. Religion ohne Wissenschaft führe zu Aberglaube. Wissenschaft ohne Religion zu Materialismus.

Baha'u'llah