Die Popette Betancor im Zebrano am Ostkreuz: Ihr Auftritt ist intim. Sie präsentiert neue Lieder und Klassiker aus ihrem breiten Repertoire selbstgeschriebener und -vertonter Glanzstücke. „Wurst“ heißt das Programm, und eigentlich ist es Wurscht, wie es heißt, denn es ist vor Allem Eines: Ganz und gar popettenhaft.
Wir erleben eine Susanne Betancor, die offenbar Lust am ganz kleinen Rahmen findet, Lust am Musikmachen mit ein paar altgedienten Musikern, Lust auf Neues und Lust an der Echtheit. Wie immer, hilft sie sich über ihre kleinen Schnitzer auch an diesem Abend wieder mit viel Charme und Improvisationstalent hinweg. So werden wir gelegentlich Zeugen, wie sie live in ihrem Gedächtnis nach Phrasen und Tönen fahndet – und sie findet. Im nächsten Moment dann überspringt sie jegliche Hürde des Durchschnittlichen und entzückt uns obendrein mit ihrem debil-clownesken Charme, der in seiner Herzlichkeit immer wieder aufs Neue sehr berührend ist.
Popette-Lieder handeln oft von Frauen und Männern und sind dennoch nicht selten queer. Der wohl spannendste Song, der über die Familienministerin Ursula von der Leyen je geschrieben wurde, stammt aus der Betancorschen Feder und löst sich aus den Stimmbändern mit der Wonne einer zarten, unverdächtigen Person, die plötzlich listige Lust am respektlosen Anarchismus findet. Der von allerlei Volkstümelndem erfassten, ja geschädigten Ruhrpottlerin, die – schon lang in Berlin lebend – auch in ihrer Wahlheimat den Weg in den Mainstream bislang erfolgreich vermeidet, liegen Humor und Spott so nah wie die Tasten ihres Klaviers, welche sie an diesem Abend nur selten loslässt.
Und Eines ist klar: Eine Künstlerin, die eine Ein-Abend-Tournee in einem kleinen Theaterraum absolviert, obgleich sie auch wochenlang größere Säale zu füllen vermag, die hat einfach Klasse. Eine unsterbliche Komponistin und Musikerin ihrer Art braucht den allzu kommerziellen Rahmen nicht, um sich spüren zu können, ja sie muss ihn vielmehr fürchten, denn er könnte ihre Arbeit verflachen und aushöhlen. Die Popette bewegt sich mit Leidenschaft abseits dieses Rahmens und setzt – bei aller Not, die sie in dieser Welt vorfindet – auf die ihr eigene Unfähigkeit zur Anpassung, auf ihre Hingabe zur Satire und auch auf ihre lustige List, diese den Menschen unterzujubeln.
Das Publikum erwidert diese Leidenschaft und fordert Zugaben.
„Der Abend wird auch gefilmt. Für das Internetz. Das ist sehr praktisch, denn dann braucht man irgendwann gar nicht mehr auftreten.“ Susanne Betancor