Jedes gelebte Leben hinterlässt Spuren – bewusst und unbewusst gelegte – die lesbar sind für die Mitmenschen und die Nachwelt: in Form von Tagebüchern, Fotos, Briefen oder Notizen usw. Die meisten dieser Lebenszeugnisse verschwinden nach dem Tod einer Person im Müll oder in den Schubladen der Hinterbliebenen. Nur manche werden später doch veröffentlicht, posthum und weil der entsprechenden Person eine gewisse Aufmerksamkeit im öffentlichen Leben zukam oder weil sie Zeuge von geschichtlich relevanten Ereignissen war.
bigNOTWENDIGKEIT pusten den Goldstaub von Buchdeckeln & Zelluloid und inszenieren die Selbst-Inszenierung. Ein trauriger Weltstar, ein verschämter Intellektueller, ein glamouröser Revolutionär, eine Tagebuchschreiberin, die nicht nur Luft schaufeln will und ein gefeierter Schriftsteller, den es niemals gab, bringen Erzählungen in Gang, zeichnen Spuren nach und verdichten die autobiographischen Fiktionen ihrer selbst. Aus Stimmengewirr und Textfluten versuchen sie gemeinsam einen „idealen“ Lebensverlauf zu komponieren.
Für turn the page stöbern fünf DarstellerInnen in Tagebüchern, Bildern und Briefen und erforschen die dokumentarischen Spuren, die fünf andere Leben hinterlassen haben. Durch die Erzählung fremden Lebens untersuchen sie die Strategien und Mechanismen des Sich-Selbst-Erzählens.
In einer Zeit, in der die öffentliche mediale Selbstdarstellung einem fundamentalen Wandel unterliegt, wenden sich bigNOTWENDIGKEIT Selbstzeugnissen unterschiedlichster Art als Ausgangsmaterial zu und werfen damit Fragen der Selbstkonstruktion, der Selbstinszenierung und nach den Ingredienzien eines als gelungen empfundenen Lebens auf.
„Ich wäre nichts, wenn ich nicht schreiben würde. Indessen bin ich woanders als da, wo ich schreibe. Ich bin besser als das, was ich schreibe. “ Roland Barthes
Von und mit Esther Becker, Rosario Bona, Anna-Katharina Müller, Sahar Rahimi und Marcel Schwald. Im Theaterdiscounter.