Entlarvende Künstler-Satire „Karte und Gebiet“ – Gastspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses im DT
Inszenierungen von Falk Richter beizuwohnen, ist in aller Regel ein Vergnügen. Die letzten Stücke des Schaubühne-Regisseurs widmeten sich allesamt der Suche nach Intervention in sich wandelnden Verhältnissen und dürfen dabei selbst als Intervention gelten. In seinen Arbeiten trifft die Verhandlung schwer zu bewältigender Wandlungen im persönlichen Umfeld des Autors auf gesellschaftliche Schicksalsfragen. Die politischen und moralischen Fragestellungen, die er dabei aufwirft, verstecken sich aber nicht hinter ihren Metaphern, sondern tragen sich in kaum missverständlichen Illustrationen ans Publikum heran.
Während Volksbühne-Hofregisseur René Pollesch im gelingenden Teil seiner Stücke – intellektuell, sprachlich und lyrisch brillant – gesellschaftliche Verwerfungen und Konflikte postsarkistisch wahnvoll aufschichtet und mit grandioser Selbstverliebtheit abarbeitet, kristallisiert sich in Richters Arbeiten eine Art trockener, melancholischer Lyrik, die sich fast ausschließlich an prosaischen Ergüssen nährt. War Falk Richter mit TRUST noch aufrührerisch gesonnen und kollektivierte die Wut eines in unhaltbar kapitalistischen Zuständen erwachenden Regisseurs, so zeichnete das deutlich schwächere, darauffolgende PROTECT ME vor allem den schwermütigen Übergang zu Ohnmacht, Trauer und Depression nach.
Mit „Karte und Gebiet“ steuert Richter nun in Richtung gewollter Isolation und widmet sich dem Angebot nicht uninteressanter melancholischer Perspektiven. Auch der ins Ende geflochtene Slapstick-Reigen unterstreicht die tragikomische Adresse der Unausweichlichkeit jener offenkundigen Not. Während sich der Inszenator also an berechtigtem Jammer und kläglicher Verzagtheit labt, dürfte die spöttische, über das gesamte Stück gespannte Erläuterung selbstreferenziellen künstlerischen Schaffens so manchen geneigten Zuschauer schmerzvoll enttarnt haben. Dafür Hut ab! Glücklicherweise wird er im Schlusswort „Die Vegetation trägt den endgültigen Sieg davon“ keinen Trost finden.
Nach dem Roman von Michel Houellebecq / Aus dem Französischen von Uli Wittmann / Für die Bühne bearbeitet von Falk Richter
Houellebecqs jüngster Roman handelt von der Bildenden Kunst und ihren Marktmechanismen, von Tod und Euthanasie, defekten Heizungen, Steve Jobs, von der französischen Provinz und ihrer Wiederentdeckung. Falk Richter macht daraus eine handfeste Künstler-Satire, in der Jed Martin als Künstler aufsteigt und den „berühmten Schriftsteller“ Michel Houellebecq um das Vorwort zu einem Katalog bittet. Diese Zusammenarbeit kostet den Autor glatt das Leben: Ein bestialischer Mörder zerstückelt ihn und drapiert die Leichenteile in Pollock’scher Manier…
Falk Richter, geboren 1969, international bekannter Autor (u.a. ‚Gott ist ein DJ‘, ‚Electronic City‘, ‚Unter Eis‘), Hausregisseur an der Berliner Schaubühne, hat mit seiner Bühnenadaption keine bloße Nacherzählung, sondern eine eigenständige und dank der bildkräftigen Videokunst von Chris Kondek sinnlich fassbare Interpretation von Houellebecqs ironischer Welt-Analyse geschaffen.