Ende gut, alles gut

Bezaubernd varietistisch. Ein Schmunzelfest für alle Liebhaber absurder Theatralität in intellektuellen Überschlägen. Eine starke Ensemblearbeit bestens harmonierender Akteure, deren Spiel seinen Platz im zauberhaften Gefüge der rasch wechselnden Szenen mühelos findet. Einfalt weicht fesselnder Spiellust. Nur wenige Fehltritte trüben die Wirkungsmacht einzelner Sequenzen, en gros aber trägt sich dem Zuschauer die Gewissheit: Diese Interpreten wissen, was sie mimen und sie tun es ausgesprochen gern.

Am Ende wird sich ein Schauplatz ungeahnt morbider Nonchalance entfaltet haben. Am Ende? Ja, denn letztlich zieht es dann doch herauf, und mit ihm nun auch die Vergängnis des jähen Aufblühens einer verloren geglaubten höheren Hoffnung in das Sujet Theater. Jene Hoffnung zelebriert in „Es gibt kein Ende“ eines ihrer raren Comebacks,  infolgedessen sich der unvermittelte Einwurf „Ich meine, es gibt Gerechtigkeit in der Welt, aber warum kommt sie so spät?“ als vielmeinende Weisheit bezeugt.

Das Theaterdiscounter-Publikum dankt dies mit warmem Applaus, gleichwohl unüberhörbar bleibt, dass absurdes Theater beileibe nicht jeden zu erreichen vermag und wenige nur in Herzensnähe. Am kurzweiligen Spiel, dem fabelhaften Bühnenbild, der innervierenden Inszenierung oder der finessenreichen, lyrischen Sprache der überaus tragisch verstorbenen Autorin Anna Jablonskaja wird es nicht gelegen haben können.

„Die Welt enthält keine Fragen. Nur Antworten. Unsere Aufgabe ist es, zu jeder Antwort die richtige Frage zu finden“, heißt es in Anna Jablonskajas Stück. In 15 ebenso prägnanten wie humorvollen Szenen entsteht ein Geflecht aus Beobachtungen, Begegnungen und Zwiegesprächen in Vergangenheit, Gegenwart und virtueller Welt, mit Anklängen an Zwetajewa, Brodsky und Goethe, eingebettet in den literarischen Kosmos Europas. Mit Es gibt kein Ende setzt Anna Jablonskaja die avantgardistische Tradition des russischen Theaters fort. „Wir denken, dass wir mit der Geburt einen Namen erhalten. Aber das stimmt gar nicht. Wir bekommen ein Pseudonym, aber den Namen erfahren wir nicht.“ Ein Erfinder, ein Mädchen, Menschen mit bunten Haaren, aber auch Goethe und Werther, die Gesichtsmuskeln und ausgesuchte Vulkane begeben sich auf die Suche nach den richtigen Fragen. Wenn der Mensch mit grauem Haar seinen Arbeitsalltag als Verlieren von Zeit beschreibt, das Mädchen ihre Sucht Kleinbus zu fahren beichtet und Ararat und Vesuv darüber streiten, wer von beiden echte Asche oder doch nur schleimigen Auswurf spucken kann, so geraten gesicherte Weltzusammenhänge im Großen und Kleinen aus den Fugen. Gegenstände und Umgebungen treten aus ihren vertrauten Zusammenhängen heraus, Figuren nähern sich an, um gleich darauf die herkömmlichen Zeitverankerungen zu durchbrechen. „Es gibt kein Ende“ mit Christine Diensberg, Lucie Mackert, Robert Arnold, Endre Holéczy und Johannes Karl. Zimmertheater Tübingen und Ruhrfestspiele Recklinghausen. Regie: Christian Schäfer.

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