Kampagne gegen Privatisierungen – Unerwartet hoher Zuspruch
Die Aktionen gegen „Mediaspree“ nehmen drastisch zu und das vor zwei Wochen begonnene „Bürgerbegehren Spreeufer für Alle“ übertrifft bereits jetzt sämtliche Erwartungen. Etwa 2.000 Menschen haben schon unterzeichnet. An den Ständen herrscht reger Betrieb und ausnehmend gute Stimmung. Sehr viele Unterzeichnende äußern Glückwünsche, einige wollen selbst sammeln gehen. Viele haben aus den Zeitungen oder aus dem Fernsehen vom Widerstand gegen die „Mediaspree“-Planungen erfahren und können kaum erwarten, selbst auch zu unterschreiben.
Es fällt auf, dass Menschen aus dem gesamten Spektrum der Bevölkerung unterzeichnen. Die Ostprinzessin begeistert: „Am Sonntag auf dem Boxhagener Platz habe ich den schönsten Tag seit langer Zeit verlebt, weil die Menschen Schlange standen und alle Begleitumstände wunderschön waren. 477 Unterschriften kamen dort in wenigen Stunden zusammen: 77-jährige Spießbürger neben Punks aller Sorten neben Müttern und Vätern mit Kindern neben Anzugtypen neben Lesbenpärchen neben Galerieschwuppen neben Akademikerinnen neben Arbeitern neben Leuten, die grad den ersten Tag überhaupt in Berlin sind. Vor uns der Flohmarkt mit Puppenspieler und Musike, Sonne im Rücken und fallendes Laub, auf der Wiese eine Tunten- und Transen-Performance!“ Am Stand gab es fast keine Diskussionsnotwendigkeit oder negative Anmerkungen, dafür aber viele gute Wünsche und einige Denkanregungen. O.: „Die Leute sind sauer auf die ignorante Stadtplanung des Senats und sie können nicht verstehen, dass der Bezirk nicht mit aller Macht eingreift.“ Nun wird also an den Sammelständen abgestimmt. Eine 21-Jährige bringt ihren spontanen Eindruck vom „Mediaspree“-Planwerk erschrocken zum Ausdruck: „Diese Übertreiber!“
Heute Mittag haben sich einige Aktivisten von Mediaspree Versenken an der O2-Werbetafel verabredet – zur Ablenkung, denn die Aktion fand ein paar Hundert Meter östlich davon statt: Am Osthafen. Dort war kurz zuvor ein BEHALA-Schild bemalt worden. An der Werbetafel allerdings trafen sie nicht nur auf die geladene Presse, sondern auch auf Polizei und 5 Security-Gorillas der Anschutz Entertainment Group. Auch eine Vertreterin der O2 World war vor Ort und erklärte ihnen und den staunenden Passanten, warum kurz zuvor das Loch in der Mauer der East Side Gallery, das eigens für den „freien“ Blick auf die O2-Halle geschaffen wurde, mit einem Bauzaun versperrt wurde, so dass kein Zugang zum Ufer möglich war. Achtung Baustelle! Betreten verboten! (Privatgrundstück) – eine interessante Behauptung. Angeblich waren zuvor Gotcha-Kugeln gegen die animierte Werbetafel geworfen worden und japanische Spezialisten müssten sich den Schaden näher ansehen.
Mit den bereitgestellten Gorillas und der Dame von O2 konnte man indes wunderbar philosophieren, wobei ihre Philosophien im Grunde darin bestanden, ihren Arbeitgeber in Schutz zu nehmen und von den entstehenden Uferbereichen zu künden. Investigative Nachfragen – bezüglich der diversen Lücken im „Park“, der (nicht nur) geistigen Umweltverschmutzung der O2-Tafel und der auf ihr montierten Kameras, sowie bezüglich der entstehenden, überwiegend prekären Arbeitsplätze (die allerdings ohnehin an anderer Stelle aufgrund der Konkurrenzsituation wegfallen) konnten oder wollten sie nicht beantworten.
Am bemalten Osthafen-Verkaufsschild, neben Universal-Zentrale und Labels, kam es unterdes zu einem weiteren Fotoshooting für die Presse. Der zuständige rbb-Reporter, der hier mit seinem Team für die Abendschau unterwegs war, machte zu guter Letzt noch ein paar Fotos und verabschiedete sich: „Vielen Dank! Viel Erfolg! Und Tschüss!“ Der zuständige Polizeibeamte (Polizei des Bezirksabschnitts) klopfte einem Aktivisten zum Abschied liebevoll auf die Schulter und bilanzierte seinerseits, dass die erwünschten Bilder nun ja entstanden seien. Das erfreute auch ihn sichtlich. Das bemalte Schild übrigens erregte keinerlei Anstoß.
Die Aktivisten von Mediaspree Versenken fordern den sofortigen Stopp aller Verkäufe von Landeseigentum. 50 % des Osthafens wurden bereits verscherbelt. Es wird bis 10 Meter ans Ufer heran gebaut: Büroblöcke. Zudem sind Hochhäuser vorgesehen. MTV nutzt „seinen“ Uferbereich am Osthafen übrigens besonders kreativ: Als Parkplatz.