Von Vorurteilen und Klischees, Verdummung und Hetze
Es ist geradezu peinlich, was zum Thema Besetzer im Bethanien immer wieder in Medien wie dem Tagesspiegel, der Berliner Zeitung oder der WELT publiziert und dann z. B. von Medien wie dem rbb oder dem Hauptstadtblog unhinterfragt wiedergegeben wird.
Zum Beispiel haben die Besetzer im Bethanien dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von Beginn an Mietzahlungen angeboten. Diese Angebote wurden stets abgelehnt. Dennoch wird in den besagten Medien fortlaufend aus einer Hass-Perspektive berichtet, aus der heraus die Besetzer zu Schmarotzenden erklärt werden. Ganz offensichtlich hat man sich bei dieser Argumentation an die Märchen des Leiters der Künstlerhaus Bethanien GmbH angelehnt. Christoph Tannert hatte wiederholt in zahllosen Medien mit Dreck auf die Nachbarn geworfen und gern auch die ganze Kiezbevölkerung gleich mit bedacht. „Wenn Sie mich einladen, komm ich nicht!“
Die Bethanier aber leben und/oder arbeiten im Bethanien, öffnen zudem das Haus für Anwohner und für sehr unterschiedliche Initiativen – darunter durchaus auch bürgerliche – und entwickelten in ihrer Freizeit dann auch noch Konzepte für das Bethanien, welche die Politik – angesichts ihrer Überlastung und offensichtlichen Unfähigkeit – über die Jahre nicht hinbekommen hatte. Im direkten, persönlichen Kontakt mit der Initiative Zukunft Bethanien sowie den Besetzern wird schnell klar, dass Vielen oftmals kaum die Zeit dafür reicht, noch mehr an Konzepten zu arbeiten. Entsprechend oft geschieht mitunter, dass man von den Bethaniern mit zusätzlichen, diesbezüglichen Anliegen vertröstet wird, weil die Erwerbsarbeit der – glaubt man der Mehrheit – angeblich vor sich hin faulenden Besetzer dazwischen kommt. In diesem Lichte also erscheinen die gemeinhin kolportierten Besetzer-Klischees allenfalls belustigend.
Wahrlich seltsam erscheint auch, dass in vielen Medien gegen die sich um das Gemeinwohl Bemühten gehetzt wird und diesen dann – wie im Falle des Bethanien – Zahlen und Verluste (Miete; Bezirkshaushalt) angelastet werden, die sich aus ganz anderen Zusammenhängen ergeben. Ein Stichwort dabei waren und sind die Kalkulatorischen Kosten. Aber diese stellen für die meisten Redaktionen offenbar eine Überforderung dar. Öffentlicher Raum jetzt kapitalverzinst; Bezirke unter Privatisierungszwang
Für das Künstlerhaus Bethanien indes ergeben sich in Wahrheit fast ausschließlich Vorteile durch die Besetzer im Südflügel: Neben der künstlerischen Befruchtung – Beleg dafür sind die Künstler das Künstlerhauses, die sich mit dem benachbarten, besetzten Südflügel künstlerisch auseinandersetzen oder gar dort ausstellen – und der erhöhten Publicity, sind es vor Allem die deutlich günstigeren Mieten, die auch die Künstlerhaus Bethanien GmbH – in einer selbstverwalteten Struktur – betreffen würden. Der Geschäftsführer Tannert vertritt innerhalb des Künstlerhauses daher eine eigenwillig irrationale Position, die durch hervorgebrachte Wiederholungen weder in ihren Befürchtungen, noch in ihren Zuschreibungen gegenüber den ungeliebten Nachbarn, wahrer wird.
Interessant ist in diesem Zusammenhang außerdem immer auch, dass offenbar der Wille, der über das erfolgreiche Bürgerbegehren der Initiative Zukunft Bethanien mit 14.000 Stimmen bekundet wurde, medial geflissentlich ignoriert wird. Bedarf das eines Kommentars bezüglich der Demokratiefähigkeit? Ich denke nicht, denn es spricht für sich und zeigt, wessen Interessen in dererlei Konflikten unter die medialen Räder geraten. Der „Kiezdödel“, wie Tannert in ihn nennt, hat in Wahrheit keine Lobby und wenn er aufbegehrt, dann wird er schnell niedergeworfen und mit kleinen Häppchen abgespeist. Das von der Bezirkspolitik widerwillig zugestandene und stets auch vom Künstlerhaus schikanierte Anwohnerforum (SOFA) ist hier das beste Beispiel für die Unterbindung von – offenbar gefürchteter – Selbstorganisation.
Das Fazit fällt bitter aus: Immer wieder ist es einfach nur traurig, von Verachtung durchsetzte und auf nicht einmal Halbwissen beruhende, wilde Mutmaßungen zu lesen. Der Fetisch Arbeit und der für Hetze stets aufnahmebereite, medial dumm gespamte, von Vielen in der Politik gewünschte Vorzeigekonsument bilden das leitkulturelle Umfeld für gehorsame Dienste an einer durch allerlei Unmenschlichkeiten gekennzeichneten Gesellschaft, in der die Antwort auf die fortschrittlichen Kräfte in einem billigen Abbild der Herrschaft der von den besagten Verwerfungen begünstigten Profiteure nur diese Prägung kennt: Verdummen. Aufhetzen. Gewalt.
Von Rio bis Yilmaz – Forderungen des Begehrens zur Zukunft des Bethanien