„Das ist superschön, das Stück, oder“, flüstert mir mein Sitznachbar im Theaterdiscounter ins Ohr. Mein Kopf nickt bereitwillig.
„Sinnlich“, „wogend“, „pulsierend“ ergänze ich in Gedanken. Doch der selbstbewussten Hingabe der drei überaus spiellustigen Künstlerinnen liegt neben der auratischen Kraft eine ebenso scharfsinnige wie anklagende Analyse zugrunde. „Choreografotze!“ schreit Rebecca Egeling, und Recht hat sie. Denn Choreografie ist Fremdbestimmung, ist nicht selten – und dennoch nie sichtbar – die geistige Penetration prekär beschäftigter, im vorliegenden Fall Tänzer zu nennender Lebewesen, und natürlich ist sie auch deren körperliche Benutzung. Ein ums andere Mal stellt sich die Frage nach Ausbeutung und Selbstausbeutung; die Grenzen verlaufen fließend.
Charlotte Jauch, Carolin Schmidt und Rebecca Egeling legen in Comeback ihre seismografische, gleichsam autobiografisch wie gesellschaftskritisch motivierte Abrechnung in einer erstaunlichen Fülle an Spiellaune dar. Schon nach wenigen Minuten fühlt man sich an die besten Seiten und Zeiten sogenannter Kleinkunst erinnert, und o Wunder, man braucht sie für die daraufflogende Stunde gar nicht wieder zu verlassen. Mit jedem Moment der kurzweiligen Performance reift die Gewissheit heran, einem Feuerwerk von Geist und Sinnlichkeit beizuwohnen. Mehr noch: Am Fuße eines wild schwankenden, schließlich umstürzenden Fasses intelligenten Humors zu stehen – das wissen wir –, ist weder im Komödienstadl noch in den Tempeln der Erleuchteten die Regel, sondern die Ausnahme.
Ebendiese Ausnahmeerscheinung verkörpern alle drei Bühnenkünstlerinnen in einer Vielzahl schneller Momente, vor allem aber in den entschleunigten, während derer die Köpfe der Zuschauer weiterführende Assoziationen zusammenreimen, welche dann zu Tränen gerührt von den Kinnladen tropfen. Ambivalenzen in Inhalt und Ästhetik zu erzeugen, gehört meines Erachtens nach zu den Meisterstücken jedweder Kunstdarstellung. Selten gerät eine ironische Auseinandersetzung dabei so erbaulich wie in Comeback, und dies Gelingen erinnert an Phänomene wie Cora Frost, die es verstehen, ihrer Glücksbegabung stellvertretend für ihr Publikum freien Lauf zu lassen und jede Höhe zu gewinnen, ohne sich niederer Instinkte zu bedienen oder den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Die virtuosen Wechsel zwischen tief empfundener Sehnsuchtsperformanz, herzhafter Persiflage und bissiger Satire verrühren Comeback zu einer überraschend schmackhaften und dabei nachhaltig nährwerten Ingrediens im manchmal bitteren Brei des Daseins. Und nicht erst während des ironischen Phrasendreschens, dem neben allerlei bekannten Werbesprüchen auch so manche Volksweise zum Opfer fällt, gemahnt sich Widerstand. Mehr noch: Comeback wartet mit veritabler Revolutionsfantasie auf. Der „revolutionären Vision von Tanz“ möchte man auf der Stelle Folge leisten, nicht allein deshalb, weil Carolin Schmidt sie im wohligen Klang ihrer betörenden Stimme vorstellt. Denn befreiten wir uns aller Verspannungen und lenkten sie in die Regung unserer Glieder – ob nun selbstchoreografiert oder spastisch –, dann „wäre die Welt ein großes Tanzfest“ und sicher auch ein Ort unkontrollierter Bewegungen, welche jedes Begehr des munter anwachsenden Überwachungsstaates zur Farce machte.
Die Künstlerinnen jedenfalls ließen auch dieser Sehnsuchtsthese umgehend Praxis folgen. Das geneigte Publikum bedankte alle Überzeugungstat mit „Bravo“ und tosendem Applaus.
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Comeback / ein Stück Tanz zwischen Pop und Wissenschaft
Comeback ist aufschlussreich wie eine Reportage, unterhaltsam wie ein Roadmovie und trashig wie ein Musikclip. 3 Tänzerinnen — endlich zurück auf den Bühnen der Welt. Ihr Comeback ist Comeback und Auseinandersetzung zugleich — mit den grundsätzlichen Konzepten von Erfolg, Lebenszielen, Ehrgeiz, Scheitern.
Die Bühne wird zum Ort, an dem die drei Tänzerinnen eigene Ambitionen ausbreiten und vor den Augen der Zuschauer sezieren In Interviews mit Coachs, Politikern und Produzenten fragen Rebecca Egeling, Charlotte Jauch und Carolin Schmidt nach Tipps, wie ihnen ein Comeback gelingen kann. Dabei erforschen sie das Verständnis von Erfolg und Scheitern in einer neoliberalen Gesellschaft, in der jeder seines eigenen Glückes Schmied zu sein hat. Bewährte Erfolgskonzepte werden aufbereitet, um sie mit den Eigenen zu vergleichen. ‚In was für einer Welt wollen wir tanzen? Wie hat sich der Tanz verändert für den wir einst auszogen, ihn uns anzueignen? Ist uns das geglückt? Oder sind wir daran gescheitert? Verändern sich Ziele, während man sich auf sie zubewegt?’
Werden die Drei an alte Erfolge anknüpfen können? Wird sich das Publikum an sie erinnern? Eines ist sicher: Sie wollten und wollen auf die Bühne und zwar so wie sie sind. Ein eigenwilliger Abend einer Gruppe, der die Zukunft gehören wird: A star will be born. We are As We Are. Von und mit Rebecca Egeling, Charlotte Jauch und Carolin Schmidt.