Der Glückswunsch: eine tanzgeile Sau

Drei literarische Vorlagen dienten hier, eine KARRIERE zu erschaffen, und was daraus hervorgegangen ist, ist tatsächlich auffallend literarisch – und das ist viel, aber reicht das? „So erhellend wie eine ölverschmierte Seemöwe“, denke ich, und doch zirkuliert hier etwas, etwas Großes, etwas Mächtiges, etwas an sich selbst Scheiterndes, ein irrlichterndes Scheitern im Versuch, Begriffe wie Freiheit und Glück aus dem geistigen Ghetto des Weisheitspathos zu befreien. „Der Glückswunsch ist eine tanzgeile Sau“, erfahren wir und wollen endlich lachen, doch auf dem Weg dorthin siegt die Frage: Wo ist der Humor? „Ein Spieler vor dem Tor, und er trifft es nicht“, denke ich, und als das Spiel zu Ende ist, verlassen die ersten schon den Saal, während andere ergriffen applaudieren. Im Theaterdiscounter.

karriereAm Anfang steht die Entscheidung, was will ich erreichen: Ruhm, Vermögen, persönliches Glück? Lebensplanung wird kurzerhand auf drei Kategorien reduziert. Der Sinn des Spiels ist vorwärtszukommen, stellt die Spielanleitung des Gesellschaftsspiels KARRIERE von 1955 klar. Der Hersteller Parker wirbt: Ein heiteres Spiel um ein ernstes lebensnahes Thema!

Sind persönliches Glück, Ruhm und Vermögen heute noch relevante Stufen der Karriereleiter? Ständig schreiben und optimieren wir unsere Biografien. Selbstbestimmtheit ist dabei ein hohes Gut, doch der Druck hat keineswegs abgenommen. Wir buhlen um Image, beschaffen Referenzen, erkämpfen Erfolge kurz: Wir machen Karriere. Wer weiß, was er will, gewinnt. Wer einmal scheitert auf seinem Weg, hat automatisch verloren?

karriere-kathrin-mayrAusgehend vom Brettspiel KARRIERE haben drei junge Dramatiker Geschichten entlang der in der Spielstrategie zentralen Grundpfeiler Ruhm, Glück und Karriere erarbeitet. Dirk Laucke verbindet den Diskurs dreier Möwen über den Zusammenhang von Freiheit und Ökonomie mit einer Erb- und Familiengeschichte zum Thema Vermögen. In Ferdinand Schmalz’ Text über das Glück zieht das Leben des Karrieremenschen Egon Erichs wie ein Film an uns vorbei. In dem Stück Ruhm verknüpft Gerhild Steinbuch öffentliches Sterben mit dem schonungslosen Blick auf den eigenen Mangel aus einer besonderen Perspektive.

„Zum selbstgesteckten Ziel führt die geplante Karriere: durch Widerwärtigkeiten, Mißgunst, jähen Aufschwung, schwierige Entscheidungen“, weiß die Spielanleitung und verspricht, dass man sich auf seinen Landsitz im Tessin zurückziehen kann, sobald man alle Ziele erreicht hat.

Mit Irene Benedict, Alexander Jaschik, Mathis Kleinschnittger. Regie: Kathrin Mayr. Bühne: Fabian Wendling.

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