Verriss oder Nichtverriss, das ist hier die Frage. Um eines gleich vorab zu erwähnen: Viele Ansätze in „Schwarze Schafe“ sind interessant, schon der Titel selbst verspricht sehr viel – und einiges ist einfach toll gemacht, doch:
Voyeurismus ist unsexy. Ein paar lustige Pointen, eine gute Drogen-Exzess-Szene, ein paar geile Schwänze und ein bisschen Berlin-Propaganda ergeben noch keinen guten Film. Die Macher würden vermutlich meinen, sie bildeten doch absichtlich die Scheiße so ab, wie sie nun mal sei. Aber weit gefehlt! Sie greifen zwar unentwegt die Sinnleere der Menschen und die alltäglichen Perversionen unserer Existenz auf, aber sie schaffen es nicht einmal, entsprechend sinnige oder hintersinnige Dialoge zu verfassen. So viel missglückten Sprech habe ich im Kino lange nicht gehört. Weiter werden sie behaupten, die allgemeine Neigung zum Klischee sei notwendig und erfrischend ehrlich oder hintersinnig. Aber für was denn? Für volle Kassen vielleicht – bei einem in etwa anvisierten Publikum, das selbst noch zu wenig Erfahrungen machen konnte und deshalb zu den Protagonisten des Films wie zu Proletengöttern aufschauen darf, bzw. sich in seiner eigenen Dumpfheit suhlen kann, während es darauf verweisen wird, im Film geeignete Vorbilder entdeckt zu haben.
Wäre der Film doch wenigstens ein ehrlicher Beitrag zur Realität! Nur leider ist es gar nicht so, dass wir Menschen nur aus einem Konglomerat von Problemen, Abgründen und Desinteresse bestehen. Man muss der (harten) Realität auch keineswegs entrückt sein, um behaupten zu können, dass Menschen einander nicht immerfort nur rücksichtslos, sondern ebenso (exzessiv) umsichtig zu behandeln vermögen. Und die Feinde unserer Selbstfindung sind nicht in erster Linie in uns selbst zu ergründen, sondern können sehr wohl an den externen Bedingungen erkannt werden. Nur leider beschäftigt sich der Film damit nur ganz am Rande.
Wenn dieser Film uns ankotzen will, so schafft er es nicht und kotzt sich höchstens in die eigene Suppe. Vielleicht will er uns (scheinbar völlig neue) Erkenntnisse aufzeigen, z. B. dass ein Job bei Vogue natürlich eine sinnentleerte Aufgabe darstellt. Nein, es wird dann doch lieber in einem der besseren Film-Momente eine Air-Berlin-Reklame eingeblendet. Soll das witzig sein? Ist es egal, dass hier eine klimakillende CDU-Konzern-Familie den Film sponsert? Wenn ja, dann kann uns echt Alles egal sein. Dass es uns das womöglich tatsächlich sein kann, lässt sich sicher auch in einem Film thematisieren, aber in diesem genauso sicher nicht, denn er kratzt nur an der Oberfläche, will nur unterhaltsam sein, wo er tiefsinniger werden könnte. Entschuldigungen gibt es dafür keine. Entweder man verwurstet seine Filmideen oder man schafft ein Stück Kunst. Letzteres ist hier eindeutig nicht geglückt.
So bleibt der Film leider in erster Linie eine von plakativen Perversionen besessene Nabelschau der Autoren, die uns wenig originell in Jackass-Manier die Zeit stiehlt und dabei nur in wenigen Teilen zu einem gutgemachten Abbild der Realität oder einer Persiflage ebendieser wird. Als Zuschauende werden wir zu Voyeuren degradiert, denen das Hirn abwechselnd in Hose und Lachmuskeln flutschen soll. Robert Stadlober spielt einen schwulen Jungen, Eralp Uzun und Oktay Özdemir zeigen ihre erigierten Schwänze her, eine im Koma liegende Oma wird in einem satanischen Ritual von ihrem Enkel in den Arsch gefickt, Münchner Schnösel werden angekotzt (einer der besseren Momente) und ein tuntiger Mann scheißt sich voll, weil er und sein Freund drauf stehen. Brachial – und ohne feines Gespür für den Bruch mit der Political Correctness – zeigt sich hierin das (Un-) Wesen des Films, das leider mehr auf Abstumpfung denn auf raffinierte Provokation abzielt.
Voyeurismus funktioniert immer. Die guten Momente aber werden von der vorherrschenden Plattheit der Umsetzungen aufgesogen. Da helfen auch nicht ein paar gut gemachte Provokationen und ein paar überzeugende Einzelszenen. Dumpf bleibt dumpf – und eine Persiflage ist es auch nicht geworden. Für denkarme Berliner ist dieser Film eine aufregende Verrohungszeremonie, für Nicht-Berliner ein billiges Hauptstadtfestfressen und für alle denkenden Berliner und Nichtberliner ein Beleg für das Absinken der (künstlerischen) Fertigkeiten einer zur Verrohung und Verdümmlichung verdammten Raubtier-Kapitalismus-Gesellschaft, die auch die Filmemacher mit in den Strudel einer vorgeblichen Entgrenzung, in Wahrheit aber in einen Strudel peinlicher Begrenztheit, zu ziehen vermag.
Schwarze Schafe? Nein, hier blökt die allgegenwärtige Schafherde der von sich und der Welt gelangweilten Filmemacher, die Ziele und Träume und ihr Scheitern nur als Faust und Fick darzustellen wissen, weil sie sich ihre Nase abgehackt haben, bevor sie die tiefgehende Fäulnis in den Dingen zu riechen vermocht haben. Ihr wolltet keinen „sozialdemokratischen“ Film machen? Ja gut, aber jetzt habt ihr einen konservativ-reaktionären Anti-Anti-Film produziert.
Ein von Phantasie und Realität gleichermaßen entferntes Machwerk, auf halber Strecke stehengeblieben.