Kaurismäki-Filme gelten als lakonisches, wenngleich poetisch geformtes Abbild sozialer Wirklichkeiten, in deren Widerschein die ganze Gewalt der menschlichen Existenz auf geradenach grotesk anmutende Art und Weise einen seelisch authentischen Ausdruck erlangt. In den zauberhaftesten Momenten seines neuesten Werks Le Havre spielt der in Portugal und Finnland lebende Filmemacher Aki Kaurismäki mit der Kraft der Illusion und der Macht des Herzens, um exemplarisch zu belegen, dass ein Zusammenstehen moralisch handelnder Individuen – vom Clochard bis zum Kommissar – einem einzelnen Unrecht Einhalt gebieten kann.
Wie in all seinen Filmen, verströmen auch in Le Havre ein mitfühlbarer Humor, absolute Detailtreue sowie unerwartete Momente des Schweigens den von Kaurismäki gewohnten cineastischen Scham – und sie atmen Aufrichtigkeit.
Die europäische Flüchtlingspolitik und deren ökonomischen Hintergründe bleiben gleichwohl unverändert und die Verantwortlichen jenes amtlichen Unmenschentums gewiss ungerührt von Kaurismäkis liebevoller Vision. Afrika dient der sich überreichernden Welt als billiger Bodenschätze- und Agrarprodukte-Lieferant, welcher in vielerlei Hinsicht von seinen schamlosen Geschäftspartnernerzwingern abhängig gemacht wurde und wird. Die dem von uns verschuldeten Elend fliehenden Menschen aus Afrika werden an den europäischen Außengrenzen mit aller Frontex-Härte von ihrem Recht auf eine menschenwürdige Existenz abgehalten. Dennoch oder gerade deshalb ist Kaurismäki mit Le Havre ein couragiertes Zeichen verzweifelnder Hoffnung gelungen.
– – – – – – – – – –
Exodus
An goldner Gräben Lauf
tönt euch, ihr Toren,
ganz unbenommen herzverloren,
ein freiherrlich „Frontex!“
zum Willkommen;
willkommen hier im Land
– Laffenland! Was
von höchstem Schaffen
kündet, ist der Export,
der von Wort und
der von Waffen, jeder
Gattung, jederorts;
ach höret doch, sie ist
längst unser, eure Freiheit,
auch die der Wahl
der Waffen; hey, ihr Affen,
wir sind human!
Auferstanden aus Ruinen,
lasset uns plärren
das Schlaraffenlied!
Afrika, o Afrika,
deine Lippen, brennend heiß,
zu heiß, sie zu küssen,
wenn sie schwellen gar
am zärtlich Kosen
unsrer Atoma. Hab Acht,
schwarzer Kontrahent, geh‘
in die Savanne scheißen,
träum süß, gut‘ Nacht!
[ostprinzessin]