Piratenpartei deckelt Vorfälle um Carsten Joost
Ahoi! Am vergangenen Donnerstag trennte sich die Initiative Mediaspree versenken! AG Spreeufer von ihrem Sprecher Carsten Joost, nachdem dieser über Jahre hinweg gemeinsame Beschlüsse der Gruppe ignoriert, Mitstreiter angegangen und Gelder, welche er zum Teil als Spende für die Initiative einforderte, in die eigene Tasche gesteckt hatte. Die Piratenpartei, für die Käpt’n Joost mittlerweile als Bürgerdeputierter in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg arbeitet, möchte die Vorfälle als irrelevant deklarieren, da sich der „fachlich sehr qualifiziert für eine bürgernahe Stadtentwicklung“ auftretende Expertendarsteller „von Anfang an stark eingesetzt und wertvolle Arbeit für unser gemeinsames Anliegen geleistet“ habe. „Umfang und Wahrheitsgehalt der Vorwürfe sind für uns bisher nicht nachprüfbar.“ Man bedauere, „dass hier einer der wichtigsten Akteure bei der Organisation von Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung in unruhiges Fahrwasser geraten ist.“ Amen.
Bei Gesprächen in der Piratenfraktion und in den Gebietsversammlungen der Partei kam man dahingehend überein, lieber unter Deck zu bleiben und die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Das viel beschworene Gebot der Transparenz erweist sich damit als rein technisches Instrument, welches offenbar jenseits von Moral und demokratischem Bewusstsein bespielt wird.
Prepare to be boarded
Ende des vergangenen Jahres erhielt ein langjähriges Mitglied den Zugang zum Account der Initiative, der bis dato seiner ehrwürdigen Hoheit Freiherr von und zu Mediaspree vorbehalten war. Nach Sichtung eines Teils des tausende Emails umfassenden Schriftverkehrs legte die zwischenzeitlich informierte Gruppe ihrem in Erklärungsseenot geratenen Tausendsassa einen stillen Abgang nah. Konsequenzen wollte dieser jedoch nicht ziehen. Da er die Initiative nach außen hin vertrat und dies weiterhin zu tun beabsichtigte, blieb nur mehr der Gang an die Öffentlichkeit, um zumindest dieser Vertretungslegitimation ein Ende zu bereiten.
Joost hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder über gemeinsame Beschlüsse hinweggesetzt und von der Initiative abgelehnte, eigene Entwürfe als Ergebnisse gemeinsamer Vorschläge oder als Resultat einer öffentlichen Ideenwerkstatt präsentiert. Kontakte zu Investoren, Projektentwicklern, Politikern und Presse wurden ohne Wissen der Gruppenmitglieder und inhaltlich entgegen gemeinsamer Vereinbarungen auf- und ausgebaut. So entstand das immer dichter werdende Zerrbild der Initiative nicht nur auf ihrer Internetseite, wo Beiträge von Mitstreitern in zensierter Form erschienen. Die Unterdrückung der Selbstbestimmung – bei gleichzeitiger Einschränkung der Teilhabe – führte die gemeinsame Arbeit in ein Feld weit jenseits demokratischer Grundstrukturen.
Bereits 2009 hatte sich die Gruppe von ihrem stadtbekannten Charmeur und Navigator zu trennen versucht, nachdem dieser keinerlei Einsicht zeigen wollte. Im Beschluss, der von acht damals öffentlich bekannten Mitgliedern der Initiative unterzeichnet wurde – ich selbst gehöre übrigens nicht zu jenen – hieß es: „Wir sind auf Grund der letzten Wochen und Monate zu dem Schluss gekommen, dass wir mit Dir nicht weiter zusammenarbeiten können. Da Du Dich inhaltlichen Konsequenzen nicht stellst und leider auch sonst die üblichen Formen von Zusammenarbeit ignorierst (Absprachen, gegenseitiger Respekt, etc.)“. Sie fordern Zugang zur Website, zu E-Mail- und Presseverteiler und eine vollständige Abrechnung der Finanzen, „damit hier keine weiteren Missverständnisse aufkommen. Weiterhin sehen wir es als Selbstverständlichkeit an, dass Du nicht weiter im Namen der AG Spreeufer aktiv wirst oder sprichst. (…) Dementsprechend erscheint es mehr als sinnvoll, wenn Du ebenfalls Deinen Posten als Bürgerdeputierter abgibst und Dich aus dem Sonderausschuss zurückziehst. Wir bedauern, dass es soweit gekommen ist (…).“
Eine Weile später gab die Mehrzahl der Mitglieder erschöpft auf und blieb lieber zuhause, während der zum Abtritt aufgeforderte einfach so weiter tat und tutete, als sei nichts gewesen. Dass vorige Woche nun auch die wackersten langjährigen Mitstreiter der Gruppe keinen anderen Weg mehr sahen, als die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Vorgänge und Hintergründe zu informieren, ist gewiss als einmalig in der Geschichte der Initiativenlandschaft der vergangenen Jahre anzusehen. Wir sollten sie zu ihrem Befreiungsschlag beglückwunschen und die gemeinsam erfolgreiche Arbeit in und an der Initiative Mediaspree versenken! und um sie herum fortsetzen.
Denn trotz eines eindeutig ablehnenden Votums per Bürgerentscheid werden die Grundstücke an der Spree nach und nach verschachert, indes ehemalige oder vorgebliche Basisaktivisten und deren Freunde die Mediaspree-Areale mit eitlen Entwürfen überplanen, welche Aufwertung, Verdrängung und Mietenexplosion weiter vorantreiben werden. Während sich in Kreuzberg derzeit Widerstand gegen das geplante „BMW Guggenheim Lab“ aufbaut, erscheint unter dem irreführenden Label Mediaspree versenken! eine Broschüre zu einem sog. Ideennaufruf, die der geblendeten Öffentlichkeit als „Modellprojekt direkter Bürgerbeteiligung“ verkauft wird, in der tatsächlich aber eine denkwürdige Versammlung sozial blinder Planungsbüros und altbekannter Prokjektentwickler wie Volker Härtig u. a. die Fachjury spielten, während Bezirksbürgermeister und Grünen-Übelvater Franz Schulz vergnüglich das Vorwort schrieb, wohl wissend, dass er kurz vor dem gegen ihn und eine Allparteienkoalition durchgesetzten Bürgerentscheid der Initiative Mediaspree versenken! empfohlen hatte, nicht Mediaspree, sondern die Initiative zu versenken. Seine Majestät wolle mit solcherlei Begehr nicht behelligt werden. Selbst Antje von „Antje und Daniel“, wie Joost die beiden grünen Nachwuchsspitzenpolitiker zärtlich nannte, bekannte: „Wir sind gleichgeschaltet genug, um das erstmal mit Franz zu besprechen.“ (Antje Kapek).
Gewiss, es mag sein, dass die angesprochenen Sachverhalte um die Causa Joost im dreckigen politischen und im noch dreckigeren Business der Stadtentwicklung – ebenso wie im ach so blütenweißen Business der Bürgerbeteiligung – keine sichtbaren Konsequenzen nach sich ziehen werden, weil auf einem dreckigen Kahn ein paar schmutzige Passagiere und Besatzungsmitglieder mehr oder weniger nicht weiter auffallen. Niemand jedoch soll scheinheilig behaupten können, er habe von all dem nichts gewusst. Denn es gibt einen qualitativen, einen moralischen Unterschied zwischen „nicht wissen“ und „nicht wissen wollen“. In diesem Sinne wünsche ich den Piratinnen und Piratten auf der sinkenden Demokratie-Titanic eine fruchtbare Liaison und eine berauschende Zusammenarbeit mit ihrem Wahrheit vertilgenden Salamitaktiker und zuverlässigen Schlagzeilenstar.
Ostprinzessin
PS: Es folgt ein Gefahrenhinweis. Widersprechen Sie einem enttarnten Chamäleon nur dann, wenn Sie zufällig gerade einen stabilen Schildpanzer tragen und/oder seelisch ausreichend abgestumpft sind. Denn es könnte sein, dass es „bedauerlicherweise aufgestanden war und eine (…) bedrohliche Haltung eingenommen hatte“, wie es in seinem Desinformationsblog bekennt, und ob des tiefen Bedauerns ganz vergessen würde, zu erwähnen, dass es dabei eine Bierflasche in der Hand hielt, seinem Aufgestandensein auch Schritte und Drohgebärden folgten, und weiteren Folgen nur mit dem panischen Sprung über ein Sitzmöbel und unter der besänftigenden Wirkung demütigender verbaler Unterwerfung zumindest soweit zu entkommen war, dass unmittelbarer körperlicher Schaden abgewendet werden konnte; vor mittelbarem wie tagelangem Erbrechen oder jahrelanger Belastungsstörung werden Sie eventuell aber nicht gefeit sein. Doch denken Sie trotzdem nichts Böses von ihm, wenn sich Ihnen das Chamäleon anschließend reuig zu Füßen wirft und spricht: „Sorry, aber es musste mal ein Zeichen gesetzt werden.“ In diesem Sinne.
Die Autorin beschäftigt sich als Publizist und Aktivistin seit 2004 mit der Instrumentalisierung von Kultur, Macht (-missbrauch) und Manipulation, ist seit 2006 Teil der Initiative Mediaspree versenken!, später auch der AG Spreeufer und der AG Spreepirat_innen, 2008/9 Bürgerdeputierter im Sonderausschuss Spreeraum, BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Seit 2006 Mitglied in der Initiative Zukunft Bethanien, Teilnahme am Runden Tisch. Mitbegründung der Netzwerk-Plattformen abrissberlin und unverkäuflich, Organisation verschiedener Bürger- und Volksbegehren, u. a. Unser Wasser (98% Zustimmung) und Spreeufer für Alle (87%). www.ostprinzessin.de