Ihr Herz blieb stehen im Kampf

Paff Meisi ist tot.

Maria Kwiatkowsky (*1985) war süß, sanft, zauberhaft – zartes Wesen und auch Macker, ließ sie uns teilhaben an undomestizierter Wahn- und Wahrhaftigkeit, an ihren Brüchen, ihrem kochenden Herz; in „torstrasse intim“ wuchs sie sich in meines. Sah ich sie im Film, so fasste ich Hoffnung für das ganze Genre.

Ihre wundersame Eigenförmigkeit tröstete mich über die Kenntnis der ihre und meine Generation überformenden Belanglosigkeit hinweg. Darum wird sie fehlen. Ihre Kunst bildete sie in schillerndsten Farben ab, und als sie vor einigen Jahren „aus privater und beruflicher Frustation“ eine Prenzlberger Kita anzündete, da trat sie aus sich heraus, um ihr Leben zu zeichnen.

Der Ehrwürdigkeit der Schauspielerin Maria Kwiatkowsky tat dies beileibe keinen Abbruch. Sie hatte ein Gesicht, ein zartes, ein sprechendes – so, wie sie es belebte, ließ es die Tiefe ihrer Virtuosität erahnen, sprach es von unvernünftigem, gleichwohl heilsamem Humor, von ihrem forschen Reißen, von reizvollen Rissen in makelloser Schönheit. Dem Leben zu nah gekommen, fand sie sich am Notausgang. Ihr Herz blieb stehen im Kampf.

THROUGH THE LOOKING GLASS

Kunstausstellung in der Bar Kosmetiksalon Babette, Karl-Marx-Allee: Ennuyante Exponate, affirmativ, dekorativ, bemüht – viel Schein, wenig Sein, kühle Atmosphäre – kurzum: Business as usual; und dann, plötzlich … something magic. Immerhin.

„Magisches Spiel (Schiefer, Holz, Kreide). Ein Spiel ist ein System aus unveränderlichen Regeln, die für jeden Teilnehmer gleichermaßen gelten. Für gewöhnlich markieren diese Regeln auch den Anfang und das Ende des Spieles. Werden diese Konstanten doch verändert, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Spiel – zwischen Spieler und Spielfigur.“ Martin Maeller

THROUGH THE LOOKING GLASS – Klasse Antje Majewski, Weißensee Kunsthochschule Berlin. Teil 1: Hasan Aksaygin, Bianca Benenti, Charlotte Dualé, Friedrich Herz , Olja Koslova, Kui-Soon, Marie Letkowski, Daniela Macé Rossiter, Martin Maeller, Merlin Ortner, Marco Pezzotta, Johannes Regin, Betti Scholz, Julia Schramm, Maria Torres.

War Songs im Affenhaus

Mary Ocher, von Ulrich Gutmair im Magazin Spex als „progressive, kosmopolitische und feministische Bohemienne“ bezeichnetes Individuum, kam in den King Kong Club und weinte erst einmal – noch lang vor ihrem Auftritt, bei dem Mary Ocher mit bisweilen reißender Herzkraft ihre war songs about „war and peace, but also social status, persecution and hints of nationalism and sexual abuse“ darbot und den ganz überwiegenden Teil des gebannten Publikums mit ihrer gleichsam anachronistisch wie avantgardistisch anmutenden Gesamtperformance bezauberte.

Die Berlinerin – geboren in Moskau als Mariya Ocheretianskaya, aufgewachsen in Tel Aviv, „disillusioned by the mainstream industry“ – blieb ganz bei sich, schien dabei mal nah, mal fern und verließ anschließend den Ackerkeller im Affenhaus in zartester Schüchternheit. Hierzu fühlte ich mich sofort analog – und: „So ausgedacht Mary Ochers Künstlerinnenpersona erscheint, so völlig echt ist sie auch. Vermutlich schockiert ihr Auftritt deshalb so: Hier traut sich eine, sie selbst zu sein“ (Gutmair).

Es wechseln die Zeiten

Am Freitagabend hatte ich die Ehre, in der Orangerie Oranienburg eine Strophe aus Brechts Moritat von Mackie Messer singen zu dürfen, a capella mit Gisela May … thank YOU! Ein wahrhaftiger Moment voll Zärtlichkeit.

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

Paul Werner Wagner im Gespräch mit Gisela May.

Eine Veranstaltung der Friedrich-Wolf-Gesellschaft.
„Kunst ist Waffe!“ F. Wolf

Sie gehört zu den wenigen Frauen, deren Namen man mit der sparsamen Beifügung „die“ verbindet. Frauen, deren Persönlichkeit Geschichte und Kunst gleichermaßen beschreibt: Die Dietrich, Die Weigel, Die Greco und eben Die May. Ihre Interpretation der Brechtsongs setzte Maßstäbe, auf der ganzen Welt sind ihre Schüler anzutreffen. Und im Osten überkommt einen ein Hauch von Überlegenheit, wenn man Gisela May auf der Bühne des Brecht-Theaters in den großen Rollen sah und nicht nur die „Muddi“ der beliebten Fernsehserie „Adelheid und ihre Mörder“.

Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.

Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne
Der Mächtigen kommen am Ende zum Halt.
Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne
Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.

Bertolt Brecht

Liebs Giselschen, flieg mer net zum Himmel nauf, isch weiß ja net, ob Du wieder nunnerkommscht! Ferdinand May

Finanzsenatorin will Prinzessin werden

„Lockt es nicht, Ministerpräsidentin zu werden?“ ARD tagesthemen

„In meinem nächsten Leben werd‘ ich sowieso Prinzessin, das is‘ noch viel schöner.“ Karoline Linnert (GRÜNE), Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen

Karoline Linnert (Foto: Garitzko)

Monoman spontan: Vernunft sich ersann

Besuch bei Theo und Emilie

Lieber Theodor,

in der Unruh Deiner Ruhestatt,
heut, an Deines Grabes Rand,
da stand und schwankt ich,
dacht hin, dann wieder her –
mit jedem Schwenk trug Es
sich höher, grub sich tiefer,
wog sich schwer – stiller
Verzweiflung heisre Schrei‘
sich schrien, bis Vernunft
meiner sich ersann, Deiner
Worte Trost entliehn.

Ostprinzessin, 2011

Die Frage bleibt

Halte dich still, halte dich stumm,
Nur nicht forschen, warum? warum?
Nur nicht bittre Fragen tauschen,
Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen.
Wie es dich auch aufhorchen treibt,
Das Dunkel, das Rätsel, die Frage bleibt.

Theodor Fontane, 1888

Erhabe dich seiner…

Man beachte auch die Analogie bzgl. sich gegenübersitzender Dichter/Engelswesen.

Fort…

Mystisch: Raum-Zeit-Kontinuum-Spalte, vormals „Himmlischer Pfad“.

Hurra, ich lebe noch

Nachdem ich gestern den Schleier gelüftet, die rosarote Brille abgesetzt und meinem Staat ganz tief ins polizeiliche Auge gesehen hatte, da war ich plötzlich richtig verliebt – verliebt in den Gedanken, ohne ihn zu leben. Weitere Konsequenz: Ich benötigte dringend ’nen Zauberstab, zwei Wasserwerfer und mindestens drei Wochen Kur. Eigentlich.

Für die ganz gewiss notwendigste Angstsituation meines bisherigen Daseins darf ich den paramilitärischen Einheiten unseres ach wunderschönen, aber seit jeher hässlich interpretierten Landes meinen tiefsten Dank aussprechen. Denn Angst löst bei mir Schrei(b)blockaden. Kleiner Scherz, har har.

Plötzlich eingepfercht – vorne zu, hinten zu, Seiten zu, viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum – und von in Panik vor gepanzerter Gewalt und Gas fliehenden Hunderten an eine Hausfassade gepresst, erlebe ich dies kollektive Vergnügen der Extraklasse, welches sowohl einem beginnenden Wonnemonat als auch wirklich jeder Prä-, Post- und sonstigen Demokratie unserer Zeit vollkommen angemessen und verhältnismäßig erscheint. Dann von kraftstrotzenden Robocops noch etwas fester mit den bislang ahnungslosen anderen zusammengepresst zu werden – Atmen, by the way, wurde dabei zur Glückssache –, überstieg selbst die Erwartungen der mitgefangenen Veteraninnen und Hartgesottenen; und das ist auch gut so, denn wer ist nicht gern mal überrascht!

Panisch aus der Menge gekämpft, so umsichtig wie möglich und so zupackend wie nötig, schließlich an Kesselrand und Polizeisperre angekommen, schallt es mir entgegen: „Vorne raus!“ Immerhin, die Staatsmacht hat Humor. Da hilft nur eins: sich Flügel wachsen lassen. Syrien ist näher als man denkt.

2. Mai. Hurra, ich lebe noch!

Ostprinzessin

Auf dem Mariannenplatz: Gerlinde Schermer (SPD), Harald Wolf (LINKE)

Was ein Bohei: ganz Berlin liebt Kapitalismus und die Polizei!

Chaos ordnet Struktur

Im temporär bebilderten, abgedunkelten Schiff der Emmaus-Kirche in Kreuzberg, vor immerhin zwanzig Gästen – ein gelingendes Konzert voller Muße, Weile, Lebensklang, mal sanft, mal brausend und immer einer modernen Freistilmusik verpflichtet, in namhafter Qualität: Mit Weltrekordler Artus Unival, Klangkomponist Marten Mühlenstein, Sax- und Flötenfachkraft Susanne Bätz, Bassveteran Hartwig Nickola, Trommelpoet Uli Moritz, Bewegungs- und Stimmvirtuosin Monika Lilleike, Paul Schwingenschlögl u. a.!

Konzert: AYA fraystyl musyk meets STEVE REICH „18 plus“.

struktur ist – chaos trifft auf struktur – struktur stört chaos – chaos ordnet struktur – und nun ?! chaos stört struktur – struktur ordnet chaos – und nun ?! chaos traf auf struktur und ging … – struktur blieb. da capo al fine … sine fine … wir tanzen den lebenstanz, singen das lebenslied, spielen das lebensspiel – ewiger walzer … – und wir sind … hier.