Artikel in Arbeit
Virtuos in Neukölln-Genezareth
Ausschusszombies on tour
Liebe Lesende,
zur Zeit bin ich ja einer der „vier Hanseln“ (wie Abrisswolf Ugarte Chacón es formuliert, die im Sonderausschuss „Spreeraum“ die Initiative Mediaspree Versenken vertreten. Zu dem ganzen Drin, Dran und Drumherum habe ich bislang ausschweifend geschwiegen, auch im Ausschuss selbst habe ich noch keine Worte verbraucht. Nun aber möchte ich behutsam und liebevoll einsteigen und von meinen Eindrücken berichten. Und ja, nennen wir es ruhig mal eine Begegnung der dritten Art. Viel Vergnügen!
Mediaspree verschönern: Ausschuss für kosmetische Eingriffe
Freitagmorgen, Osthafen in Friedrichshain. Sonnenschein. Ausschuss trifft Ausschuss. Wir, die sogenannten Bürgerdeputierten des Ausschusses Spreeraum, treffen auf einen Landesausschuss. Aber fangen wir die Geschichte an ihrem Ende an: Der Betriebsausflug des Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr des Abgeordnetenhauses endete am Freitagmittag äußerst versöhnlich: Die Ausschussmitglieder der fünf Fraktionen im Landesparlament – unter ihnen die „linke“ Grüne und Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig sowie der Ausschussvorsitzende Thomas Flierl (die „Die Linke“), der bereits als Bildungssenator die „Die Linke“-Dialektik mustergültig vertrat, dazu die Vertreter von Mediaspree e. V., der Bauprojekte-Manager Jürgen Kilian und der „das Bezirksamt“ genannte grüne Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz – all diese waren sich einig: Mediaspree badarf einer mutigen Korrektur.
So ging der gnädige Bürgermeister mutig in die Vollen und formulierte auf Bitten und Betteln hin fünf „Wünsche“. Für jede Fraktion einen, könnte man meinen. Aber bleiben wir ernst, denn schließlich wird hier über die Lebensqualität ganzer Stadtbezirke gescherzt entschieden. Sein mutigster Wunsch: 10 Meter mehr Ufer. Die sollten drin sein. 10 Meter solle man der landeseigenen BEHALA GmbH am Kreuzberger Victoriaspeicher und vielleicht sogar auch am Osthafen abverhandeln abwünschen. Auch bei den anderen Grundstückseigentümern solle ähnlich gewunschen werden. Aber da hatte der wünschelnde Bürgermeister die Rechnung freilich ohne den Wirt gemacht: Feist bot Herr Kilian 25 Meter! Als Gegenleistung dafür verlange er lediglich schnellstmögliche Genehmigungen. Nutzer habe er bereits an Land gezogen. Büros und Wohnen. Es könne sofort losgehen. Kilian war in bester Wunschlaune: Bitte sprechen Sie mit dem Liegenschaftsfonds, damit ich das so machen kann. – Ja gern, tun wir. „Das ist ein für alle Seiten befriedigender Kompromiss“, meinte Kilian stolz.
Zurück zum Wünschebürgermeister. Der fasste sich ein Herz und diktierte ein paar weitere ins Protokoll von Herrn Flierl, nachdem er zuvor herzerwärmend spaßig vom „letzten Anarchisten von Kreuzberg“ – der mit dem Lenin vor der Tür – schwadroniert hatte. Herr Zapf nämlich müsse nun mal Farbe bekennen, ob er nicht was abzugeben bereit sei von seinem schönen Spreegrundstück. Das erscheint jetzt flapsig? Hab ich auch gedacht. Aber es geht noch besser: Für ein Grundstück an der Cuvrystraße, wo die „Neuen Spreespeicher“ samt Pocketpark entstehen sollten, möge das Land doch bitte neue Leitlinien aufstellen. Etwas weniger Verdichtung und mehr Abstand zum Ufer – bitte. Die Baugenehmigung laufe Anfang Dezember aus, dann aber müsse sie allerdings unweigerlich verlängert werden, wenn es keine neue Leitlinie gebe, welche vom Senat festzusetzen sei. Tue der Senat dies nun alsbald, stünden aber dennoch die Chancen für einen noch fristgerechten, bürokratischen Genehmigungsverfahrenhürdenlauf schlecht.
An dieser Stelle nun könnte sich der geneigte Mitdenkende fragen, warum denn bitteschön der „Wunsch“ dann so spät komme. Ja warum bloß!? Diese Frage weiß wohl nur Herr Dr. Schulz höchstselbst zu beantworten.
Ebenfalls im Wünsche-Repertoire vertreten ist ein Treffen mit Frau Ingeborg Junge-Reyer, ihres Zeichens Stadtentwicklungssenatorin…, sagt man, weiß man, bedauert man…, sowie Lippi (Herr Holger Lippmann), seines ehrenwerten Postens nach Großer Vorsitzender des Liegenschaftsfonds, welcher das Land Berlin seit Jahren mittels der Verramschung von über 5.000 Immobilien reich macht. Zumindest lässt sich aus den Erlösen und Erlösungen ein Bruchteil der jährlichen Schuldzinsen bezahlen. Diese illustre Dreierrunde also wird gemeinsam darüber nachdenken, ob das Grundstück, auf dem zur Zeit das Maria am Ufer steht, nicht irgendwie mit einem den Forderungen des Bürgerentscheides näherkommenden „Kompromiss“ belegt werden kann, mit dem dann „alle Seiten zufrieden sein können“, um hiermit den liebevollen Gedanken von Filzexperte und Sumpfpflanze Herrn Projektentwickler Kilian aufzugreifen, der hier als Nachbar schon mal grundstücksübergreifend (!) vorgearbeitet hat. Immerhin patent, der Herr, nicht wahr, wenn man ihn mal mit den Kollegenpflanzen aus der professionellen Politik vergleicht.
Unser Bezirksamt, Dr. Franz Schulz, hat noch mehr Wünsche, die seiner eigenen Meinung nach zwar unrealistisch, aber deshalb noch lange nicht verschweigenswert sind: Man möge doch bitte noch einmal mit den Eigentümern des Grundstücks, auf dem der East Side Tower entstehen solle, sprechen. Dieser Tower nämlich sei schließlich seinerzeit als städtebauliche Lokomotive gedacht gewesen, aber die Waggons seien ja mittlerweile nicht mehr in Planung. Vielmehr sei zu beiden Seiten dieser Lok, die von Stofanel projektiert wird, der East Side Park sowie der Spreepark entstanden. Das sind übrigens die niedlichen, betonierten Flächen links und rechts der riesigen Leuchtwerbetafel der O2 World.
Für diesen illustren Vormittag mit erstmaliger (!) Ortsbesichtigung – seitens der Stadtentwicklungs-Ausschussmitglieder – bedanken wir uns herzlichst! Und wenn sie nicht „versehentlich“ in die Spree geschubst wurden, so treiben sie auch heute noch ihr Unwesen. Das mag hart klingen, aber nichts ist härter als die Härte der Ignoranz: Sämtliche vorgebrachten Ideen, Anmerkungen, Einwürfe und Korrekturen – egal ob sie charmant und freundlich oder weniger freundlich (seitens meiner Person) – vorgebracht wurden, fanden lediglich eine einstellige Resonanz – und zwar: 0.
Das kann man sich und anderen nicht mehr schönreden? Doch, Mann kann.
Zum Ausschuss Abschluss noch ein Zombiepsychogramm (inspired by Klaus-Peter von Lüdeke aus Steglitz-Zehlendorf, Checkerbunny und „Beratendes Mitglied“ im Ausschuss Stadtentwicklung, Lebensmotto: „Nicht träumen, handeln.“):
Schuld hat der Bezirk, nein der Senat, nein der Bezirk, nein der Senat, nein Senat und Bezirk, nein der Bürger, der wählende Lurch, der! „Erst Bethanien besetzen und dann Mediaspree versenken?“ – Ja genau.
Gegen 10, 20 oder 30 Meter mehr Ufer! Auf zu n e u e n Ufern!
Ausschüsse abschießen, wenn sie Ausschuss produzieren!
MfG, Ihre und Eure Ostprinzessin
Eine Königin und kein Fest
Chansonfest Nr. 13 im BKA.
„I did it my way. Jawoll! So ist es! Jo!“ Cora Frost
List und Leidenschaft der Popette Betancor
Die Popette Betancor im Zebrano am Ostkreuz: Ihr Auftritt ist intim. Sie präsentiert neue Lieder und Klassiker aus ihrem breiten Repertoire selbstgeschriebener und -vertonter Glanzstücke. „Wurst“ heißt das Programm, und eigentlich ist es Wurscht, wie es heißt, denn es ist vor Allem Eines: Ganz und gar popettenhaft.
Wir erleben eine Susanne Betancor, die offenbar Lust am ganz kleinen Rahmen findet, Lust am Musikmachen mit ein paar altgedienten Musikern, Lust auf Neues und Lust an der Echtheit. Wie immer, hilft sie sich über ihre kleinen Schnitzer auch an diesem Abend wieder mit viel Charme und Improvisationstalent hinweg. So werden wir gelegentlich Zeugen, wie sie live in ihrem Gedächtnis nach Phrasen und Tönen fahndet – und sie findet. Im nächsten Moment dann überspringt sie jegliche Hürde des Durchschnittlichen und entzückt uns obendrein mit ihrem debil-clownesken Charme, der in seiner Herzlichkeit immer wieder aufs Neue sehr berührend ist.
Popette-Lieder handeln oft von Frauen und Männern und sind dennoch nicht selten queer. Der wohl spannendste Song, der über die Familienministerin Ursula von der Leyen je geschrieben wurde, stammt aus der Betancorschen Feder und löst sich aus den Stimmbändern mit der Wonne einer zarten, unverdächtigen Person, die plötzlich listige Lust am respektlosen Anarchismus findet. Der von allerlei Volkstümelndem erfassten, ja geschädigten Ruhrpottlerin, die – schon lang in Berlin lebend – auch in ihrer Wahlheimat den Weg in den Mainstream bislang erfolgreich vermeidet, liegen Humor und Spott so nah wie die Tasten ihres Klaviers, welche sie an diesem Abend nur selten loslässt.
Und Eines ist klar: Eine Künstlerin, die eine Ein-Abend-Tournee in einem kleinen Theaterraum absolviert, obgleich sie auch wochenlang größere Säale zu füllen vermag, die hat einfach Klasse. Eine unsterbliche Komponistin und Musikerin ihrer Art braucht den allzu kommerziellen Rahmen nicht, um sich spüren zu können, ja sie muss ihn vielmehr fürchten, denn er könnte ihre Arbeit verflachen und aushöhlen. Die Popette bewegt sich mit Leidenschaft abseits dieses Rahmens und setzt – bei aller Not, die sie in dieser Welt vorfindet – auf die ihr eigene Unfähigkeit zur Anpassung, auf ihre Hingabe zur Satire und auch auf ihre lustige List, diese den Menschen unterzujubeln.
Das Publikum erwidert diese Leidenschaft und fordert Zugaben.
„Der Abend wird auch gefilmt. Für das Internetz. Das ist sehr praktisch, denn dann braucht man irgendwann gar nicht mehr auftreten.“ Susanne Betancor
Vereint in einer schlechten Show
Ostprinzessin am Osthafen
Es ist ein unerwartet schöner Tag mit wundervollen Skulpturen aus Wolken und Licht am Himmel. Doch am Boden tut sich was, das harmlos aussieht, es aber in sich hat: Etwa 20 Menschen, die dem Aufruf der Initiative Mediaspree Versenken gefolgt waren und sich zu einer sogenannten Ideenwerkstatt auf das Gelände des Osthafens begaben, wurden argwöhnisch vom Vermietungschef der BEHALA, Herrn Michael Reimann, verfolgt. Dazu fuhr dieser mit seinem BMW den Osthafen auf und ab und wartete mitunter eine geschlagene halbe Stunde – mit verschränkten Armen neben seinem Wagen stehend – auf die Gruppe der Teilnehmenden, die sich ohne Zeitdruck den Osthafen entlang bewegte.
Das Gelände des Osthafens ist für die Öffentlichkeit zugänglich, dennoch gibt es dort Hausherren. Da ein großer Teil des Osthafens bereits verkauft ist, hat die BEHALA nur noch auf einigen der Grundstücke das Hausrecht. Deshalb wartete besagter Herr Reimann an den jeweiligen Demarkationslinien auf seinen Einsatz. Schon zu Beginn holte er die Polizei herbei, die sich zunächst aber nur zu einer Empfehlung entschließen wollte, einfach auf ein Grundstück zu gehen, über das die BEHALA nicht verfügen kann. Außerdem ließ sich der geneigte Dorfpolizist durchaus mittels glaubhaft vorgebrachter Behauptungen beeindrucken, dass die Ideenwerkstatt als Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung und im Rahmen des Sonderausschusses Spreeraum und mit persönlicher Genehmigung der Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, stattfinde. Auch die von einer Teilnehmerin ins Spiel gebrachte Privatnummer des Bezirksbürgermeisters Franz Schulz, zur sofortigen Rückfrage, verfehlte ihre beabsichtigte Wirkung nicht.
So konnte der Tross weiterziehen. Tatsächlich entwickelten eine Reihe von Anwohnerinnen und Anwohnern interessante Ideen für die Nutzung und Gestaltung des Osthafens und zeichneten diese umgehend in die ausliegenden Skizzen ein. Nur von Wenigen wurde die Ansicht geteilt, dass am Osthafen außerhalb eines 50-Meter-Abstandes Gebäude entstehen sollen. In der Initiative ist die Frage ohnehin seit längerer Zeit umstritten. Dennoch wurden in die nachträgliche Visualisierung der Ergebnisse erneut Gebäude eingezeichnet, die sich zum hochpreisigen Wohnen an einem attraktiven Grünstreifen entlang der Spree eignen.
Auch mahnten einige der Teilnehmenden die frisch gebackenen Bürgerdeputierten, die im Sonderaussschuss die Initiative und den erfolgreichen Bürgerentscheid vertreten, nach Möglichkeit keine Kompromisse einzugehen bzw. „so wenig wie möglich.“ Auch die Presse begleitete anfangs die Begehung. Am Ende kam man an der Elsenbrücke an, wo Zeitgenosse Reimann die Gruppe diesmal mit in jeder Hinsicht besser gerüsteten Polizisten in Empfang nahm, nachdem er zuvor die Annahme eines Geschenkes, dass die Initiative eigens für ihn gebastelt hatte, verweigerte. Die Polizei nahm eine Anzeige gegen einen der Aktivisten auf, welcher seit einiger Zeit bei der BEHALA Hausverbot hat. Die Gründe dafür liegen tief und haben mit dem Frust der landeseigenen BEHALA GmbH zu tun, der sich daran aufbaut, dass immer wieder Aktionen der Initiative am Osthafen stattfinden, die auf den Verkauf der Flächen, ihre Bebauung und die geplanten Projekte aufmerksam machen.
Eine Separation des Aktivisten durch die Polizei scheiterte am spontanen zivilen Ungehorsam der anderen Beteiligten.
Loft oder Liebe?
Beginnend am Rosenthaler Platz in Mitte, zogen heute mehrere hundert Menschen – unter ihnen auch eine Reihe von Kindern – gut „beschützt“ durch etwa gleichviele grün Uniformierte die Kastanienallee entlang. Auf Höhe der K86 erfreute ein Feuerwerk die Demonstrierenden. Vom geenterten Dach des Nachbarhauses rieselten außerdem zahllose Zettel mit der Aufforderung „Fuck Yuppies“ hinunter.
Der Aufzug zog weiter durch die nahezu totgentrifizierte Oderberger Straße und weiter durch ebenso tote wie sterbende Straßen der Stadtquartiere um den Zionskirchplatz herum. Von den Balkonen aus prosteten frisch eingezogene Happy-Yuppie-Familien den lustigen Demonstrierenden auf der Straße zu. Irgendwie fühlte es sich anachronistisch an, überhaupt in dieser Gegend zu demonstrieren, die bereits in einer anderen Zeit angekommen ist und längst in akut fortgeschrittener Verwestdeutschung und Grünbürgerlichkeit und schal hipper (Ex-) Hipness danieder liegt.
In der Brunnenstraße 183 begrüßten unzählige aus dem Haus fallende Luftballons die Vorbeiziehenden. Ein Feuerspeier gab seine Kunst zum Besten, was sich gut machte in der zwischenzeitlich aufgekommenen Dunkelheit. Der Demonstrationszug langweilte sich dennoch bitterlich und zog unter verminderter Beteiligung weiter zur Linienstraße 206, wo es eine Überraschung gab: Nichts nämlich. Manche kehrten noch zur Volxküche in dieses wundervoll erscheinende Haus ein, welches immer noch den Baggern und den bereits über ihm kreisenden Kränen trotzt. Drei der Abriss Activists waren dabei und schließen sich dem Aufruf an: Linienstraße 206 bleibt!
Ostprinzessin spricht Klartext
Klartext als Text oder als Video
Der Sonderausschuss zum außerordentlich erfolgreichen sog. Bürgerentscheid Spreeufer für Alle (87 % der abstimmenden Bevölkerung) ist gestartet. Die Ostprinzessin sagte gegenüber Radio 08/15 FM: „Mein erster Tag als sog. Bürgerdeputierter ist gerade vorbei, und eines kann ich jetzt schon sagen: Beim Versenken müsst ihr und müssen Sie alle helfen, sonst wird’s nix.“
Und das macht die RBB-Abendschau draus: Sonderausschuss zu Mediaspree (Videobeitrag)