Wenn das die Berliner Zeitung wüsste

Das Engelbrot ist für seinen unkonventionellen Stil bekannt. Nun ja, bekannt ist vielleicht etwas zuviel gesagt, denn das große Theater in Moabit ist so chronisch unterbesucht (und unterbeheizt) wie überignoriert.

Im Engelbrot wird experimentiert und laboriert, was das Zeug hält. In Ich, Georg Büchner beispielsweise wird dessen Leben nachgezeichnet und sein revolutionäres Schaffen (Dantons Tod, Woyzeck, Leonce und Lena, „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“) zu Live-Rockmusic-Klängen von Ludo Vici in Szene gesetzt. Nicht alles ist hier schon zuende gedacht, aber die Ideen und Ambitionen bilden gut den kreativen Geist des Theaters ab. Zu den intellektuellen Höhenflügen indes gehören sowohl die Generalangriffe der Engelbrot-Macher auf das alljährliche Theatertreffen als auch diverse Spitzen gegen die politischen und kulturellen Szenen der Stadt überhaupt. Und das ist auch gut so.

Aber um was genau handelt es sich bei folgendem Zitat aus dem Engelbrot-Programmflyer? Darin wird Friedrich Liechtensteins „Radioshow“ u. a. mit den Worten beworben: „Friedrich Liechtenstein begeistert im Theater Engelbrot von der ersten bis zur letzten Minute. Berliner Zeitung “.

Die Berliner Zeitung!? Sie wird hier als Güte-Referenz herangezogen. Doch hat die werte Berliner Zeitung die Show jemals zur Kenntnis genommen? – Nein. Aber hier hatte man.

Ist dies nun geniale Subversion oder schlicht und ergreifend das mehr oder weniger absichtliche Verdrehen von Tatsachen, ein Irrtum, eine Verwechslung, gar ein kleiner Fehler in der Recherche?

Kurzum: Die blumen & zitronen (www.bz-blog.de) und die Ostprinzessin möchten sich hiermit ausdrücklich gegen jegliche Verwechslung verwahren und insbesondere auch gegen jedwede Subversion! 😉

Engelbrot Programmflyer das Corpus Delicti

*schnuppe 2 ist da!

Zeitschrift für A in B – Format 2: GLUT

23 Seiten über Bewegung, Brände, Brennendes und Verbranntes, Mahnungen, Warnungen und Tarnungen, über Multikultur, den ständigen Rand, über Rote Beete und Teppiche, die Ware und die wahre Welt, über Würde, Ehre, Zorn und Zeichen.

Die kostenlose Zeitschrift ist erhältlich an diversen Auslagestellen und weltweit bestellbar: ep(at)ostprinzessin.de.

Aus Philosophie. Spuren von Tod.

Sitzen ist besser,
als stehen,
u. liegen ist besser,
als sitzen:
Besser,
als liegen,
ist schlafen,
und besser,
als schlafen,
ist todt seyn.

Frankfurt a.M. d. 8ten April 1858, Arthur Schopenhauer

Letzte Rille

„In der Watte seines Unvermögens lebt der Mensch beschränkt.
Ich, du, er, sie, es haben’s gut gemeint, immer gut gemeint,
immer gut gemeint. Letzte Rille, letzte Rille, letzte Rille…“

Hiermit endet Hildegard Knef auf ihrer Platte KNEF (1970).

KNEF (1970)

Räumt das Bethanien! (Aber welchen Teil?)

Von Vorurteilen und Klischees, Verdummung und Hetze

Es ist geradezu peinlich, was zum Thema Besetzer im Bethanien immer wieder in Medien wie dem Tagesspiegel, der Berliner Zeitung oder der WELT publiziert und dann z. B. von Medien wie dem rbb oder dem Hauptstadtblog unhinterfragt wiedergegeben wird.

Zum Beispiel haben die Besetzer im Bethanien dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von Beginn an Mietzahlungen angeboten. Diese Angebote wurden stets abgelehnt. Dennoch wird in den besagten Medien fortlaufend aus einer Hass-Perspektive berichtet, aus der heraus die Besetzer zu Schmarotzenden erklärt werden. Ganz offensichtlich hat man sich bei dieser Argumentation an die Märchen des Leiters der Künstlerhaus Bethanien GmbH angelehnt. Christoph Tannert hatte wiederholt in zahllosen Medien mit Dreck auf die Nachbarn geworfen und gern auch die ganze Kiezbevölkerung gleich mit bedacht. „Wenn Sie mich einladen, komm ich nicht!“

Die Bethanier aber leben und/oder arbeiten im Bethanien, öffnen zudem das Haus für Anwohner und für sehr unterschiedliche Initiativen – darunter durchaus auch bürgerliche – und entwickelten in ihrer Freizeit dann auch noch Konzepte für das Bethanien, welche die Politik – angesichts ihrer Überlastung und offensichtlichen Unfähigkeit – über die Jahre nicht hinbekommen hatte. Im direkten, persönlichen Kontakt mit der Initiative Zukunft Bethanien sowie den Besetzern wird schnell klar, dass Vielen oftmals kaum die Zeit dafür reicht, noch mehr an Konzepten zu arbeiten. Entsprechend oft geschieht mitunter, dass man von den Bethaniern mit zusätzlichen, diesbezüglichen Anliegen vertröstet wird, weil die Erwerbsarbeit der – glaubt man der Mehrheit – angeblich vor sich hin faulenden Besetzer dazwischen kommt. In diesem Lichte also erscheinen die gemeinhin kolportierten Besetzer-Klischees allenfalls belustigend.

Wahrlich seltsam erscheint auch, dass in vielen Medien gegen die sich um das Gemeinwohl Bemühten gehetzt wird und diesen dann – wie im Falle des Bethanien – Zahlen und Verluste (Miete; Bezirkshaushalt) angelastet werden, die sich aus ganz anderen Zusammenhängen ergeben. Ein Stichwort dabei waren und sind die Kalkulatorischen Kosten. Aber diese stellen für die meisten Redaktionen offenbar eine Überforderung dar. Öffentlicher Raum jetzt kapitalverzinst; Bezirke unter Privatisierungszwang

Für das Künstlerhaus Bethanien indes ergeben sich in Wahrheit fast ausschließlich Vorteile durch die Besetzer im Südflügel: Neben der künstlerischen Befruchtung – Beleg dafür sind die Künstler das Künstlerhauses, die sich mit dem benachbarten, besetzten Südflügel künstlerisch auseinandersetzen oder gar dort ausstellen – und der erhöhten Publicity, sind es vor Allem die deutlich günstigeren Mieten, die auch die Künstlerhaus Bethanien GmbH – in einer selbstverwalteten Struktur – betreffen würden. Der Geschäftsführer Tannert vertritt innerhalb des Künstlerhauses daher eine eigenwillig irrationale Position, die durch hervorgebrachte Wiederholungen weder in ihren Befürchtungen, noch in ihren Zuschreibungen gegenüber den ungeliebten Nachbarn, wahrer wird.

Interessant ist in diesem Zusammenhang außerdem immer auch, dass offenbar der Wille, der über das erfolgreiche Bürgerbegehren der Initiative Zukunft Bethanien mit 14.000 Stimmen bekundet wurde, medial geflissentlich ignoriert wird. Bedarf das eines Kommentars bezüglich der Demokratiefähigkeit? Ich denke nicht, denn es spricht für sich und zeigt, wessen Interessen in dererlei Konflikten unter die medialen Räder geraten. Der „Kiezdödel“, wie Tannert in ihn nennt, hat in Wahrheit keine Lobby und wenn er aufbegehrt, dann wird er schnell niedergeworfen und mit kleinen Häppchen abgespeist. Das von der Bezirkspolitik widerwillig zugestandene und stets auch vom Künstlerhaus schikanierte Anwohnerforum (SOFA) ist hier das beste Beispiel für die Unterbindung von – offenbar gefürchteter – Selbstorganisation.

Das Fazit fällt bitter aus: Immer wieder ist es einfach nur traurig, von Verachtung durchsetzte und auf nicht einmal Halbwissen beruhende, wilde Mutmaßungen zu lesen. Der Fetisch Arbeit und der für Hetze stets aufnahmebereite, medial dumm gespamte, von Vielen in der Politik gewünschte Vorzeigekonsument bilden das leitkulturelle Umfeld für gehorsame Dienste an einer durch allerlei Unmenschlichkeiten gekennzeichneten Gesellschaft, in der die Antwort auf die fortschrittlichen Kräfte in einem billigen Abbild der Herrschaft der von den besagten Verwerfungen begünstigten Profiteure nur diese Prägung kennt: Verdummen. Aufhetzen. Gewalt.

Von Rio bis Yilmaz - Begehren zur Zukunft des Bethanien

Von Rio bis Yilmaz – Forderungen des Begehrens zur Zukunft des Bethanien

Dem Tode in die Arme tanzen

Das Gegenwärtige hingegen wird nur einstweilen so hingenommen und für nichts geachtet, als für den Weg zum Ziel. Daher werden die Meisten, wenn sie am Ende zurückblicken, finden, daß sie ihr ganzes Leben hindurch ad interim gelebt haben, und verwundert seyn, zu sehn, daß Das, was sie so ungeachtet und ungenossen vorübergehn ließen, eben ihr Leben war, eben Das war, in dessen Erwartung sie lebten. Und so ist denn der Lebenslauf des Menschen, in der Regel, dieser, daß er, von der Hoffnung genarrt, dem Tode in die Arme tanzt.

Arthur Schopenhauer  Arthur Schopenhauer