Aber nein!
„Reine Geschmacksache“ ist ein Film, der das Publikum nicht spaltet, sondern im Lachen vereint. Gewiss, nicht Jede/r wird jede Pointe vortrefflich finden, aber an diesem Film ist einfach Vieles außerordentlich gut gelungen. Mit viel Liebe wurden zahllose kleine Details eingefügt. Der Schnitt ist beherzt und kann durchweg überzeugen, die Handlungen können öfter mal überraschen. Lieblosigkeiten kommen eigentlich nicht vor.
Diesem Film gelingt es, das zu sein, was hierzulande sonst fast immer arg angestrengt wirkt: Eine Komödie.
„Wolfi, Handelsvertreter für Damenoberbekleidung, hat einen funkelnagelneuen Wagen, aber plötzlich ein Problem: Er hat keinen Führerschein mehr. Sein Sohn Karsten, frischgebackener Abiturient, hat eine Sprachreise nach Spanien gebucht, aber plötzlich ein Problem: Sein Vater hat keinen Führerschein mehr. Protestieren hilft nicht: Karsten wird zwangsverpflichtet, Wolfi samt Frühjahrskollektion durch die deutsche Provinz zu chauffieren.“
In Wahrheit geht es aber vor Allem auch um das Coming Out des Sohnes gegenüber seinen Eltern. Dass er sich in den übelsten Vertreter-Kollegen seines Vaters verliebt, gibt den Anlass, nach und nach für Klarheit zu sorgen. Bei aller Liebe zum Klischee tun sich auch ungewohnte Perspektiven und unverbrauchte Zuschreibungen auf. Wirklich umwerfend aber macht den Film seine herrlich ehrliche Umgebung: Eine baden-württembergische Einfamilienhaussiedlung der Siebziger. Das ganze Haus ist voller geschmacksferner Einrichtungselemente. Man könnte es so formulieren: Die größten Hits der 70er, 80er und 90er – und das Beste von heute. Alles erscheint äußerst realistisch. Wer glaubt, dass Natürlichkeit leicht ins Bild zu setzen ist, irrt vermutlich. Ob nun Edgar Selge oder Franziska Walser, die das Elternpaar spielen – die Inszenierung überzeugt durch eine fast peinliche Realitätsnähe.
Der schwule Sohn hingegen wird vom 19-jährigen Florian Bartholomäi in einer Weise verkörpert, die ihn von der Durchschnittlichkeit seiner (familiären) Umgebung abhebt: Er ist süß und sanft, bietet wenig Angriffsfläche. Während Edgar Selge in überragendem, ausgefeiltem Schauspiel in der Rolle des Vaters brilliert, der die üblichen Vorlieben hegt und ganz selbstverständlich den Errungenschaften des Kapitalismus nachhastet, dafür sogar Alles aufs Spiel setzt, besteht die vorrangige Aufgabe von Florian B. darin, attraktiv und putzig zu wirken, was ebenso gut gelingt, aber dann doch weitaus anspruchsloser erscheint. Etwas mehr Tiefe hätte bestimmt nichts daran geändert, dass das Publikum sich in ihn verliebt.
Die Nebenfiguren fallen besonders durch eine äußerst gelungene Überzeichnung ihrer Persönlichkeit auf. Die mit der Mutter befreundete Brigitta (Traute Hoess) wird urkomisch als dominanter Drag-Queen-Verschnitt in Szene gesetzt und ein kleiner, aber feiner Gastauftritt von Irm Hermann als Verkäuferin in einer Damen-Boutique endet mit einem unnachahmlichen Irm-Hermann-Gesichtsausdruck.
Keine Geschmackssache.
Eine gelungene Komödie – nicht mehr und nicht weniger.