… dann gehts bergab, ach scheiß doch drauf.“ Cora Frost
Auftritt No 2: Westmonster
Zum Ersten, zum Zweiten, Zum Dritten
Westmonster on stage im Ackerkeller: Freitag, 21. November 2008, 22 Uhr.
Zwischen Naked Beats und Barbie Deinhoffs…
Von der Kunst der Melancholie
Ars melancholiae – ein vitalisierendes Feuerwerk des Schmerzes.
Auftritt No 1: Westmonster
Autodidakt brilliert mit Monstersongs und verzaubert das geneigte Publikum
Das Westmonster gab sich bereits am 18. Juli die Ehre und startete seine offizielle Gruselkarriere am Hort der monstereigenen Internet-Firma, einer Mietbüro-Galerie am Weddinger Nordufer. Zu später Stunde hielt der heimliche Gruselstar aus Groovy Moabit seine mit Spannung erwartete erste Audienz. Ein dem monstereigenen Beamer-Verleih entliehener Beamer projizierte an eine Leinwand die Bilder eines Filmes, in welchem dem Publikum allerlei monstrige Wesen begegneten.
Der Beginn strahlt Eleganz und erhabene Souveränität aus, Frack und Frisur sitzen perfekt, die Stimme klingt gut geölt, nur die Technik will noch nicht so funktionieren wie ihr Monstermeister es ihr befiehlt. Die bestmögliche Lösung für die Anforderungen dieses Auftritts findet sich an diesem Abend noch nicht. Die Pausen, die beim Hochladen der Musik entstehen, zerren am Spannungsbogen. Zwar steuert das ausgiebig mit Kommunikationswissenschaften vertraute Profimonster hin und wieder gekonnt auf eine die Zeit überbrückende Anekdote – nebst einer die Zeit vertreibenden Pointe – zu, kann aber dennoch kaum den Eindruck abmildern, dass der technische Malus dem Auftritt insgesamt ein Stück von der notwendigen Fahrt zu rauben droht. Dem ausgewiesenen Grusel- und Musikexperten entgeht zudem überraschenderweise die einfache Tatsache, dass zwar seine Stimme gut und klar verstehbar ist, die eingespielte Musik jedoch in entscheidenden Momenten schlichtweg zu leise klingt. So viel dürfte dennoch klar sein: In vielen der Monstersongs verbirgt sich eine Kraft des Mitreißenden, denn ihr Schöpfer ist sowohl linguistisch als auch musikalisch äußerst versiert.
Die konzeptionelle Basis für das Westmonster steht auf den Füßen des exzellenten Musikers und seines Vermögens, neue Texte in neue Noten zu kleiden. So treibt die im Querdenken geschulte Koryphäe des autodidaktischen Schaffens ihr Publikum mit von Herzensangelegenheiten handelnden Liedern in eine nachdenkliche Grundstimmung und hinterlässt darin sogleich den Eindruck einer Entschleunigung der Zeit. Ein Monster und Gefühlsduseligkeiten? Nun ja, Musik macht kaum Denkbares möglich, öffnet das Tor zu den eigenen Gefühlen und zu denen des Publikums. Was sonst vielleicht gar nicht über die Lippen kommen mag, kann gesungen einen Höhepunkt emotionaler Offenbarung bedeuten.
Die Westmonster-Musik wirkt erfinderisch und oft auch verspielt, gründet aber stets auf einer Neigung zu minimalistischer Klarheit. Mit seinen zu Klassikern auserkorenen Songs wie dem groovig-fröhlichen Tag im Park oder dem abgedreht-aufgedrehten Keine Arbeit lässt der Songwriter eine zugleich smarte wie auch sozialkritische Haltung in seine Arbeit einfließen. „Als ich aus der U-Bahn stieg, war es heller Tag. Ich wollte schon zur Arbeit gehn, da fiel mir ein, dass ich keine hab.“ Zugleich zeugen Zeilen wie diese von der außerordentlichen Brillanz ihres Verfassers. Dieser indes beklagt den von ihm besungenen Zustand nicht, sondern weiß ihn offensiv zu feiern. Das grüne Blut der Westmonster-Kunst fließt durch weite Adern und lässt ein Publikum von unterschiedlicher Couleur die gewohnten Hörpfade und Sichtachsen verlassen.
Der Gruselbeauftragte und bekennende antikapitalistische Kapitalist weiß genau, wo er den Menschen auf den Zahn fühlen kann: Die Öde Ode ist einer nicht-fiktiven Generation Ödnis gewidmet und zeigt mitunter die Ambition, ebendiese Ödnis und Sinnleere, welche sich in einer von Konsum und Kommerz dominierten – und oft genug sich darin erschöpfenden – Welt in den Menschen anreichert, mit viel Ironie aufs Korn zu nehmen und angriffslustig in Zweifel zu ziehen.
„Nenn mich krank: Wenn ich alt bin, werd‘ ich Punk“, heißt es im Lied vom Punkwerden, aber der angehende Gruselpunk wird sich kaum des Eindrucks erwehren können und wollen, bereits in seinen jungen Jahren ein gutes Stück reifer zu sein als das Gros seiner Generation. Wohl auch angesichts deren Trolligkeit scheint der Mensch das Monster hinter dem Westmonster sehr viel mehr am Leben erkrankt zu sein als eben jene. Es ist also der Verfasser selbst, der sich in diesem Song seine leidende Seele in gepflegtem, prä-punkigen Gewand, zu mal poppigen und mal sperrigen elektronischen Klängen zu erleichtern sucht.
Die Teilnahme daran bereitet Vergnügen und lässt tiefe Erkenntnisse zu. Für den zweiten öffentlichen Auftritt hat monster sich wieder einiges vorgenommen und bereits angekündigt, die technischen Probleme gelöst zu haben. Verpassen wollen wir das nicht, gell!? Westmonster On Stage – Freitag, 21.11.2008, ab 21 Uhr im Ackerkeller, Bergstraße 68, Mitte. Anschließend Party mit Zuckerstudio-Kollege DJ Molch. Eintritt: gering.
Das Westmonster (188/80/26), Wahlmoabiter und kein Popstar, macht queeren elektronischen Gruselsoul. Es singt, spielt verschiedene Instrumente und bringt den Computer dazu, mitzugrooven. Im Internet veröffentlicht es unter www.westmonster.de von Zeit zu Zeit sogenannte Monstcasts, kleine kompostierte Tonaussendungen aus Westmonster Abbey. Auf der Bühne veranstaltet es Jamsessions mit sich selbst und der Stimmung des Publikums. Dazu nimmt es Kiesel aus der höhleneigenen Mülldeponie und schichtet sie kunstvoll aufeinander, bis es nach etwas klingt.
Frost umjubelt wie selten
Mit vorgehaltenem Gewehr: „Giovanni, mach das Brummen weg!“
Drei Stunden Frost & Band. Die vierte Zugabe wird vom Admiralspalast unterbunden.
Im Foyer gesichtet: Der Frühling mit Lidl-Tüte, sowie Frau Heinz.
„Ja kann man so sagen. Denn ich bin eine freie Bürgerin dieses Staates…, wobei man ja nicht weiß, wo das Geld dann landet…“
Frost auf Frost im Ballhaus Ost
Virtuos in Neukölln-Genezareth
Eine Königin und kein Fest
Chansonfest Nr. 13 im BKA.
„I did it my way. Jawoll! So ist es! Jo!“ Cora Frost
List und Leidenschaft der Popette Betancor
Die Popette Betancor im Zebrano am Ostkreuz: Ihr Auftritt ist intim. Sie präsentiert neue Lieder und Klassiker aus ihrem breiten Repertoire selbstgeschriebener und -vertonter Glanzstücke. „Wurst“ heißt das Programm, und eigentlich ist es Wurscht, wie es heißt, denn es ist vor Allem Eines: Ganz und gar popettenhaft.
Wir erleben eine Susanne Betancor, die offenbar Lust am ganz kleinen Rahmen findet, Lust am Musikmachen mit ein paar altgedienten Musikern, Lust auf Neues und Lust an der Echtheit. Wie immer, hilft sie sich über ihre kleinen Schnitzer auch an diesem Abend wieder mit viel Charme und Improvisationstalent hinweg. So werden wir gelegentlich Zeugen, wie sie live in ihrem Gedächtnis nach Phrasen und Tönen fahndet – und sie findet. Im nächsten Moment dann überspringt sie jegliche Hürde des Durchschnittlichen und entzückt uns obendrein mit ihrem debil-clownesken Charme, der in seiner Herzlichkeit immer wieder aufs Neue sehr berührend ist.
Popette-Lieder handeln oft von Frauen und Männern und sind dennoch nicht selten queer. Der wohl spannendste Song, der über die Familienministerin Ursula von der Leyen je geschrieben wurde, stammt aus der Betancorschen Feder und löst sich aus den Stimmbändern mit der Wonne einer zarten, unverdächtigen Person, die plötzlich listige Lust am respektlosen Anarchismus findet. Der von allerlei Volkstümelndem erfassten, ja geschädigten Ruhrpottlerin, die – schon lang in Berlin lebend – auch in ihrer Wahlheimat den Weg in den Mainstream bislang erfolgreich vermeidet, liegen Humor und Spott so nah wie die Tasten ihres Klaviers, welche sie an diesem Abend nur selten loslässt.
Und Eines ist klar: Eine Künstlerin, die eine Ein-Abend-Tournee in einem kleinen Theaterraum absolviert, obgleich sie auch wochenlang größere Säale zu füllen vermag, die hat einfach Klasse. Eine unsterbliche Komponistin und Musikerin ihrer Art braucht den allzu kommerziellen Rahmen nicht, um sich spüren zu können, ja sie muss ihn vielmehr fürchten, denn er könnte ihre Arbeit verflachen und aushöhlen. Die Popette bewegt sich mit Leidenschaft abseits dieses Rahmens und setzt – bei aller Not, die sie in dieser Welt vorfindet – auf die ihr eigene Unfähigkeit zur Anpassung, auf ihre Hingabe zur Satire und auch auf ihre lustige List, diese den Menschen unterzujubeln.
Das Publikum erwidert diese Leidenschaft und fordert Zugaben.
„Der Abend wird auch gefilmt. Für das Internetz. Das ist sehr praktisch, denn dann braucht man irgendwann gar nicht mehr auftreten.“ Susanne Betancor