Scheintote Nieten-Gruppen
„Ick kenn dit seit 20 Jahren!“
Schon bald nach Beginn wird in gleichsam ernsthafter wie lockerer Runde die erheblichste aller Fragen unvermittelt in den Raum geworfen: Ist das Bündnis gegen Privatisierung letztlich eine von vielen scheintoten Nieten-Gruppen, die sich gerade noch um sich selbst drehen, aber im Grunde weder Wirkung noch eine gehaltvolle Form von Dynamik entfalten?
Ja diese Frage darf schon deshalb gestellt werden, weil das Anliegen des Bündnisses so erheblich wichtig ist. Hier wird nicht kleinkariert gegen eine einzelne Verschlechterung getrommelt, sondern das ganze Konstrukt, die ganze Ideologie der Privatisierung öffentlichen Eigentums, demaskiert und ihre hässliche Fratze ans Licht gezerrt. Dazu werden alle geplanten und bereits vollzogenen Privatisierungen, die der Berliner Wasserbetriebe, der Bahn, der Berliner Sparkasse und vieler anderer öffentlicher Einrichtungen ins Visier genommen und Strategien des Widerstandes geplant.
Dank der versammelten Kompetenzen ist es oftmals sogar möglich, fundierte Gegenkonzepte vorzuschlagen und von einer – wenn auch legitimen – bloßen Abwehrhaltung auf die Ebene der konstruktiven Alternativen zu gelangen. Denn natürlich ist man sich über die Vorteile einer Veränderung in den festgefahrenen, bürokratischen und zu ineffizient gewordenen Staatsbetrieben im Klaren. Aber eines kann dabei nicht außer Acht gelassen werden: Eine Privatisierung hat bislang immer nur zum Schaden der Allgemeinheit stattgefunden.
Als teilweise Ausnahme lässt sich – bei allem Personalabbau – höchstens die Privatisierung der Telekom anführen, zumindest was die Preise für die Endverbraucher anbelangt. Telefonieren ist billiger als vorher. Wasser, Strom, Bahnfahren, Wohnen und Krankenversorgung hingegen sind schlechter, teurer und unsozialer geworden. Das zeigen die Beispiele in deutschen Landen genauso wie überall dort in Europa und der Welt, wo diese Privatisierungen ihre gemeingefährlichen Auswirkungen bereits voll entfalten konnten. Die mit den Privatisierungen einhergehenden Einnahmeverluste der öffentlichen Hand und die Profitgarantien für die Investoren, die auch Berlin weiter in die Handlungsunfähigkeit treiben, kommen noch verschärfend hinzu!
Mit dem praktischen Informationsaustausch und den gegenseitigen Hinweisen auf (Protest-) Veranstaltungen ist bereits genügend Legitimation für das Bündnis geschaffen worden, nicht aber eine eigene Form der Dynamik, also keine wirkliche Kampagne. Dass man sich aber nicht in Theorien ergeht, sondern auch in der Lage ist, dynamische Prozesse zu entfalten, hat man bisher vor Allem mit einer 14-tägigen Veranstaltungsreihe und der Handzeitung „privare“ bewiesen. Dabei hat sich allerdings herausgestellt, dass die etablierten Medien fast vollsändig gleichgeschaltet berichten, kritische Positionen nicht gefragt sind und eine blinde Folgsamkeit die Medienlandschaft bestimmt.
Alle sozialen Bewegungen und alle gegen Privatisierung, sofern nicht schon dabei, sind aufgerufen, die Bündniskraft zu stärken und zu ergänzen! Einige Vernetzungen sind bereits im Aufbau begriffen. Es gibt auch gute Kontakte zur Initiative Zukunft Bethanien und selbst zur frisch gegründeten Initiative „Mediaspree versenken“, die dem bürgerlichen Spektrum am wenigsten nahe steht, bestehen bereits Verbindungen. Die Initiative Berliner Bankenskandal sitzt von Anfang an mit am Tisch. Sie alle haben bereits erfolgreiche Aufklärungs- und Kampagnen-Arbeit hinter sich und mit der Unterstützung weiter Teile der Bevölkerung eine Veränderung der realen Politik erreicht.
Und wie weiter? Das ist die entscheidende Frage und Nagelprobe zugleich! Zunächst scheint es noch so, als ließe sich beim heutigen Treffen in der Mediengalerie im Haus der Buchdrucker keine große Aufbruchstimmung erzeugen. Aber wo ein Wille ist – und der gemeinsame Wille im Bündnis ist gemeinnützig und gesundheitsfördernd – ist auch ein Weg: Nun ist ein Kongress in Planung, eine Website wird aufgebaut und gleich mehrere Volksbegehren werden vorbereitet!
Vom Club der Untoten zum dynamischen Bürgerbündnis – zumindest ein neuer Anfang ist gemacht. ABRISSBERLIN sitzt mit am Tisch und berichtet weiter!
Spreemedia? Mediaspree? Versenken!
Kampagnenplanung und Bildvorträge im Ambulatorium, RAW-Tempel
MediaSpree versenken
Ins Leben gerufen von:
NewYorck im Bethanien
Schwarzer Kanal
Kastanie 86
Laster & Hänger
Rigaer 94
Umsonstladen und Brunnen 183
Demokratie-Poker im Casino
Stadt unter Privatisierungszwang?
Die Folgen eigenwilliger Kostenberechnungen zwischen Senat und Bezirken
Man kennt ja das allgegenwärtige Lamento über leere Kassen und hohe laufende Kosten, die das Land Berlin und die Bezirke zu tragen hätten. Im Bereich der landeseigenen Gebäude wird in der Politik immer wieder der Ruf nach Privatisierungen laut, um die laufenden Kosten zu senken und Verkaufserlöse einzustreichen.
Nun wurde in Berlin im Jahr 2004 ein spezielles Konstrukt geschaffen, das für einige Gebäude die Kosten auf absurde Weise in die Höhe treibt und so einen vermeintlichen Privatisierungszwang aufbaut: die sogenannten „kalkulatorischen Kosten”. Bezirke mieten öffentliche Gebäude vom Land an, wobei die Miethöhe über besagte kalkulatorischen Kosten ermittelt wird, die sich auf den Wert des gemieteten Gebäudes beziehen. Errechnet werden laufende Zinseinnahmen des fiktiven Verkaufserlöses eines Gebäudes bzw. eben jene errechnete Kosten, die angeblich daraus entstehen, daß Verkauf und Erlös nicht zustandekommen. Für die Bezirke entsteht ein Anreiz, durch Kostensenkungen bei der Miete, z. B. durch Umzug oder Privatisierung der Einrichtung, Einsparungen zu erzielen.
Man kann sich hier zwar fragen, ob der Besitz von öffentlichen Gebäuden nicht grundsätzlich davor bewahren sollte, überhaupt Miete zu zahlen. Aber seitdem das System darin besteht, sich gegenseitig Kostenstellen aufzurechnen, ist alles etwas komplexer geworden. Ob auch sparsamer, ist die Frage. Noch merkwürdiger wird die Logik der Berechnungen durch eine Neubewertung der Mietkosten. Bei denkmalgeschützten Gebäuden wird dabei nicht wie üblich der Verkehrswert, also ein nach Marktpreisen zu erwartender Verkaufserlös, sondern der Buchwert eingesetzt, also die Kosten eines Neubaus nach heutigen Preisen. Je aufwendiger also ein Bau, und das ist bei denkmalgeschützten Immobilien häufig der Fall, desto höher die Miete.
Im Falle des ehemaligen Krankenhauses Bethanien liegt der Buchwert ungefähr elfmal so hoch wie der Verkehrswert von ca. drei Millionen Euro. Daraus leitet sich nun eine überhöhte Miete ab, die den Bezirk unter Privatisierungsdruck setzt. Jenen Bezirken, die besonders durch denkmalgeschützte Gebäude belastet sind, sind die Auswirkungen der kalkulatorischen Kosten durchaus bewußt, doch zeichnet sich derzeit unter den Bezirken keine ausreichende Mehrheit zu einer Veränderung der Berechnungsgrundlagen ab.
Die Besetzung des Bethaniens hat in Kreuzberg erst einmal quergeschlagen und mit der Initiative Zukunft Bethanien durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren die Privatisierung zunächst verhindert. Die Initiative recherchierte zu den Berechnungsgrundlagen und legte die Details offen. Auch wurde dem Bezirksamt aufgegeben, die Rechtmäßigkeit der Berechnung mit dem Senat bis spätestens Ende Januar zu klären und einen öffentlichen Informationstermin dazu anzusetzen.
Noch scheint es sich um einen Berliner Sonderweg zu handeln, ob nun aus politischem Kalkül oder Unfähigkeit, wer vermag da schon so genau zu unterscheiden. Angesichts der Situation bleibt die Frage, inwieweit zivilgesellschaftliche Initiativen ein Modell sein können, um öffentliche Räume dem Markt zu entziehen und Gestaltungsfreiräume zu erweitern.
Malah Helman/E. Princess
via Stadtzeitung Scheinschlag
Wegziehen? – Wir bleiben.
Theorie und Praxis: Solidarische Ökonomie
Mustermesse im Theaterdiscounter
Zur sogenannten Mustermesse 2, zu der neben Antrags-Veteranen wie der Absageagentur, die auf Annoncen von Unternehmen mit Absagen reagiert, auch die Bergpartei und die Sängerin wie Aktionskünstlerin Bernadette La Hengst eingeladen sind, spielt auch ein reißender Act aus Berlin: Nachlader.
Leider hat es von und für Nachlader keine Werbung für diesen Abend im Theaterdiscounter gegeben, so dass Nachlader, wie immer mit Serge Kool, vor einem kleinen und zurückhaltenden Publikum auftreten müssen und leider auch die Akustik so mies ist, dass der Wortwitz und die exakt produzierten Elektrosounds, die mit eindringlichen Beats daherkommen, hinter den eigentlichen Möglichkeiten weit zurückbleiben.
In den nächsten Tagen wird der „Sprengantrag“ vorgestellt, der aus einer Sammlung abgerissener und abrissbedrohter Gebäude besteht und gleichzeitig ein Manifest des Widerstands ist.
Adrienne Goehler, die ehemalige Kultursenatorin von Berlin, die als Chefin des Hauptstadtkulturfonds wahre Wunder vollbracht bwz. finanziert hat und die eine glühende Verfechterin des Palasts der Republik ist, wird aus ihrem Buch vorlesen, das sich mit Visionen für eine menschlichere und von Kultur bestimmten Gesellschaft beschäftigt und das auch klare Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen enthält und begründet.
Die Mustermesse verspricht also spannend zu werden und positive Sprengkraft zu versammeln, bei der sich die widerständigen Menschen in der Gesellschaft konkrete Bespiele an- und abschauen können und bisher Unbeleckte vielleicht Anhaltspunkte erhalten.
„Wenn Sie mich einladen, komm ich nicht!“
Der NBK lädt zur Diskussion unter dem herbeigekünstelten Titel: „Quo vadis Bethanien?“, Diskussion über die Zukunft des Künstlerhauses Bethanien nach einem Jahr andauernder Besetzung durch Autonome; auf dem Podium: Gerrit Gohlke (Publizist), Karl Heinz Jeron (Künstler), Reiner Maria Matysik (Künstler) und Christoph Tannert, Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien GmbH.
Doch Letzterer will nicht diskutieren, er will nur beleidigen: „Der Kiezdödel“ schade der „Hochkultur“, pöbelt er, angesprochen auf den Anspruch der IZB (Initiative Zukunft Bethanien), die Anwohner an der Zukunftsgestaltung des Bethanien zu beteiligen, wofür die IZB ein fast 14.000 Stimmen starkes Bürgerbegehren angestrengt hat.
„Soziale Wärmstuben“ gäbe es in Kreuzberg zur Genüge, so Tannert weiter. „Hausbesetzer sind gesetzlos und gehören verfolgt!“ Dass Christoph Tannert dies wirklich ernst zu meinen scheint, überrascht angesichts seiner eigenen, durchaus systemkritischen Biografie. So war ausgerechnet der DDR-Bürger Tannert es, der in der DDR eine Ausstellung über Punk ins Leben rief, die vom Staat äußerst argwöhnisch beäugt wurde. Die im Raum anwesenden Bethanier und ihre Freunde haben denn auch größte Mühe, nicht vor Wut zu platzen. Dennoch aber lässt sich niemand auf das Tannert-Niveau hinunterziehen. Kritische Nachfragen aber tötet Tannert auch weiterhin mit immer neuen Beleidigungen ab – meist rhetorisch geschickt und überlegen.
Muss so viel Arroganz sein? Das wird sich selbst der Künstler Reiner Matysik gefragt haben, der in Tannerts Künstlerhaus eine Ausstellung unter dem Namen „Initiative Zukünftige Lebensformen“ zeigen darf, für die er auch direkt bei den Besetzern im benachbarten Südflügel recherchiert hat. Überhaupt hat er die Besuche in der NewYorck 59, wie der Südflügel seit seiner Besetzung heißt, als angenehm in Erinnerung. In seinem Ausstellungstitel und auf der zugehörigen Website (leider nicht mehr verfügbar) gießt er über den konkreten, klar politischen und sozialen Anspruch der Initiative Zukunft Bethanien – leider von oben herab – einen künstlerischen Zuckerguss, der denn leider auch am künstlerischen Deckmäntelchen kleben bleibt und am Ende etwas unkonkret durch den Kunstraum schwebt. Immerhin aber traut sich Matysik, im offenen Widerspruch zu Tannert zu stehen, während die anderen Diskutanten auf der Schleimspur bleiben, obwohl Tannerts Ausfälle zunehmend unerträglich erscheinen.
Überhaupt kommt die drängende Frage auf, ob der Geschäftsführer des Künstlerhauses für die KünstlerInnen eigentlich tragbar ist. Tannert indes wettert weiter gegen die zukunftsweisenden Lebensformen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft – während er sie im Künstlerhaus ausstellen lässt – und begrüßt den Kommentar einer Frau aus dem Publikum: „Der Hass auf die Kunst hat in Deutschland Tradition.“ Hinter dieser Behauptung steht wohl dann auch die Frage: Sind Linke kunstfeindlich? Daher – zur Erinnerung – ein paar der berühmt gewordenen Gegenbeweise: Hanns Eisler, Ernst Busch, Kurt Tucholsky, Heinrich Mann, Oscar Wilde, Käthe Kollwitz und Frances Farmer.