Und jetzt?

Das Theater renoviert und sicher gemacht für den Besuch in pandemischen Zeiten, drei von vier Vorstellungen so gut wie ausverkauft, in den Nachgesprächen wollen alle über Corona reden, egal um was es geht, Ideologien, Lügen, falsche Wahrheiten, manche sind zum ersten Mal wieder da: Theater – Teil der vierten Gewalt, sagt einer, und zum ersten Mal seit März habe ich wieder mein Buch verkauft an einen echten Gast in einem echten Theatersaal.

Jobs weg, Kurzarbeit, tausende fehlende Euros, Angst um Freunde und Familie, am Arbeitsplatz, Schmerzen, Verspannung, eine Welt in nie gekannter Veränderung, Menschen mit Krankengeschichten, Todesnachrichten, Übersterblichkeit ganz real, ich von Anfang an dabei, wegen Liebe in der Lombardei, ausgerechnet.

Zu viel Wutgeschrei, zu viel Gelassenheit, tausend Offerten, in Hass zu zergehen, Verzweiflung, ja, die Regierung hat versagt, sicherlich, die Regierung hat regiert, viel recht gemacht, viel schlecht, wie du und ich; ich hätte gern es besser gemacht, so als Prinzessin gedacht – ich tat, was ich kann, bin gesurft, gesegelt, manchmal abgetrieben, habe gesiegt im Verlust und im Sieg verloren, tausendmal Toleranz geübt, das einzige, was uns hindert, aufeinander loszugehen, bin letztlich zart, empfindsam, den Tränen nah, liebend geblieben. #atmenimgegenwind

Irm Hermann oder Mein erstes Mal

Irm Hermann sah ich erstmalig 2001 auf der Bühne, am 3. Oktober in Bremen, als Vermieterin Frau Grollfeuer in „Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos“. Das Stück galt als unaufführbar – eigentlich. Reihe 9, Platz 13, 29 Mark. Mein erstes Mal Theater.

Ich war sofort verliebt, bewunderte Charisma und Radikalität ihres Schauspiels; ihre Person erschien mir stets wie eine Persiflage, dies wiederum als Ausdruck höchst emanzipativen Wirkens. Fern, fremd, unnahbar einerseits, exotisch, ja manisch, beinah gespenstisch, andererseits verwandt. Ich ging gleich noch mal hin.

2005 brillierte sie in Atta Atta Aktion 22, als Gegenpol zu Christoph Schlingensief, der sich nackt gegen eine Wand warf: Kunst mit großem Penis. Später traf ich sie bei Konzerten von Ingrid Caven und Cora Frost. Als Tante Hedwig bei Loriot kennt sie jeder wohl.

Irm Hermann ist tot. Es lebe Irm Hermann!

Pari pari

Wir sollten begreifen, dass „unser“ Staat, unsere EU, unsere kapitalistische Perversion uns alle in Gefahr bringt, indem „wir“ heuchlerische Politik machen: Waffen verkaufen, Handelsterrorismus treiben, tyrannische Regime wie die des saudischen Königshauses stützen und überall „Herren der Welt“ spielen militärisch, wirtschaftlich, kulturell.

Gewissenlosen Fanatikern wie den Mördern in Paris und ihren Hinterleuten, denen es schlichtweg um dieselben „Werte“ geht, die „wir“ leben und propagieren – Macht und Gier und Leitkultur –, machen „wir“ es leicht, das Kleingeistige, Seelenlose und hässlich Unmenschliche in uns Menschen für diese Zwecke zu rekrutieren.

Und da diese machthungrigen Kreaturen – wie „wir“ – vor nichts zurückschrecken, um ihre Ziele zu erreichen, tarnen sie ihr Unwesen mit Etiketten wie „Gott ist groß“, „Islam“, whatever. Wir sollten ihnen die Maske von der Fratze reißen und erkennen: sie sind wie „wir“. Denn das Gleiche machen „wir“, wenn wir „Demokratie“ oder „Menschenrechte“ postulieren, wenn es eigentlich um Macht geht. Ja wir sollten nicht vergessen, dass wir neben ein paar Krumen Demokratie, einem unselig ätzenden Belag repräsentativer Parteienpolitik und einer Kuchengabel voll Menschenrechten vor allem eines haben: ein gut ausgeklügeltes System zur Befriedigung von Machtinteressen, das die einen immer mächtiger und wohlhabender macht und die anderen immer ärmer und ohnmächtiger.

Das und die und sie und „wir“ säen Angst, Misstrauen und Hass, und die eiskalten Profiteure aller Seiten lachen sich ins Fäustchen, fressen Torte oder Currywurst, stoßen mit Champagner an oder ner Pulle Bier.

Harald Schmidt ist tot

Harald Schmidt ist tot, Helmut Kohl hat mit Hannelores Selbstmord rein gar nichts zu tun, und Helmut Schmidt war der verehrungswürdige geistige Führer, den Abermillionen denkfauler Untertanen in ihm sehen wollen.