Gruß aus dem Feuerland-Exil

Nach langem Bangen erreicht uns ein Lebenszeichen der Ostprinzessin. Das Ende der Palastferien wirft seine Schatten voraus – im Herbst wird es wieder heiß.

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Stillleben: Nicht nur der Himmel ist für alle da.

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Oder wie es uns die Ostprinzessin vor ihrer Abreise – auf ein rosa Kaugummipapier gekritzelt – hinterließ: „Beschämt erdunkelnder Blumenstrauß, von seidenzarter Prinzessinenhand geklaut // sich ins Bild schummelnder 369-Meter-Zahnstocher“.

Zero Tolerance – Wenn Frauen richtig hassen

Comedysongshow von und mit Bob Schneider & Gert Thumser

Kneipenwirtin Jutta Hartmann (Bob Schneider), die „attraktivste Neuköllnerin mit Alexis-Carrington-Frisur“ (Berliner Zeitung), betreibt seit 20 Jahren die Eckkneipe „Juttas Inn“ in der Nogatstraße, den Dreh- und Angelpunkt des Kiezes. Dort steht die glamouröse Gastronomin jeden Tag hinterm Tresen und versorgt ihre Kundschaft mit den Neuköllner Grundnahrungsmitteln: Futschi und Bockwurst naturell. Ihre Universität waren die Strassen von Neukölln, und gestählt von einem Leben hinter dem Zapfhahn will sie noch einmal richtig durchstarten und sich ihren Traum von der großen Karriere als Sängerin erfüllen.

Jutta engagiert den erstklassigen Pianisten Franz Kuhn, aber der Sohn von Klavierlegende Paul Kuhn entpuppt sich als Paula Frantz-Kuhn (Gert Thumser), die uneheliche Tochter von gleich zwei Starpianisten: Justus Frantz und Paul Kuhn. Paula ist ein Brachialweib, die einst als Wunderkind von ihren egomanischen Eltern in ein Zirndorfer Erziehungsheim gesteckt wurde und sich dort zu einer massigen Zeitbombe entwickelt hat, die immer schneller tickt und deren Gefährlichkeit mit ihrem Appetit wächst.

Jutta und Paula sind also zwei ebenbürtige Gegnerinnen. Somit verwundert es nicht, dass das erste gemeinsame Programm dieser schlagfertigen Ladies „Zero Tolerance – wenn Frauen richtig hassen!“ heißt. Die Fetzen werden entsprechend fliegen, wenn die mittelfränkische Wuchtbrumme am Klavier auf die Futschiqueen aus der Berliner Bronx trifft: Paula und Jutta, eine Schicksalsgemeinschaft zwischen Stutenbissigkeit und großen Gesangsmomenten.

BOB SCHNEIDER ist Jutta Hartmann: Seit den 90ern unterhält Bob in unzähligen Comedyshows mit Ades Zabel und den Teufelsbergern unter dem Label „Trash de Luxe“ als Neuköllner Wirtin Jutta, als liebenswert-tattrige Haushälterin Agnes oder als szenige Uptowntussi Susan das Publikum auf großen und kleinen Bühnen. Auch auf der Leinwand ist Bob zu Hause: In der Rolle der Gisela Drache im Kinofilm „18:15 Uhr ab Ostkreuz“ fanden ihn Zuschauer und Kritik „fabulous“! Als Reiseleiterin Jutta führt Bob seit Neuestem abenteuerlustige Touristen auf Comedy-Bustouren durch Berlin.

GERT THUMSER ist Paula Frantz-Kuhn: Gert, das mittelfränkische Schwergewicht der Kleinkunstszene verfügt über eine unheilige Doppelbegabung von Musik plus Comedy. Als Bühnenpartner, Komponist und Pianist von Cora Frost, Désireé Nick und Tim Fischer machte er sich deutschlandweit einen Namen. Gert kann Noten lesen und schreiben, im Zehnfinger-System Klavier spielen und dabei noch umwerfend aussehen. Aus diesem Grund heißt seine eigene Band auch „Beauties on Duty“.

Jutta & Paula im BKA Theater

Neue Zeitschrift der Rebelle Époque

*schnuppe - Schlaglochpoesie von A bis Zett - Format 9 

*schnuppe  Format 9/Subbotnik – Schlaglochpoesie von A bis Zett.

16 Seiten über drei Pfaffen, die Strafe der Acht, meinen Arbeitsplatz, Militanz & Verweigerung und über Touristen, die keine sind. Mit dem Aufschwung Ost, der Gefahr des guten Beispiels, einem Seepferdchen, ’nem fliegenden Haus, der nackten Wahrheit, PS & PPS und dem ultimativen Jobtipp. Ohne Aufstiegschancen.

Was vom Himmel fällt, ist gratis!

Bestellen: ep(at)ostprinzessin.de

Mitnehmen:
(A) NewYorck im Bethanien, Mariannenplatz 2, Berlin-Kreuzberg
(B) Ackerkeller, Bergstraße 68, Berlin-Mitte
(C) kulturinventur, Buchstr. 1/Nordufer, Berlin-Wedding

Nicht nur reden, sondern handeln

Transgenialer geht es immer – Regenbögen, wo man sie nicht erwartet

Homos wohnen nicht außerhalb des Rings und schon gar nicht am Stadtrand – so lautet die überzeugte Meinung (und Empfehlung) vieler schwächelnder Schwuchteln und launischer Lesben und traniger Transen. Und Prinzessinnen würden es eigentlich genauso meinen. 😉

Aber wir alle sollten zumindest zur Kenntnis nehmen, dass das letztlich eben doch nur subjektiver Unsinn ist, wie auch die folgende Aufnahme belegt:

Regenbogenfahne im MV Märkisches Viertel
Zur Bedeutung der Regenbogenfahne.

Beim Transgenialen CSD 2009 gab es in diesem Jahr einige wenige Regenbogenfahnen zu sehen. Fotos haben das Westmonster, die andere Person und meine homophile Exzellenz jedoch – anders als in den Vorjahren (08) (07) (06) – nicht geschossen, stattdessen einfach nur die (überwiegend unterspannte) Atmosphäre auf uns wirken lassen, dabei aber immerhin die Anwesenheit vieler zauberhafter Menschen – einschließlich der aus den ersten Zeilen – genossen. 😉

Der Transgeniale CSD 2006 übrigens hob Mediaspree versenken aus der Taufe, lange bevor ein alternder Nachwuchsdespot mit dem leidlich hübschen Namen Carsten das Ruder an sich riss und der Reihe nach alle homophilen Menschen und sonstigen Que(e)rulanten aus der Initiative rausekelte und dabei – „sorry, aber es musste mal ein Zeichen gesetzt werden“ – auch meiner zähen Wenigkeit handfeste Gewalt androhte.

Einen ganz guten Bericht über den diesjährigen CSD gibt es hier: Analyse, Kritik & Aktion. Die nicht allzu transgeniale Möchtegerngang um den rappenden Immobilienmakler Bushido wurde auch bereits hinreichend porträtiert, zum Beispiel in diesem und in diesem Beitrag der Mottenpost. Aus irgendeiner Perspektive wird vielleicht sogar ein kleines Regenbögelchen zu sehen sein, während eine Salve Wasser oder Bier in Bushidos Richtung fliegt.

Alle wieder heil zuhause angekommen? Gut, dann bis nextes Jahr!

The Ostprinzessin

P.S. „Gerüchteweise“ wurde noch bekannt, dass der Ausfall einer der Redebeiträge mit dem Bushido-Vorfall zu tun haben soll; Person X war offenbar in den spritzigen Nahkampf verwickelt – getreu dem Motto: Nicht nur reden, sondern handeln.

Grüner Sheriff schießt auf Prenzlbürger

Kirchner beleidigt Bürgerinitiativen und erhält Quittung in gleicher Höhe

Was wir bislang vor Allem vom grünen Bürgermeister Dr. Franz Schulz in Kreuzberg und Friedrichshain gewohnt waren, hat offenbar Schule gemacht: Auch im Prenzlauer Berg werden Initiativen hart angegangen, wenn sie sich gegen die Politik der grünen Karrieristen an der Macht wehren. Einen „Grundhass gegen den Staat“ attestiert Stadtrat Jens-Holger Kirchner seinen Bürgern. Doch brav wie die Bürger im Prenzlberg heutzutage eben sind, zeigen diese sich darüber „bestürzt“ und nicht etwa bestätigt.

Was in Teilen Kreuzbergs womöglich einigen Stolz auslösen könnte, gilt den Prenzlbergern im größtenteils längst in bürgerliche, künstlerische und kreative Langeweile gekippten Kiez um die Kastanienallee und die Oderberger Straße als Beleidigung. „Zutiefst anarchistisch und Feinde der öffentlichen Ordnung“ – nein, das ginge ja nun wirklich zu weit! Lieber setzen „wir, die anliegenden Bürger“ auf eine „Erneuerung der Gesellschaft“, Ivan Illich zitierend: „Der erste Schritt dazu ist eine skeptische, respektlose Einstellung der Bürger gegenüber dem wissenschaftlichen Experten.“

Bei allem bürgerlichen Enthusiasmus haben die Prenzlbürger aber nicht verlernt, wie man einen Stadtrat zurechtweist und das lässt mich – nach nun sieben Jahren Wohnhaft im Prenzlauer Berg – beinahe wieder auf bessere Zeiten hoffen. Bravi!

Sehr geehrter Herr Kirchner,

an verschiedenen Baustellen (!) streiten Sie und wir in unserem Bezirk für gemeinsame Ziele. Zuletzt haben wir uns gemeinsam FÜR die Einführung der Parkraumbewirtschaftung im Prenzlauer Berg eingesetzt. Über die zukünftige Baustelle in der Kastanienallee konnten wir uns bisher NICHT verständigen, obwohl wir Ihnen eine Steilvorlage nach der anderen für eine einvernehmliche Gestaltung dieser im Bezirk Pankow einmaligen Straße gegeben haben.

Nun aber bestürzen Sie uns mit Äußerungen in der Tagespresse – und wir hoffen, Sie wurden falsch zitiert, wie es ja auch auch uns passiert – die Sie in die Niederungen des Populismus führen. Mit diffamierenden Aussagen über die Anwohner des Kastanienallee-Kiezes und deren legitime Sorgen um ihr Lebensumfeld verteidigen Sie Ihre kompromisslose Haltung. Sie attestieren den Bürgern einen „Grundhass auf den Staat“ und ein „Grund-Misstrauen“ gegen die Verwaltung, und „Angst vor der Veränderung“ einer „Spielwiese“ (Berliner Zeitung vom 12.6.2009). Und: „Man muss auch realistisch bleiben“ (Berliner Kurier 12.6.2009).

Wir entnehmen diesen Zitaten, dass wir, die anliegenden Bürger, in Ihren Augen kindisch und lebensfern sind, unrealistisch und geistig unbeweglich, zutiefst anarchistisch und Feinde der öffentlichen Ordnung. Aber Sie, als Stadtrat dieser öffentlichen Ordnung, stellen mit tapferer Unbeugsamkeit als „Grüner Sheriff“ (Berliner Kurier 14.2.2009) sicher, dass selbige für die übrigen braven Bürger erhalten bleibt.

Die Wahrheit ist schon auf fast erschreckende Weise das Negativ Ihrer eigenen Selbstwahrnehmung: das von Ihnen als ausreichend betrachtete sogenannte „Beteiligungsverfahren“ musste Ihnen erst per BVV-Beschluss aufgezwungen werden. Sie hegen ein Grund-Misstrauen gegenüber den dummen Bürgern, die dem Hoppla-Hopp ihrer Planung im Wege stehen. Ihre, für die bedächtig und akribisch vorgetragenen Einwände der Anwohner, tauben Ohren schüren erst das Misstrauen der Bürger. SIE und Ihre Verwaltung haben sich als unbeweglich erwiesen. Oder wie würden Sie es nennen, wenn von 100% IHRER Forderungen 5% umgesetzt werden? Einen Kompromiss?

Kompromisse haben dagegen die Bürgerinitiativen gemacht. Auf die Ablehnung von „Shared Space“ und „Fußgängerzone“ – alles keine abwegigen Ideen, die  unsere „Angst vor Veränderung“ beweisen könnten – haben wir mit detailgenauen und sachkundigen Lösungen geantwortet, auf die Bezirk und Senat konsequent in kompromissloser Bürokratenmanier reagierten.

Die „Angst vor Veränderung“ treibt die Bürokraten um. Die Angst vor Demokratie und ernsthafter Bürgerbeteiligung, welche die Plan-„Spielwiesen“ austrocknen könnten, die immer noch so absurde Monster hervorbringen wie die Verlängerung der A100 für 400 Millionen Euro, mit der 200 Kastanienalleen zu lebens- und liebenswürdigen Straßen umgebaut werden könnten! Aber ach, es ist ja kein Geld da! Ja, weil gewählte Stadträte zu bequem sind sich gegen gewählte SenatorInnen durchzusetzen. Und gewählte SenatorInnen keinen Mumm gegenüber den gewählten BundespolitikerInnen beweisen. Auch dass wäre „Demokratie von unten“!

Stattdessen schielt der von den Bürgern gewählte Stadtrat lieber auf den Bürger-Meisterposten, der auf dem Spiel stünde wenn der Stadtrat aufmuckt. Dabei sähen wir ihn gern in diesem Amt, wenn er nur FÜR die Bürger kämpfen würde, anstatt für altmodische Verkehrskonzepte eine lebendige Straßenkultur zu zerstören, wie uns der Verlust des Zeitungskiosk am U-Bahnhof Eberswalder Straße schmerzhaft vor Augen führt. Vermutlich war Ihnen das zu viel der von Ihnen bemängelten „Kommerzialisierung ohne Ende“, wo wir fast ausschließlich unabhängige, kreative Geschäftsleute sehen, die dazu beitragen der Straße ihr einzigartiges Flair zu geben. Den öffentlichen nicht-kommerziellen Raum für den Aufenthalt der Anwohner, für den Sie zuständig sind, zerstören und verhindern SIE mit Ihrer Planung. Ohne Not verschlechtern Sie mit einem Streich die Verkehrssicherheit für Radfahrer, die Lebensqualität der Anwohner und die Attraktivität für Flaneure. Und mit den Geldern des Städtebaulichen Denkmalschutzes“ zerstören Sie eine denkmalgeschützte Straße.

Wir fordern weiterhin eine umfassende und ehrliche Bürgerbeteiligung, statt der Willkür einer Bürgerideen-Lotterie. Desweiteren fordern wir einen Runden Tisch mit der Senatsverwaltung, Bezirksverwaltung und den Bürgerinitiativen. „Der erste Schritt dazu ist eine skeptische, respektlose Einstellung der Bürger gegenüber dem wissenschaftlichen Experten. Die Erneuerung der Gesellschaft muss vom Zweifel ausgehen.“ (Ivan Illich: Fortschrittsmythen – S.31)

CARambolagen

www.carambolagen.de
www.oderberger.org
www.bin-berlin.org
www.marthashof.org
www.marthashof.blogspot.com
www.marthashof.info

Desillusioniert, von vollem Herzen

Zu den Olympischen Spielen 1936 sollte Berlin „zigeunerfrei“ sein, die Berliner Sinti und Roma wurden unter Zwang in einem Lager in Marzahn interniert, von wo aus die meisten nach Auschwitz in den Tod geschickt wurden.

Zur Feier des 60-jährigen Bestehens der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 soll Berlin möglichst „zigeunerfrei“ bleiben. Roma und Sinti, die nach Berlin fliehen, werden in das in einem Spandauer Industriegebiet gelegene „Ausreisezentrum Motardstraße“ verbracht. Der Wunsch des Senats und weiter Teile der Bevölkerung: die Rückkehr der Menschen, nach Rumänien zum Beispiel, doch dort – wie in vielen Ländern des Balkans und in Ungarn oder Tschechien – stehen die meisten vor dem Nichts; seit Generationen eine traurige Tradition: Roma werden von der Infrastruktur ausgeschlossen – Wasser, Strom, Bildung, alles wird ihnen vorenthalten, ganze Stadtviertel nicht ans öffentliche Netz angeschlossen. In vielen Geschäften werden Roma nicht bedient, Jobs gibts sowieso keine. Die allgegenwärtige, stetig sich verschärfende Armut in der Gesamtbevölkerung führt indes dazu, dass ein aufgehetzter rechter Mob „Säuberungen“ durchführt: Häuser brennen, Mordkommandos machen Jagd auf Roma.

Währenddessen heizen die Berliner Boulevardmedien die Stimmung gegen die ankommenden Roma so sehr an, das auch hierzulande wieder mit Pogromen gerechnet werden kann. Differenziert wird dabei selten. Roma seien quasi naturgemäß verwildert, verwahrlost, kriminell, aggressiv und unverschämt schmarotzende Zeitgenossen. Die real existierende Existenznot wird als „Bettelmasche“ verunglimpft, die Lebensbedingungen in Mittel- und Osteuropa stets unterschlagen. Historische Verantwortung? Nein, die muss man in der Bundesrepublik Deutschland mit der Lupe suchen, dann, wenn es um Roma und Sinti geht. Auch die bestehenden Roma-Organisationen erweisen sich als wenig hilfreich; in der Praxis sind die Erfahrungen oft schlecht, erzählen Aktivisten mit Roma-Hintergrund.

Gute, konstruktive Lösungsansätze werden oft überhört, Verantwortliche drücken sich um ihre Verantwortung herum. Roma haben keine große Lobby und hatten sie noch nie, wenn es hart auf hart kam. „Rassistisch Verfolgte sind keine Touristen – Übernehmt endlich Verantwortung für Sinti und Roma“, mahnten die Aktivisten der spontan entstandenen Unterstützergruppe, die auf ihrer Suche nach Hilfe in der Not bei einer katholischen Gemeinde in der Kreuzberger Wrangelstraße angekommen war. Die betroffenen Roma-Familien benötigten dringend ein Dach über dem Kopf, da sie seit Tagen im Freien schliefen. Doch die Gemeinde beharrte darauf, dass sie vorab hätte liebevoll um Hilfe gebeten werden müssen – die sie dann selbstverständlich ausgeschlagen hätte, wie man vermuten muss, denn die Gemeinden, die die Unterstützer im Vorfeld angefragt hatten, signalisierten alles andere als christliche Nächstenliebe.

Keine Touristen Die Kirche ist geöffnet Zur Freiheit befreit (?)

„Zur Freiheit befreit“ – der hübsche Spruch entpuppte sich als inhaltsleere Sprechblase. Die Flyer auf den Kirchentischen lügen sich so schamlos ins Papier wie das Grundgesetz der 60-jährigen Nation, wenn es in Artikel 3 behauptet: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Die wenigen Gemeindemitglieder, die am 28. und 29. Mai 2009 den kurzen Weg in ihre Kirche fanden, bestärkten den ohnehin hasenfüßigen Pfarrer Polossek in seiner Haltung, ein menschliches Zeichen der Barmherzigkeit unbedingt zu vermeiden. Manche wetterten so arg gegen die Hilfesuchenden, dass es schlussendlich keine andere Möglichkeit mehr geben konnte, als den Hort christlicher Abgründe zu verlassen. „Ihr erfüllt alle Klischees, die man über euch hat“, polterte Pfarrer Polossek gegen die Unterstützergruppe und ihren „unfreundlichen Akt“. Aber kann er darin wirklich sicher sein?

Die Realität würde ihn später Lügen strafen – wie sie es auch bei einer zunehmend aufgeriebenen Katina Schubert vom Sozialsenat tun würde, die in einer unwirschen Minute laut brüllend die nach zähen Verhandlungen angesetzte Diskussionsrunde im Gemeinderaum verließ: „Mit euch kann man doch gar nicht reden, ihr interessiert euch doch nur für euren Dreck!“ Zuvor schon war ihr Zetern groß: „Wenn ihr jetzt nicht aufhört, dann geht gar nichts“, drohte sie, doch ohnehin ging gar nichts und würde auch nichts gehen, das traute sie sich nur noch nicht zu sagen. Weniger herzhaft agierte der „linke“ Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler, der sich ins Paragrafengefängnis zurückzog und bei den Roma-Familien Stimmung gegen ihre Unterstützer zu machen versuchte, in ruhigem, sachlichen Ton: „Sie sind schlecht beraten von denen!“ Auf meinen Einwand hin, dass diese aber wohl die einzigen seien, die sich überhaupt kümmern würden, verstummte er, ohne jedoch gerührt zu sein. Anschließend log Mildner-Spindler seine Mutmaßungen in ebendiesem rechtschaffenden Ton samt einiger fauler Angebote linientreu in jedes Mikrofon, das sich ihm bot, und ja, die versammelte Presse war sich ohnehin schon weitestgehend sicher, wer hier wen zu was genötigt hatte. Oliver Jarasch vom RBB – auch seine beleidigenden Parolen würden später Lügen gestraft werden – brachte es auf den hasserfüllten Punkt: „In Geiselhaft der Hausbesetzer“.

Eine aber geriet tatsächlich in eine Art Geiselhaft: eine „Journalistin“ aus dem Hause Springer. Abgerichtet für Hassreportagen, nahm sie sich selbst zur Geisel – als Geisel reißerischer Journaille; mit einigem Vergnügen zischte sie noch während ihres frei gewählten Kirchenasyls: „Ihr glaubt gar nicht, wie gern wir das machen!“ Doch das wusste man ja längst. Zuvor waren alle Versuche, sie von den auf den Kirchenbänken erschöpft niedergesunkenen und schlafenden Menschen, denen sie mit ihrer Handykamera nachstellte, fernzuhalten und sie aus der Kirche zu geleiten, fehlgeschlagen. Über den gesamten Tag hinweg musste sie persönlich begleitet werden, da sie sich standhaft weigerte, ihre schmutzige Reportage abzubrechen.

Springer-Journaille... St. Marien Liebfrauen, Wrangelstraße

Die etwa 70 Unterstützer, unter ihnen auffallend viele nicht-heterosexuelle Menschen, fanden sich schließlich im Kirchhof ein und warteten dort auf ein göttliches oder wie auch immer geartetes Zeichen. Viele Stunden lang stand man umher und diskutierte, verhandelte, organisierte Verpflegung. Auch der Senat schickte „Unterstützung“: eine Hand voll Zivilpolizisten auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in einem silbernen VW-Bus mit getönten Fensterscheiben. Der Staatsschutz ermittelt. Na vielen Dank. „Wie im Bürgerkrieg“, meinte einer neben mir, in jedem Fall war alles bestens überwacht. Nur Hilfe kam keine.

Bei anbrechender Dunkelheit jedenfalls sprangen dann die Unterstützer selbst in die Bresche, nicht zum ersten Mal, und gewährten den Familien Unterschlupf. Tags darauf, in der beinah gleichgeschalteten Presse, wurde indes steif und fest behauptet, die Unterstützer aus der autonomen linken Szene hätten sich der Roma-Familien schließlich entledigt und anderen das Problem – aus Jux und Dollerei natürlich – zugeschoben. Die Wahrheit interessierte dort bis zum heutigen Tage niemanden. Und die Unterstützer selbst? Sie schwiegen, halfen weiter im Stillen, tage-, wochenlang. Das dürfen die braven Bürger der Stadt Berlin freilich nicht erfahren, schon damit sich ihr Bild vom „bösen Autonomen“ nicht zum Guten wendet. Doch auch Bürgerin Sweet Mausi, so nannte sie sich, half im Stillen: Sie brachte – wie auch andere mitfühlende Mitbürger – eine Tüte voller Babynahrung und Hygieneartikel in die offene Etage des NewYorck im Bethanien. So sprang am Ende eines anstrengenden, frustrierenden Tages noch einmal ein menschlicher Funke über im von sozialer Kälte und Vorurteilen zerrütteten Gefüge. Und wenn die Unterstützer nicht am Kummer über die Verhältnisse in unserer Stadt zerbrochen sind, dann kümmern sie sich auch heute noch – tiefgreifend desillusioniert, aber immer von vollem Herzen.

Ostprinzessin

Wo sollen wir leben – uns will doch niemand

Ein subjektiver Bericht über Terror, „Touristen“ und die Ignoranz der Macht – mit objektiven Tatsachen und einem Bezirksbürgermeister, der sich von seiner schlechtesten Seite zeigt.

Roma leben im Terror. Das ist nichts Neues. Vor etwas mehr als 60 Jahren beschlossen die Mächtigen in diesem Staat die Vernichtung der Sinti und Roma. Und sie kamen ihrem Ziel gefährlich nah: Hunderttausende wurden gemordet. Weiten Teilen der Bevölkerung schien das nicht ganz unrecht zu sein, denn Viele verbanden mit den „Zigeunern“ vor Allem Schmutz und Kriminalität. So ist es geblieben.

Einer unsäglichen, Jahrhunderte alten „Tradition“ folgend müssen Sinti und Roma auch heute überall in Europa mit Repressionen rechnen; diese sind ihr täglich Brot. Viele leben weit unter den Armutsgrenzen, ohne Schulbildung und ohne Rechte. In manchen Ländern Mittel- und Osteuropas werden ihre Häuser niedergebrannt, Mordkommandos machen Jagd auf sie. Aber auch in deutschen Landen lebt es sich durchaus gefährlich, wie die Übergriffe auf Heime belegen. Lebensfeindlich gebärt sich ihre Umwelt allemal, denn Rassismen sind hierzulande so verbreitet wie Bausparverträge. Roma bilden das unterste Glied einer Kette von Missliebigen und genau dies macht ihr besonderes Leid aus. Die schlimmen Erfahrungen führen auch dazu, dass sie sich ein Stück weit von der Mehrheitsgesellschaft abkapseln müssen. Viele lesbische und schwule Menschen beispielsweise kennen dieses Phänomen aus eigener Erfahrung.

Dunkel leuchtende Vorahnung

Es ist eine weit verbreitete Vorstellung, Roma würden überwiegend nomadisch leben. Tatsächlich ist es umgekehrt: Die meisten wohnen schon seit Generationen an einem festen Ort. Offenbar in dunkler Vorahnung hatte ich in die aktuelle Ausgabe der *schnuppe einen Abriss über die Verhältnisse in einer der ältesten Roma-Viertel der Welt aufgenommen:

Başka Bir Sulukule Mümkün!

Das Stadtviertel Sulukule in Istanbul gilt als das älteste Roma-Viertel der Welt. Roma leben hier seit mehr als tausend Jahren.

Vor ein paar Jahren hat die Regierung den Abriss beschlossen. Die Arbeiten haben begonnen. Geschaffen werden soll eine „Museumsstadt“ mit historisierenden Neubauten osmanischen Stils.

So wie in anderen Verherrlichungsinteressen und Profitdruck unterworfenen Städten, gibt es auch in Istanbul einen verzweifelt geführten Kampf gegen ungerechte Stadtumstrukturierung, Spekulation und Verdrängung. Allein in Sulukule sind etwa 3.500 Menschen von Umsiedlungsplänen direkt betroffen. Für nicht wenige von ihnen bedeutet die damit einhergehende soziale und kulturelle Entwurzelung eine schwer tragbare Belastung.

Dem hatte ich ein Zitat beigefügt, welches das grundsätzliche Dilemma der Roma in einfachsten Worten beschreibt: „Wo sollen wir leben? Uns will doch niemand.“ Und auch Kreuzberg bildet da keine Ausnahme. Denn Ausnahmen werden nicht geduldet. Befürchtet wird ein politischer Dammbruch. Ist erst einmal ein Präzedenzfall geschaffen, könnten die Probleme für die an repressive Gesetzgebungen gebundenen Verwaltungsapparate ins Unverwaltbare wachsen.

„Wir haben geprüft“

Eben diese Apparate fanden sich am gestrigen Nachmittag zusammen mit dem grünen Bezirksbürgermeister Schulz, einigen Roma und Angehörigen der von der Politik so gefürchteten Hausbesetzer-Szene im Rathaus Kreuzberg ein. Der BVV-Saal sei belegt, hieß es zunächst – nein, war er nicht. Der erste Versuch, das Ganze klein zu halten, war schon mal gescheitert. Immerhin 70 Personen nahmen am eckigen Runden Tisch Platz, die Mächtigen wie selbstverständlich auf höheren Plätzen. Grüner und parteilinker Zeitgeist im Jahre 2009 eben. Im Publikum fanden sich neben verschiedenen Presseleuten auch viele Angehörige des Wagenplatzes Schwarzer Kanal. Aber auch auf dem Podium lesbelte es: Motorradliebhaberin Katina Schubert war von Sozialsenatorin Knake-Werner entsandt worden und betonte, dass sie sich über den gegenwärtigen Rassismus durchaus bewusst sei, aber leider kein gutes Angebot machen könne. In dieser Art zelebrierten alle Verwaltungseinheiten ihre selbstgewählte Ohnmacht. Wir haben das und das geprüft und sind zu dem und dem Schluss gekommen, nämlich dass Sie hierauf und darauf keinen Anspruch haben.

Denn die Roma seien ja als Touristen hier. Das hatten Franz Schulz und andere Politschranzen bereits im Vorfeld betont. Und sie wurden auch am Eckigen Tisch dieser zynischen Sprachregelung nicht überdrüssig. Die erste Wahl aller Verwaltungseinheiten stellt das Ausreiselager Motardstraße in Spandau dar. Hier sei es schön kuschelig – wie auch die RBB-Abendschau eiligst in einem Beitrag „belegte“ – und außerdem sei man der großherzigen Geste, die „Rückführung nach Rumänien“ zu bezahlen, nicht abgeneigt.

Diesem Vorschlag wurde seitens der Roma und ihrer von Moderator und Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (LINKE) als „Fürsprecher“ verniedlichten Begleitpersonen vehement widersprochen. „Dort leben ist wie im Knast“, übersetzte die ansonsten wenig geliebte Gemeindeübersetzerin den Einwand der Roma aus dem Rumänischen. Bethanien hingegen konnte mit Romanes-Übersetzer prahlen. Die bessere Organisation, auch in dieser Hinsicht. Nach einigen ausufernden Eiertänzen mit der Politik gab es dann die Vereinbarung, Wohnungen und Heimplätze für die Roma-Familien zu finden. Für wie lange, das mochte niemand sagen. Und es interessierte die Politniks auch gar nicht. Franz Schulz beispielsweise ritt lieber unentwegt darauf herum, dass es im Bethanien eine „illegale Besetzung“ der Räume im Erdgeschoss des Südflügels gibt. Dort wurden die Roma nach Tagen kaum ertragbarer Enge in den Projektetagen darüber im Zuge eines selbstbestimmten Aktes untergebracht. Und Holzfällerhemd-Liebhaberin Monika Herrmann – ihres Zeichens Familienstadträtin – sprang erst in der Endrunde auf, lüftete ihren Platz auf der Regierungsbank und stellte klar: „Ich als Jugendstadträtin sage mal: Es drängt. Besonders für die Kinder.“ Sie habe bereits im Görlitzer Park deaskalierend eingegriffen, indem sie das Jugendamt nicht hätte einschreiten lassen und außerdem habe sie ja die Unterbringung im Bethanien akzeptiert.

Stellvertretertränen

Das Engagement der NewYorck im Bethanien zu würdigen, das fiel allen Politniks schwer. Lediglich einer der amtlichen Verwaltungsmenschen sprach davon, dass er es gern gesehen habe, dass die Roma im Bethanien aufgenommen worden seien. Glücklicherweise fand der Sprecher der Roma ein paar angemessene Worte und äußerte den „herzlichen Dank“ der betroffenen Roma: In Deutschland gäbe es viele Menschen mit großem Herz. Spontan bekam ich feuchte Augen, Tränen der Rührung. Obwohl ich doch gar nichts gemacht hatte, diesmal. Stellvertretertränen also.

In Schulz-typischer Arroganz verkündete selbiger seine Sicht der Dinge bereits vorab im Tagesspiegel: Es handle sich bei den Roma nicht um Flüchtlinge oder Asylbewerber, sondern „um Touristen, die ohne Dach über dem Kopf campieren.“ Dass der Projektezusammenhang NewYorck den Familien Unterkunft gewähre, nannte er – mit fuchsigem Unterton – „eine generöse Geste“. Allerdings sei das Ganze nun ein „privates Problem“ der Gastgeber. Wir erinnern uns: Roma sind das letzte Glied der Kette. Rechte haben sie oft nur dann, wenn sich Andere für diese einsetzen. So wäre es auch nie zu einem Runden Tisch gekommen, wenn die NewYorck nicht beherzt eingegriffen hätte. Aber davon will man in der etablierten Politszene lieber nichts wissen und deshalb wurde ein ums andere Mal herumgesabbert, man wolle direkt und ohne Mittler mit den Roma ins Gespräch kommen. Ja dann wäre wohl Einiges etwas anders gelaufen.

Wer etwa ein beherztes Lösungsangebot seitens der Politik erwartet hatte, hätte sich schlecht beraten. Sehr schlecht, denn Franz Schulz hat einfach Recht: Roma sind selbstverständlich als Touristen hier. Wohnen kostenfrei, gehen tagsüber auf Sightseeing-Tour und Papa Roma bringt der 7-köpfigen Familie abends Souvenirs mit – kleine Brandenburger Tore, Reichstage und Wimpel zum 60-jährigen Bestehen des Reichs. Das kulturelle Abendprogramm besteht aus Versteckspielen mit der Polizei; Verachtung und Beschimpfung gibt’s gratis dazu, an jeder Ecke. Ach wie herrlich ist das Touristenleben!

Ostprinzessin