Für die neue Spielstätte des Jungen Theaters, die „Stauerei“ in der Überseestadt Bremen, hat Cora Frost zusammen mit Nordlicht Nomena Struß ein neues Stück konzipiert: Weihnachten auf hoher See. Es ist etwas neues, was sie uns dort zeigt, und zugleich liest sich glücklicherweise ihre Handschrift bestens heraus.
Dass bei Frost die emanzipativen Anliegen auf der Bühne oft ins Gegenteil gewendet vorkommen, das hat Methode. Emanzipativ deshalb, weil Frost die Menschen am Rand, die Unsichtbaren wie die nur allzu Sichtbaren, nicht nur respektiert, sondern sie auf die Bühne hievt, sie durch ihren Glücksverstärker jagt und wundervolle Wesen ins Licht stellt.
Ins Gegenteil gewendet deshalb, weil sie, die Frauen- wie Männer-Liebhaberin, gern auch mal als eine Mischung aus Meerjungfrau und Prostituierter auftritt, die mit rustikal kerligem Benimm daherkommt und ebenso gern zwischen Goldkehlchen und Jahrmarktschreierin schwankt. Ins Gegenteil gewendet auch dann, wenn sie diesem Stück nun aus dramaturgischen Gründen eine weibliche Striptease-Szene verpasst, die – hetero-männlichen Erwartungen zum Trotze – auch deshalb zu einer absurden Persiflage wird, weil Frau ohne Nackheit auskommt und Mann hier als schlicht strukturierter Eisbär vorkommt.
Oder wenn sie bei sog. „Familientreffen“ einen alten Freund, einen Schauspieler des Obdachlosentheaters Ratten 07, im Glitzerkleid vor das Publikum treten lässt, auch dann offenbart sich der Charakter der Frost. Ob Frost allumfänglich um ihr gesamt-emanzipatives Sein und Schaffen weiß, das könnte höchstens sie selbst beantworten….
Jedenfalls ist dies ein höchst politischer Moment in ihrem Werk. Beinahe möchte man ihr sogar blind vertrauen, dass sie sich von den sozial blinden Umarmungspolitikern, Klaus Wowereit zum Beispiel oder den Neo-Grünen unserer Zeit, fernzuhalten weiß.
Überhaupt scheint Frost einen Kompass bei sich zu tragen, der ihr immerzu anzeigt, welche Tabus tatsächlich und welche absichtlich nicht zu brechen sind. Der Dekonstruktion unserer entfremdeten, desensibilisierten Welt weiß sie dann nämlich eine wärmende Parallelwelt nachzusetzen, in der wir alle wie selbstverständlich gleichviel wert sind.
Frost betört in diesem Stück nicht zuletzt mit ihrer atemberaubenden Stimme, aber auch mit einer Baby-Imitation, einen hysterischen Anfall, ihre sagenhaft lapidar-komische Mimik und ihre Kunst, sich nicht in verkünstelten Phrasen zu ergehen, sondern emotionale Momente zu erschaffen, die bei aller frosteigener Frostigkeit dennoch den Weg zu Monsterherzen finden.