Dance! Copy! Right?

Ein präzis choreografiertes dokumentar-satirisches Tanz- und Singschauspiel zum Thema Urheberrecht, mit einigem Mut zu Absurdität und Groteske; dennoch: ein unzureichendes Thema, unzureichend beforscht. Gleichwohl: Die Darsteller höchstzufrieden, das zahlreiche Publikum in vergnüglichem Begeisterungssturm.

Philosophischer Glanz des Abends:
„Das Wunder des Denkens ist es eben gerade, dass es sich von selbst ereignet, das heißt, es ist ohne Ich.“

„Ab wann ist eine Bewegung wirklich meine und ab wann wird diese Bewegung Kunst? Das Gesetz schützt nur die Schrittkombination aber was ist mit dem Kontext oder wenn keiner tanzt? Was wäre denn der kleinste Baustein einer Schrittkombination? Ist eine einzelne Bewegung vergleichbar mit einer Note? Kann es im Tanz eigentlich eine echte Kopie geben? Wie unterscheidet sich ein und dieselbe Bewegung wenn sie vo verschiedenen TänzerInnen ausgeführt wird? Und was hat die Musik, was wir nicht haben?

Das Stück „Dance! Copy! Right?“ basiert auf einem konkreten Urheberrechtstreit am Landgericht Nürnberg/Fürth zu dem Christoph Winkler als Sachverständiger geladen war. Ausgehend von dieser Gerichtsverhandlung werden grundsätzliche Probleme und Fragen des Urheberrechts und des geistigen Eigentums behandelt.“

Im Theaterdiscounter, Klosterstr. 44, Berlin Mitte.

Das letzte Lied

Wahrhaft vortreffliche Umsetzung von Jeff Zach, berührend melancholisch, punktgenau, verwandlungsstark! Im Theaterdiscounter, Klosterstr. 44, Berlin Mitte.

„Manchmal, wenn wir Glück haben, blühen kurz vor dem Tod von Menschen ihre Lebensgeister noch einmal auf, oft um ein altes Geheimnis zu lüften oder eine verloren geglaubte Geschichte zu erzählen.

Zwei solche unvergesslichen Erlebnisse hatte der Schauspieler Jeff Zach als Zuschauer. Erlebnisse, die ihn nicht mehr losgelassen haben, die vor allem in ihrer Verknüpfung etwas fast Mythologisches bekommen. Das eine Mal trug sich vor fast dreißig Jahren in einem Gefängnis in den USA zu, wo ein Mörder am Abend vor seiner Hinrichtung ein bizarres Abschiedskonzert gab; das andere Mal vor drei Jahren, als in einem Altenheim für Künstler in Österreich ein über neunzig Jahre alter Begräbnisviolinist eine unglaubliche Beichte ablegte.

Jeff Zach wird diese beiden Erlebnisse vor Publikum wiederbeleben. (…) Unbeirrbar im Sammeln ungeheuerlicher Chroniken von obskuren Grenzgängern und Randexistenzen mitten unter uns, präsentieren Meyer&Kowski ein Diptychon in zwei Figuren, zwei Variationen über die Frage: was bleibt, wenn ich gehe?“

Problematisch: Return of the Problem

„Immer diese Probleme… Return of the Problem ist eine Performance, die das Making-Of eines Films zeigt. Gleichzeitig ist sie das Making-Of eines Films über einen Film. Sozusagen Film im Film im Theater.

Alte und neue Mitstreiter des berühmt-berüchtigten norwegischen Kollektivs Baktruppen verwandeln dafür den Theaterdiscounter in ein Filmstudio.  Live on-stage werden die Zuschauer Zeuge von zwei zeitgleichen Dreharbeiten: Eine filmische Dokumentation begleitet die Entstehung von Szenen des experimentellen Low-Budget-Films The Problem. Immer weiter verschachteln sich verschiedene Ebenen von Fiktion und medialer Vermittlung – und das hat Konsequenzen für die Beziehungen zwischen den Protagonisten, den zwei Filmteams und aller Akteure mit dem Publikum. Denn letztlich sind wir alle ja Teil des Sets für The Problem, müssen uns mit ihm auseinandersetzen und es schließlich irgendwie zu Ende bringen.

Return of the Problem versucht im Theater den Bereich des Fiktiven wieder zu betreten ohne das Publikum auszublenden. Es geht darum eine interessante Situation zu erzeugen, in der das Publikum ganz selbstverständlich Teil ist – in diesem Fall als Statisten des realen Filmdrehs. Return Of The Problem handelt von der Fiktionalisierung des zeitgenössischen Lebens und wie das die Beziehungen verändert zwischen Menschen – hier repräsentiert von 7 Norwegern, die sich wie ein Filmteam zu verhalten versuchen und von einem Publikum, das sich wie ein Publikum verhält, oder wie Statisten.

Von und mit Trine Falch, Mona Solhaug, Bo Krister Wallström, Per Henrik Svalastog, Gisle Frøysland, Anders Eiebakke, Marit Anna Evanger, Christopher Hewitt und Joy Harder.“

Kurz: Eine anspruchsvolle Schauspielperformance im Theaterdiscounter, von interessanten Charakteren charmant umgesetzt – teilweise –, größtenteils jedoch enervierend. Schade.

Suche nach Intervention

Entlarvende Künstler-Satire „Karte und Gebiet“ – Gastspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses im DT

Inszenierungen von Falk Richter beizuwohnen, ist in aller Regel ein Vergnügen. Die letzten Stücke des Schaubühne-Regisseurs widmeten sich allesamt der Suche nach Intervention in sich wandelnden Verhältnissen und dürfen dabei selbst als Intervention gelten. In seinen Arbeiten trifft die Verhandlung schwer zu bewältigender Wandlungen im persönlichen Umfeld des Autors auf gesellschaftliche Schicksalsfragen. Die politischen und moralischen Fragestellungen, die er dabei aufwirft, verstecken sich aber nicht hinter ihren Metaphern, sondern tragen sich in  kaum missverständlichen Illustrationen ans Publikum heran.

Während Volksbühne-Hofregisseur René Pollesch im gelingenden Teil seiner Stücke – intellektuell, sprachlich und lyrisch brillant – gesellschaftliche Verwerfungen und Konflikte postsarkistisch wahnvoll aufschichtet und mit grandioser Selbstverliebtheit abarbeitet, kristallisiert sich in Richters Arbeiten eine Art trockener, melancholischer Lyrik, die sich fast ausschließlich an prosaischen Ergüssen nährt. War Falk Richter mit TRUST noch aufrührerisch gesonnen und kollektivierte die Wut eines in unhaltbar kapitalistischen Zuständen erwachenden Regisseurs, so zeichnete das deutlich schwächere, darauffolgende PROTECT ME vor allem den schwermütigen Übergang zu Ohnmacht, Trauer und Depression nach.

Mit „Karte und Gebiet“ steuert Richter nun in Richtung gewollter Isolation und widmet sich dem Angebot nicht uninteressanter melancholischer Perspektiven. Auch der ins Ende geflochtene Slapstick-Reigen unterstreicht die tragikomische Adresse der Unausweichlichkeit jener offenkundigen Not. Während sich der Inszenator also an berechtigtem Jammer und kläglicher Verzagtheit labt, dürfte die spöttische, über das gesamte Stück gespannte Erläuterung selbstreferenziellen künstlerischen Schaffens so manchen geneigten Zuschauer schmerzvoll enttarnt haben. Dafür Hut ab! Glücklicherweise wird er im Schlusswort „Die Vegetation trägt den endgültigen Sieg davon“ keinen Trost finden.

Nach dem Roman von Michel Houellebecq / Aus dem Französischen von Uli Wittmann / Für die Bühne bearbeitet von Falk Richter

Houellebecqs jüngster Roman handelt von der Bildenden Kunst und ihren Marktmechanismen, von Tod und Euthanasie, defekten Heizungen, Steve Jobs, von der französischen Provinz und ihrer Wiederentdeckung. Falk Richter macht daraus eine handfeste Künstler-Satire, in der Jed Martin als Künstler aufsteigt und den „berühmten Schriftsteller“ Michel Houellebecq um das Vorwort zu einem Katalog bittet. Diese Zusammenarbeit kostet den Autor glatt das Leben: Ein bestialischer Mörder zerstückelt ihn und drapiert die Leichenteile in Pollock’scher Manier…

Falk Richter, geboren 1969, international bekannter Autor (u.a. ‚Gott ist ein DJ‘, ‚Electronic City‘, ‚Unter Eis‘), Hausregisseur an der Berliner Schaubühne, hat mit seiner Bühnenadaption keine bloße Nacherzählung, sondern eine eigenständige und dank der bildkräftigen Videokunst von Chris Kondek sinnlich fassbare Interpretation von Houellebecqs ironischer Welt-Analyse geschaffen.

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Handwerk Humor

Dullin live # 6 Handwerk Humor, im Theaterdiscounter. Von und mit Johannes Dullin.

Handgemachte Hinweise und seiltänzerische Grenzerfahrungen, pendelnd zwischen individueller Befreiung absurder Realitäten und performativer Hilflosigkeit – mal unterhaltsam, mal beschämend, gepeitscht von unbändigem Spieltrieb.

Pragmatismusinfekt

DULLIN LIVE: „Die Genauigkeit eines Tüftlers“.

Mitmachunterhaltungstheater für alle, die auf fantasievolle Weise intellektueller Welten zu fliehen bereit sind und weder ein Aufatmen noch eine Pragmatismusinfektion scheuen. Von und mit Johannes Dullin.

Noch bevorstehend:

„Der Größenwahn aus der Vogelperspektive“ 28.05.
„Der Knecht mit dem pochenden Docht“ 04.06.
„Ohne den Hut wäre der Kopf ein abstraktes Gebild“ 11.06.
„Handwerk Humor“ 18.06.
„Schellen der Einsamkeit“ 25.06.

Im Theaterdiscounter, Klosterstraße 44, Berlin-Mitte.

Woyzeck in Unverständlich

Äußerst sympathische, glaubwürdige Besetzung, ausdrucksstark und eigen, jedoch nicht immer ganz verstehbar. Im Theaterdiscounter.

Ein Stück von Sebastian Blasius.

WOYZECK ÜBERSCHREIBEN ist der 3. Teil einer Recherche, die sich mit den Möglichkeiten auseinandersetzt, historisches Inszenierungsmaterial zu erinnern, fortzuschreiben und zu übermalen, um gerade dadurch den Raum für eine aktuelle Auseinandersetzung zu öffnen.

Georg Büchners „Woyzeck“ scheint sich für diese Recherche perfekt zu eignen: ein Text, der aufgrund seines fragmentarischen Charakters dazu einlädt, Bruchstellen zu beleuchten, alternative Zugriffe auszuprobieren und ihn damit gerade nicht als ’soziales Rührstück’ zu lesen.

Vier TänzerInnen setzen sich mit den Bewegungen und Sprechweisen von SchauspielerInnen in ihren Verkörperungen des „Woyzeck“-Personals unterschiedlicher früherer Inszenierungen auseinander und entwickeln daraus eine Choreografie. Als was können die historischen Gesten eines Schauspielers nun lesbar werden, wenn ein Tänzer sie rekonstruiert, re-enactet, nachschreibt in dem Bewusstsein, dass es sich um das Material Abwesender handelt? Welche Körper, welche Präsenzen, welche Zeitlichkeiten bringt diese Konfrontation hervor?

Im selben Zuge soll danach gefragt werden, wie sich die Performer in die verschiedenen fiktionalen Bewegungssprachen hineinbegeben und sich parallel dazu als zeitgenössische Subjekte behaupten können.

Entlang vorhandener bekannter Inszenierungen sollen theatrale Konventionen und Sehgewohnheiten befragt werden. Vielleicht kann dem Büchner-Text dadurch etwas zurückgeben werden, das immer wieder unberücksichtigt blieb.

Zusammen mit seinem Team begibt sich Regisseur Sebastian Blasius auf die Reise zu den Bruchzonen des Woyzeck-Materials und versucht eine neue Perspektive auf den ‘vielfach vom Theater geschundenen Text’ (Heiner Müller) zu formulieren.

Männlich-pubertäre Theaterkunst

„Solaris“, ein Stück ohne wirkliches Thema, unfreiwillig komisch, von der in München ansässigen Theatergruppe collisions. Im Theaterdiscounter.

Kammerspiel nach Stanislaw Lem

“Der erste Bühnen-Coup von ´collisions´. So puristisch und kraftstrotzend wie hier hat man Lems vielschichtigen Roman noch nicht erlebt. Mission erfüllt.” Süddeutsche Zeitung

Der Psychologe Kelvin, fachlich top – menschlich flopp, reist nach dem Selbstmord seiner Frau zur Raumstation „Prometheus“. Bei seiner Ankunft bemerkt Kelvin, dass auf der Station nichts seinen gewohnten Gang geht. Und noch bevor er der Ursache für das befremdliche Verhalten seiner Kollegen auf den Grund gehen kann, taucht in seiner ersten Nacht vor Ort plötzlich die verstorbene Lebensgefährtin auf… Die freiwillige Abgeschiedenheit im Kosmos und das kerkerähnliche Leben an Bord sind nur allzu offensichtliche Bebilderungen von Kelvins Selbstbestrafung und Weltflucht. Worin aber besteht seine Schuld?

Solaris ist ein Gedankenexperiment. Stanislaw Lem, Erfinder und Leiter dieser Versuchsanordnung, reduziert mit dem außerirdischen Schauplatz das Umfeld seiner Figuren auf ein äußerst übersichtliches Maß, und behauptet in diese Reduktion hinein das Wunder der zweiten Chance im Leben. Ein Wunder, das sich als das religiöse Motiv des Fegefeuers entfaltet: Der Planet Solaris liest die schmerzlichsten Erinnerungen von Menschen aus deren Gewissen und konfrontiert sie erneut mit den Hauptpersonen vergangener traumatischer Erlebnisse. Er fungiert dabei als nahezu perfekte interaktive Nachbildungsmaschine, als erfülltes Phantasma der Übertragung des Lebens ins Mediale.

Die zukunftszugewandten Forscher, Lems Modelle des modernen Menschen, werden statt die Menschheitsrettung voranzutreiben in ein Simulakrum und auf das Scheitern ihrer privaten Lebensentwürfe zurückgeworfen. Lem wirft damit Fragen über die Abgesichertheit von „Realität“, „Wahrheit“ und „Schuld“ auf. Die neu gegründete Theaterkompanie collisions mit Basis in München legt in ihrer Arbeit einen Fokus auf Kommunikationsprobleme. Fehlleistungen. Realitätsbrüche. Gefangen in einer prometheischen Wiederholungsschleife treiben sie die Figuren Lems durch die Hinterhöfe der Seele.

Mit Sven Hussock / Jaron Löwenberg / Sophie Lutz / Atef Vogel Regie Alexander Nerlich Musik Thom Luz Raum/Video Meike Ebert / Alexander Nerlich Dramaturgie/ Romanbearbeitung Anne Schäfer Koproduktion mit PATHOS München Gefördert durch Kulturreferat der Landeshauptstadt München

www.theater-collisions.com