Das letzte Lied

Wahrhaft vortreffliche Umsetzung von Jeff Zach, berührend melancholisch, punktgenau, verwandlungsstark! Im Theaterdiscounter, Klosterstr. 44, Berlin Mitte.

„Manchmal, wenn wir Glück haben, blühen kurz vor dem Tod von Menschen ihre Lebensgeister noch einmal auf, oft um ein altes Geheimnis zu lüften oder eine verloren geglaubte Geschichte zu erzählen.

Zwei solche unvergesslichen Erlebnisse hatte der Schauspieler Jeff Zach als Zuschauer. Erlebnisse, die ihn nicht mehr losgelassen haben, die vor allem in ihrer Verknüpfung etwas fast Mythologisches bekommen. Das eine Mal trug sich vor fast dreißig Jahren in einem Gefängnis in den USA zu, wo ein Mörder am Abend vor seiner Hinrichtung ein bizarres Abschiedskonzert gab; das andere Mal vor drei Jahren, als in einem Altenheim für Künstler in Österreich ein über neunzig Jahre alter Begräbnisviolinist eine unglaubliche Beichte ablegte.

Jeff Zach wird diese beiden Erlebnisse vor Publikum wiederbeleben. (…) Unbeirrbar im Sammeln ungeheuerlicher Chroniken von obskuren Grenzgängern und Randexistenzen mitten unter uns, präsentieren Meyer&Kowski ein Diptychon in zwei Figuren, zwei Variationen über die Frage: was bleibt, wenn ich gehe?“

Queer Film Festival Oldenburg

Ganz besonders gefreut habe ich mich, dass es meiner Wenigkeit gelungen ist, gegen anfängliche Widerstände und gehörige Skepsis seitens einiger Organisatoren Dicke Mädchen von Axel Ranisch ins Festivalprogramm zu hieven, auch wenn dieses reichlich wunderbare Machwerk  im Programmheft fälschlich als „Antifilm“ bezeichnet wird und der Rezensent glaubte, zusätzlich dazu darauf verweisen zu müssen, dass darin keine „Sahneschnitten“ zu sehen seien – ach, Mann! C’est la vie.

Nachtrag, 30.12.2012: Der Rezensent stellt klar, dass er mit seinem Hinweis keinerlei Bedauern über das Fehlen von „Sahneschnitten“ zum Ausdruck bringen wollte. Weshalb er keinen der Darsteller für eine Sahneschnitte hält, bleibt jedoch weiterhin ungeklärt. .-)

Danke für dein sonderbares Hirn

„Ingrid Caven singt“ im Berliner Ensemble und das – so viel vorweg – klingt.

Im ersten Teil experimentierte die Schmidt dreimal sieben Gedichte lang mit Arnold Schönbergs Pierrot Lunaire Op. 21, was im nicht ganz ausverkauften Haus nur wenige bekennende Anhänger fand. Wer die darauffolgende Pause und Gisela Mays (88) hochtönende Imitation der Cavenschen Interpretation, die May vor der Türe zum Besten gab, überdauerte, wurde im zweiten Teil dann Zeuge eines kalkulierten Wechselspiels, in welchem sich Ingrid Caven nicht nur weiterhin allerbester Laune zeigte, sondern sogar in der gnädigen Güte, ihrem Publikum am ach so schönen Einheitsfeiertag doch noch einige ihm gefallen wollende Gesänge zu bescheren.

Große Teile des Auditoriums erinnerten sich daraufhin an die gutsinnende Aufgabe, Beifall zu spenden, unter ihnen eine begeisterte  Zazie de Paris, ein gespannter Sven Ratzke, eine naturgemäß niemals abgeneigte Miss Danger sowie die im Reich adretter Grazien mindestens weltberühmten Schönheitsexperten René Koch und Frank Wilde. Allein die ganz allein erschienene Gitte Hænning zeigte sich weniger ge- als entspannt und hielt derweil via iPhone Kontakt zur Außenwelt. Doch wir wissen: Nicht nur für die May gilt mehr denn je, was Gitte in „Ich will alles“ seit nun 30 Jahren proklamiert: „Ich will kein Zuschauer sein, ich möchte selber was tun.“

Indes als kaum weniger denn großartig zu bezeichnen: Die Gesamtperformance der Caven – Stimmenspiel, Ironie und der zunehmend süß-mädchenhafte Habitus der zarten 74-Jährigen, in musikalischer Begleitung des Pianoroutiniers Jay Gottlieb. Zwar hatte mancheiner bereits während des ersten Teils „einfach gehen“ wollen, fühlte sich „wirklich attackiert von dieser Art und Weise der Darbietung“ sowie der Tatsache, dass es sich beileibe nicht um solch eine hielt, „die man so einfach schluckt, genießt oder vergißt“, da sie daherkam „wie eine Messerattacke, verstörend und gewalttätig“ – gleichwohl sollten wir uns nicht schwer damit tun, einzusehen, dass der Künstlerin schlechterdings das Kunststück gelang, alles zu geben, ohne sich zu wiederholen.

Und deshalb, Ingrid Caven, danke für dein sonderbares Hirn!

Sonderbaren Denkens programmatischer Beleg

Sieben Jahre Lehre

Schatz im Herzen, begraben im Mensch –

wer gräbt, wird darin Liebe haben,

wer trägt, wird für ihr Leben schlagen,

erwagen, was er scheute, es entheben

aller Schwärze Hatz der grauen Meute.

Problematisch: Return of the Problem

„Immer diese Probleme… Return of the Problem ist eine Performance, die das Making-Of eines Films zeigt. Gleichzeitig ist sie das Making-Of eines Films über einen Film. Sozusagen Film im Film im Theater.

Alte und neue Mitstreiter des berühmt-berüchtigten norwegischen Kollektivs Baktruppen verwandeln dafür den Theaterdiscounter in ein Filmstudio.  Live on-stage werden die Zuschauer Zeuge von zwei zeitgleichen Dreharbeiten: Eine filmische Dokumentation begleitet die Entstehung von Szenen des experimentellen Low-Budget-Films The Problem. Immer weiter verschachteln sich verschiedene Ebenen von Fiktion und medialer Vermittlung – und das hat Konsequenzen für die Beziehungen zwischen den Protagonisten, den zwei Filmteams und aller Akteure mit dem Publikum. Denn letztlich sind wir alle ja Teil des Sets für The Problem, müssen uns mit ihm auseinandersetzen und es schließlich irgendwie zu Ende bringen.

Return of the Problem versucht im Theater den Bereich des Fiktiven wieder zu betreten ohne das Publikum auszublenden. Es geht darum eine interessante Situation zu erzeugen, in der das Publikum ganz selbstverständlich Teil ist – in diesem Fall als Statisten des realen Filmdrehs. Return Of The Problem handelt von der Fiktionalisierung des zeitgenössischen Lebens und wie das die Beziehungen verändert zwischen Menschen – hier repräsentiert von 7 Norwegern, die sich wie ein Filmteam zu verhalten versuchen und von einem Publikum, das sich wie ein Publikum verhält, oder wie Statisten.

Von und mit Trine Falch, Mona Solhaug, Bo Krister Wallström, Per Henrik Svalastog, Gisle Frøysland, Anders Eiebakke, Marit Anna Evanger, Christopher Hewitt und Joy Harder.“

Kurz: Eine anspruchsvolle Schauspielperformance im Theaterdiscounter, von interessanten Charakteren charmant umgesetzt – teilweise –, größtenteils jedoch enervierend. Schade.

Heute, ja, und dennoch gestrig

„NEW KIDS ON THE BLOCK“ im Neu West Berlin, Chausseestr. 36,
Frisch aus der Kunstschulküche: Malerei, Drucke und Installationen.

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Man nehme
eine abgeranzte Werkhalle kurz vorm Abbruch,
ganz doll sehnsüchtige Künstler bzw. „Künstler“,
das olle Konzept ’ner mächtig tollen Clubgalerie,
ein unheimlich kreatives cross art branding
für die Referenzensammler-Antigammler
und bereitwillig gelangweiltes Publikum –
fertig ist die Kunstlaube.

Im verwestlichten Osten nichts Neues also. Schade, könnte man meinen. Nun denn: Schade. Ob wohl die Verantwortliche dieses bezeichnenden Artefakts davon ahnte?

Man weiß es nicht.

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NEW KIDS ON THE BLOCK: Angel, Ali Altin, Emmanuelle Castellan, Malte Fröhlich, Wanda Growe, Hodori, Bernhard Holaschke, Malte Kebbel, Johannes Kithil, Christian Korda, Jan Pleitner, Kanta Kimura, Markus Liehr, Sebastian Lis, Susi Mehl, Mij. K. Do, Giuletta Ockenfuss, Johannes Orthmayr, Aldo Pantaloni, Sunny Pudert, Josefine Reisch, Marcus Scheunemann, Janes Schmallenberg, Max Siebenhaar, Beau Stanton, Genaro Strobel, Maximilian Thiel, Stefanie Walk, Jakob Wakner, Wide Scope Experimental.