Heute: Schlechte Filme. Im Theaterdiscounter.
Leider nicht halb so gut wie die Auseinandersetzung schlechter Bücher.
Die andere Welt beginnt hier und sofort
Heute: Schlechte Filme. Im Theaterdiscounter.
Leider nicht halb so gut wie die Auseinandersetzung schlechter Bücher.
„Worst Case Szenarios“ heute: Schlechte Bücher. Herzhaft belustigende Belege schlimmsten Autorenverdrusses neben hanebüchenen Darlegungenen verhinderter Literaten; eine Odyssee durch Aufschläge und Abgründe enervierender Literatur. Im Theaterdiscounter.
Aus der Ankündigung:
Storm und Störmer haben ihre „Vorlesungen mit Fallbeispielen“ in der Schweiz zu Kultstatus geführt und ein Suchtpotenzial erzeugt. Kein Kunstfeld – vom schlechten Ratgeber bis zur schlechten Musik – blieb bisher unbesprochen. Gleich drei unterschiedliche Folgen exportieren sie nun erstmals nach Berlin, wobei die schlechten Filme jahreszeitengenau im Mittelpunkt stehen.
Ihre radikal subjektive Auswahl begründen die beiden Schauspieler so: „Uns allen begegnen im Laufe des Lebens schlechte Kunstwerke: Schreckliche Bücher, qualvolle Musik oder höllische Filme. Wir bewegen uns im spannenden Feld zwischen Ambition und Wirklichkeit, zwischen Kunst und Konsum, zwischen ambitionierten Künstlern und mündigem Rezipienten. Immer treu dem Motto: Das Gegenteil von Gut ist gut gemeint.“
Ein charmantes, wundersames Gebäude an der Pappelallee im Prenzlauer Berg, in welchem bis in diese Tage hinein der sich auch als „Bar im Fortschritt“ titulierende Klub der Republik residiert, wird abgerissen. An seiner statt entstehen Eigentumswohnungen à la absoluter Langeweile.
Das unter totalen Verwertungskriterien nicht optimal genutzte Areal wird damit nicht nur um eine der letzten mehr oder minder subkulturellen Institutionen im Prenzlauer Berg bereinigt, sondern vor allem auch um herausragende geschichtliche Zeugnisse, spannende Architektur und ein Stück Moderne, die man in weiten Teilen des Bezirks künftig leider überhaupt gar nicht mehr antreffen können wird.
Dass die zuständigen Stellen in Bezirk und Senat qua ihrer allmächtigen Inkompetenz die Bedeutung solcher Kleinode nicht zu erkennen vermögen, wissen wir seit etlichen Jahren. Allerdings kommen wir mittlerweile kaum umhin, neben der außerdem längst diagnostizierten Herzlosigkeit, der Korruption, Vetternwirtschaft und fataler Interessenspflege auch auf eine tragische Gehirnarmut schließen zu müssen. Denn die von Amts wegen bestellten Missetäter schneiden ins eigene Fleisch und dies wird Berlin zwangsläufig zu spüren bekommen.
Die mittel- und langfristigen Folgen der kurzfristigen Verwertungslogik erschüttern das Fundament der Stadt und bedeuten nicht weniger als einen Abgesang auf den Mythos Berlin. Der Verlust von kulturellen, historischen und architektonischen Alleinstellungsmerkmalen schadet der zukünftigen Entwicklung des Stadtkörpers ebenso wie sie ihm die Seele aus dem Leib reißt. Die selbstverantwortete Verantwortungslosigkeit, mit der wir konfrontiert werden, ist freilich durch nichts zu entschuldigen. Dass sich die Verantwortlichen in der Politik einer wachsenden Verachtung nicht allein ihrer Personen, sondern auch der sie verantwortenden Institutionen ausgesetzt sehen, ist ein hausgemachtes Problem.
Der kalte Abriss des Klub der Republik ist ein Armutszeugnis der Berliner Politik und ein Mahnmal der sogenannten Aufwertung. Mit dem sympathisch unaufdringlichen, in seiner Klar- und Schönheit überzeugenden Bauwerk, in welchem zu DDR-Zeiten der heute über eine erstaunlich ungesicherte Außentreppe zu erreichende Ballsaal der Produktionsgenossenschaft des Handwerks eingerichtet war, wird ein weiterer wichtiger Ort aus der Zukunft der Stadt getilgt. Good Bye, Future!
Ostprinzessin
Zeitenwende
Dort nur schauten wir, sähen,
hier nun stehen wir und bauen,
gehen nicht fort, auch wenn
wir niemals da sein können,
am Ort, der uns als Wir gebar
und alle Einzelhaft bezwang,
in durstigen Träumen. Denn
Appell allein im Widerklang
sein Wollen trägt zum Born.
Wir stimmen an, ermächtigt
aller Liebe Kraft und Zorn,
den Abgesang – wir gönnen –
und räumen jedem Ende
neuen Anfang ein.
Durchaus interessantes Thema, unterhaltsam verpackt, mit überzeugenden Choreografien und einigen guten Ansätzen, leider oftmals zu oberflächlich und voller Unschärfen, sowohl in analytischer als auch in humoresker Hinsicht.
Ein Stück von PENG! Palast. Gesehen im Theaterdiscounter.
the holycoaster s(hit) circus startet als gescheit gemeinter aber gescheiterter Dokumentarfilm über die Begegnung von Deutschen und Schweizer Schauspielern mit Israelischen Tänzern und – vor allem – über die Ansichten, die sie einander gegenüber hegen und pflegen. Der Film zeigt, wie die Beteiligten mit Toleranz und Gutmenschentum versuchen sich anzunähern. Unzensiert und politisch völlig unkorrekt sieht man die Deutschen und Schweizer, die versuchen ihr Unbehagen gegenüber Israel abzulegen und doch immer wieder in sehr unbehaglichen Situationen landen. Dem gegenüber freuen sich die Israelischen Künstler, endlich einmal mit Nachkommen „echter Nazis“ zusammenarbeiten zu können, da sie hoffen, dass dies der Garant zum Erfolg in Israel wird.
Nachdem der Film abbricht tut sich eine Manege auf, ein „Cirque des Fous“, in dem überkarrikierte Deutsche und Israelis unkorrekte Witze aneinander auslassen, sich prügeln und anschreien, Lieder erfinden und Slapstick tanzen. Über das Zeichenrepertoire des Zirkus stürzen sie von Nummer zu Nummer tiefer auf das zu, was sie nicht sagen und denken wollen. Nicht die Aufhebung sondern die Verstärkung des Unbehagens wird für Naziclown, Nibelungenheld und gewissensgeplagten Schauspieler zum Motor der Handlung und zur Belastungsprobe einer Freundschaft. Eine Zirkusmischung aus Borat, Eis am Stiel und falschem Verständnis für Probleme, die noch niemand zu lösen im Stande war. (PENG! Palast)
Was macht das für ’nen Sinn,
immer zu gefallen –
Nachschub ohne Ende
auf dem Egotrip.
Tauscht Computer gegen Fernseher,
eure iPhones für Bananen,
oder nehmt ’ne Kapsel Zyankali –
dann back ich Kuchen euch
und singe dieses Lied.
Ich dreh ’nen Clip davon,
stell ihn dann auf YouTube,
twittre es euch allen
und poste ins Profil.
Lauscht dem Halali der Jäger,
auf auf ins Paradies…
lasst den Dingen ihren Lauf
oder fahrt damit zur Hölle
und behaltet sie für euch!
Wer Shelly Phillips begegnet, wird kaum umhinkommen, das Attribut „süß“ zu gebrauchen, es wenigstens aber zu denken, gleichwohl die Frontfrau der Nachwuchsband Kein Frühstück auch das auf Standby geschaltete innere Raubtier nicht verhehlt. Bühnenluft macht Zaubern, und genau dies ist das Metier von Shelly Phillips – stets unter Strom und doch bedacht, beobachtend, verletzlich, ein nahbares Wesen. Gegen zuviel Nähe schützt eine stabile Fassade; Shelly weiß, wie man Posen einnimmt – welche davon sie selber zeigen, bleibt für den Betrachter unklar und vielleicht weiß auch sie selbst es nicht immer ganz genau.
Zwar spielte die Band bei ihrem Auftritt zur queeren 10:15 Tuesday Night by Ackerkeller etwas arg laut und damit um einiges zu dröhnend auf, verlor dadurch im Ausdruck an Tiefe und an Virtuosität, doch ein Fiasko kam für die selbstbewusste Shelly nicht in Frage, und so entertainte und motivierte sie das Publikum, sich und die Band so unnachgiebig, dass sich schließlich doch noch ein wertvoller Teil der eigentlichen Energie ihrer Performance zu entfalten vermochte. Unter den zahlreich erschienenen Gästen jedenfalls fanden sich sofort Neubegeisterte, welche denn auch gleich mit einer Shelly pur belohnt wurden, die einfach ihre gerade noch interpretierte Bühnenrolle gegen eine andere auswechselte und hernach mit von ihr in deutscher Sprache verfassten Liebesliedern aufwartete. Die Gitarre in der Hand, die Roheit des Raubtiers gegen aufrichtige Zärtlichkeit und fragilen Sanftmut getauscht, spürte dann am Ende auch der letzte, dass diese große kleine Person aus Oberfranken, die auf Initiative des befreundeten Künstlers M. A. D. und der Ostprinzessin zum ersten Berlin-Auftritt anreiste, es offenbar wirklich wissen will.
Bereits in der Berliner Silvesternacht hatten Shelly Phillips und Band nicht vom Zaubern lassen können und beim privaten Wohnungsfest in der Torstraße sich selbst wie auch dem gleichermaßen überraschten Publikum ein besonderes Erlebnis beschert. Was als einfacher Soundcheck begann, entsponn sich zum halbstündigen Auftritt vor wachsendem Publikum. Auch die für die Moderation der Silvesternacht angeheuerten, in Berlin weltberühmten Heroen legendärer Untergrundkultur, Gisela Sommer und Inge Borg, wippten im Takt und ließen sich die Show gern stehlen.
Von Shelly Phillips wird man noch hören. Möge sie ein glückliches Händchen haben, sich und uns die Tiefe gönnen, die ihr innewohnt, und immer einen passenden Zauberspruch parat haben!
Geleit
Wähl dann, nur der Liebe treu, mein Kind,
dein Schicksal: Greif nach dem Firn
des Heiligen – dräu Ratio mit Flügelschlag,
gebär deinen Stern im Schweif des Futur
und spann einen Schirm aus Himmelslicht
entliehener Zeit – flieg, Kindlein, flieg!
Für all jene, die heute vor Mauern aus Konfusion und Lüge stehen.
Bremen, 24.12.2011