Ein Stück Glück

Die Käpt'n Struß und ihre Crew Die Crew und die menschliche Robbe

Bericht an einen Freund

Heute war Premiere. Das Stück von Frost und Struß spielt auf Hoher See an Weihnachten. „Ich hasse Weihnachten ja sehr!“ Frost spielt eine Cornelia Druse, ein hässliches Entlein mit Engelsstimme, ist absurd hässlich verkleidet und kaum wiedererkennbar – und doch irgendwie ganz normal. In der Pause lädt sie Personen in Dreiergruppen ein, eine Nixe zu bestaunen. Aber Vorsicht! Es ist sehr gefährlich, von einer Nixe in den Bann gezogen zu werden! Das wäre der sichere Tod! Sie lässt also mich und zwei andere in einen winzigen Betonraum eintreten, geht selbst mit hinein und knallt die schwere Metalltür hinter uns zu. Ich stehe an einer Betonwand, in einer Ecke. Es ist dunkel. Wir sehen und horchen hinunter in ein Loch vor uns, aus dem eine Nixe zu singen beginnt. Frost warnt: „Nicht zu nah ran gehen!“

Ich stehe also direkt hinter und neben diesem Menschen – es ist so eng, dass sich alle Körper irgendwo berühren – der mich zu berühren vermag wie kaum ein anderer je, den ich so sehr verehre und bewundere. Ich stehe also mit diesem Menschen still in einem winzigen, dunklen Betonkabuff und wir alle tun so, als sänge da unten in dem Loch tatsächlich eine Nixe. Nichts weiter…

Dann plötzlich beendet sie lautstark die Prozedur, weil es sonst zu gefährlich würde…! Sie drängt und schubst mich hinaus und knallt die Tür zu. Dieser Mensch, die für mich Unberührbare, berührt uns also in mehr als einer Art und Weise. Alles war so schlicht und einfach und konstruiert, und doch so nah, so menschlich, so unbegreifbar menschlich, obwohl ich doch auch ein Mensch bin! So voller Poesie und Berührungen.

Am Ende ist der Applaus vom kleinen Publikum enorm – viel glücklicher als im Sommernachtstraum an der Schaubühne – und Frost strahlt über das ganze Gesicht. Voller Glück. Sie hat eine Glücksbegabung, hat mal jemand gesagt.

Und ich fühle auch wieder dieses Bremer Gefühl, dieses, wo den Leuten teilweise nicht viel anzumerken ist, wo immer unklar ist, welche Subtexte sie wahrzunehmen bereit und in der Lage sind, die sich ganz verhalten durch die Herausforderung des Aburd-Komischen, des Grotesken bewegen, und am Ende doch so einem Bedürfnis der Dankbarkeit Raum geben. Dann denke ich: Vielleicht sind sie nicht die Erfahrensten, nicht die, die sich mit Freaks auskennen, aber sie lassen sich von Gefühlen berühren, lassen die fremde Seele eine Zeit lang aufrichtig und gern an ihrem Wohnzimmertisch Platz nehmen.

Bei Frost kann ich loslassen, fröhlich sein und leicht, ohne meinen Verstand abgeben zu müssen; immer auch am Leid teilhaben, ja das Leid teilen, mit den Leidenden teilen. Dafür bewundere ich sie so sehr. Sie ist für mich so etwas wie eine Seele zur Ostprinzessin. Durch sie kann ich glauben, an mich und an andere Menschen, an das Gute, an das Leid.

Junges Theater, Stauerei, gegenüber der Energieleitzentrale Weihnachten auf hoher See Achtung, Achtung an Alle Cast, Crew und außergewöhnliche Attraktionen Hoppelpoppel und Tingeltangel Musterrolle der Reederei Polliwog, Testament 

Baha’i

Haus der Andacht, Neu-Delhi

Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger.

Der Mensch ist mit einem freien Willen ausgestattet, trägt die Verantwortung für sein Tun und hat die Konsequenzen selbst zu tragen. Er ist fähig zum Guten wie zum Bösen und bedarf der Erziehung, um die in ihm angelegten „Gaben und Fähigkeiten“ zu entwickeln.

Haus der Andacht, Hofheim am Taunus

Alle Menschen müssen die Wahrheit selbständig erforschen. Der Glaube eines Menschen hängt nur von ihm selbst ab. Es gibt daher keinen Klerus, der den Glauben vermittelt. Die Heiligen Schriften sollen von allen Gläubigen selbst gelesen und interpretiert werden. Das Menschenbild erzieht zu Mündigkeit und Selbstbestimmtheit.

Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen. Nach dem Glauben der Baha’i erklärt die Religion Zusammenhänge, die jenseits des wissenschaftlich Erfahrbaren liegen. Wissenschaften und Religionen sollten sich daher ergänzen und nicht widersprechen. Religion ohne Wissenschaft führe zu Aberglaube. Wissenschaft ohne Religion zu Materialismus.

Baha'u'llah

(K)Ein Sommernachtstraum

Ein Spectaculum nach Shakespeares Geschmack, vermutlich.

Das Publikum erhält Einlass über die Bühne, wo es mit Sekt und erotischen Anspielungen begrüßt wird.

Constanza Macras und Thomas Ostermeier bieten hier eine Melange aus Gesellschaftskritik, inszenatorischem Feuerwerk, gefühligen Momenten, eindringlicher Erniedrigungen und glasklarer Wollust. Zum Zwecke der Kapitalismuskritik schweben unter der Plattform der zweiten Bühnenebene zahllose Werbeballons, die während des Spiels in Bewegung geraten, durch die Szenen schweben oder davonfliegen.

Als Bühnenkulisse wurde eine moderne Schalenfassade gewählt, wie man sie in etwa von der abgetragenen Lochfassade (Wabenfassade) des seit letztem Jahr verunstalteten „Kaufhof am Alexanderplatz“ her kennt.

Klar bleibt während des gesamten Stückes, dass Macras und Ostermeier keine Lust haben, dem üblichen Bedürfnis nach weiblicher Nacktheit allzusehr nachzukommen, wohl auch deshalb setzen sie hier mehr auf die männliche Blöße.

Fantastische Kostümierungen, sensible und stürmische Choreografien sowie eine ausgeprägte Individualität der Schauspieler machen das Stück ausdrucksstark. Musikalische Begleitung erfährt es durch eine Art Punkband, deren Sänger hin und wieder die Bühne entert und dann durch seine technisch wie emotional außergewöhnliche Stimme begeistert.

Am Ende ist der Jubel verhalten und die Gründe dafür bleiben eigentlich unklar. Einerseits hat das Stück zwar vor Allem auf eine bunte, bonbonfarbene Lüsternheit abgezielt, die meist in schnellen Wechseln über die Bühne tobt, was als etwas zu vordergründig ausgelegt werden könnte, andererseits dürfen wir uns mehr als glücklich schätzen, exklusiv dem zeitgenössisch modernen Schaffen von Macras und Ostermeier beiwohnen zu können.

Vielleicht sind wir in Berlin zu verwöhnt, fühlen uns von diesem Stück nicht genügend gefordert, oder vielleicht waren ja doch viele Zuschauer überfordert oder fühlten sich von den freizügigen Exzessen beleidigt. Wer kann da schon hinter die Fassade blicken.

William Shakespeare (Porträt von Martin Droeshout) Ein Sommernachtstraum Frei nach William Shakespeare Constanza Macras und Thomas Ostermeier

Scheintote Nieten-Gruppen

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„Ick kenn dit seit 20 Jahren!“

Schon bald nach Beginn wird in gleichsam ernsthafter wie lockerer Runde die erheblichste aller Fragen unvermittelt in den Raum geworfen: Ist das Bündnis gegen Privatisierung letztlich eine von vielen scheintoten Nieten-Gruppen, die sich gerade noch um sich selbst drehen, aber im Grunde weder Wirkung noch eine gehaltvolle Form von Dynamik entfalten?

Ja diese Frage darf schon deshalb gestellt werden, weil das Anliegen des Bündnisses so erheblich wichtig ist. Hier wird nicht kleinkariert gegen eine einzelne Verschlechterung getrommelt, sondern das ganze Konstrukt, die ganze Ideologie der Privatisierung öffentlichen Eigentums, demaskiert und ihre hässliche Fratze ans Licht gezerrt. Dazu werden alle geplanten und bereits vollzogenen Privatisierungen, die der Berliner Wasserbetriebe, der Bahn, der Berliner Sparkasse und vieler anderer öffentlicher Einrichtungen ins Visier genommen und Strategien des Widerstandes geplant.

Dank der versammelten Kompetenzen ist es oftmals sogar möglich, fundierte Gegenkonzepte vorzuschlagen und von einer – wenn auch legitimen – bloßen Abwehrhaltung auf die Ebene der konstruktiven Alternativen zu gelangen. Denn natürlich ist man sich über die Vorteile einer Veränderung in den festgefahrenen, bürokratischen und zu ineffizient gewordenen Staatsbetrieben im Klaren. Aber eines kann dabei nicht außer Acht gelassen werden: Eine Privatisierung hat bislang immer nur zum Schaden der Allgemeinheit stattgefunden.

Als teilweise Ausnahme lässt sich – bei allem Personalabbau – höchstens die Privatisierung der Telekom anführen, zumindest was die Preise für die Endverbraucher anbelangt. Telefonieren ist billiger als vorher. Wasser, Strom, Bahnfahren, Wohnen und Krankenversorgung hingegen sind schlechter, teurer und unsozialer geworden. Das zeigen die Beispiele in deutschen Landen genauso wie überall dort in Europa und der Welt, wo diese Privatisierungen ihre gemeingefährlichen Auswirkungen bereits voll entfalten konnten. Die mit den Privatisierungen einhergehenden Einnahmeverluste der öffentlichen Hand und die Profitgarantien für die Investoren, die auch Berlin weiter in die Handlungsunfähigkeit treiben, kommen noch verschärfend hinzu!

Mit dem praktischen Informationsaustausch und den gegenseitigen Hinweisen auf (Protest-) Veranstaltungen ist bereits genügend Legitimation für das Bündnis geschaffen worden, nicht aber eine eigene Form der Dynamik, also keine wirkliche Kampagne. Dass man sich aber nicht in Theorien ergeht, sondern auch in der Lage ist, dynamische Prozesse zu entfalten, hat man bisher vor Allem mit einer 14-tägigen Veranstaltungsreihe und der Handzeitung „privare“ bewiesen. Dabei hat sich allerdings herausgestellt, dass die etablierten Medien fast vollsändig gleichgeschaltet berichten, kritische Positionen nicht gefragt sind und eine blinde Folgsamkeit die Medienlandschaft bestimmt.

Alle sozialen Bewegungen und alle gegen Privatisierung, sofern nicht schon dabei, sind aufgerufen, die Bündniskraft zu stärken und zu ergänzen! Einige Vernetzungen sind bereits im Aufbau begriffen. Es gibt auch gute Kontakte zur Initiative Zukunft Bethanien und selbst zur frisch gegründeten Initiative „Mediaspree versenken“, die dem bürgerlichen Spektrum am wenigsten nahe steht, bestehen bereits Verbindungen. Die Initiative Berliner Bankenskandal sitzt von Anfang an mit am Tisch. Sie alle haben bereits erfolgreiche Aufklärungs- und Kampagnen-Arbeit hinter sich und mit der Unterstützung weiter Teile der Bevölkerung eine Veränderung der realen Politik erreicht.

Und wie weiter? Das ist die entscheidende Frage und Nagelprobe zugleich! Zunächst scheint es noch so, als ließe sich beim heutigen Treffen in der Mediengalerie im Haus der Buchdrucker keine große Aufbruchstimmung erzeugen. Aber wo ein Wille ist – und der gemeinsame Wille im Bündnis ist gemeinnützig und gesundheitsfördernd – ist auch ein Weg: Nun ist ein Kongress in Planung, eine Website wird aufgebaut und gleich mehrere Volksbegehren werden vorbereitet!

Vom Club der Untoten zum dynamischen Bürgerbündnis – zumindest ein neuer Anfang ist gemacht. ABRISSBERLIN sitzt mit am Tisch und berichtet weiter!

Tarot im Radialsystem

„Tarot präsentiert von Larumbe Danza-Centro de Creación Coreográfica de Coslada. Madrid, Spanien 30. November 2006 18 Uhr 01. Dezember 2006 18 Uhr Eintritt frei! Daniel Merlo & Juan de Torres, Choreographie: Cruz Planchuelo, Amparo Orozco, Daniela Merlo, Fredo Belda, Juan de Torres, Tanz Borja Ramos, Musik Tarot ist eine Reise durch die Zeiten. In der Parallelität von Tanz und Musik lebt das Mittelalter wieder auf –mit starken Wurzeln in der Gegenwart, um die unvorhersehbare Zukunft zu erreichen. Die Tänzer repräsentieren die Archetypen, die Gegensätze und dramatischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren des Tarot. Más o menos un día (20 años no son nada) Menschen, ob wir wollen oder nicht, suchen ununterbrochen ein Art Beziehung: ob verbal oder körperlich, real oder irreal, platonisch oder fleischlich, sporadisch oder stetig, heterosexuell oder homosexuell… Dabei geht es um Furcht und die Weigerung, ein Stück Leben zu teilen und die eigene Freiheit in zahlreichen Situationen, Begegnungen und Missverständnissen. Die zeitgenössische Tanzkompanie Larumbe Danza, geleitet von Juan de Torres und Daniela Merlo, ist fester Bestandteil des Artist in Residence Programmes in Madrid. Dieses wird finanziert vom Kulturamt Madrid, der Stadt Coslada und durch die Kompanie. Das spanische Ministerium für Kultur (INAEM) unterstützt die Arbeit von Larumbe Danza seit zehn Jahren. Madrid kann fünf ortsansässige Tanzkompanies vorweisen, von welchen Larumbe Danza die erste und einzige zeitgenössische Gruppe ist. Larumbe Danza hat während seines zehnjährigen Bestehens u.a. mit den Choreographen Cese Gelabert, Sol Pico und Teresa Nieto zusammengearbeitet.“

Insbesondere der imitierte Diskotanz, den uns eine der Tänzerinnen zum Diskobeat mit aller ihr zur Verfügung stehenden Humormacht vorführt, persifliert auf wunderbare Weise die Egozentrik der Selbstdarstellung und wird durch die brillant durchdachte Choreografie, die genau passende Mimik und die fortlaufende Wiederholung an sich zu einem Höhepunkt der Darstellungen.

Tarot Larumbe Danza - Centro de Creación Coreográfica de Coslada