Dichtungsring #37

Poetry Slam in der Roten Fabrik, Zürich, verdient erobert von Meike Harms und Tino Bomelino, in einem Feldzug aus politischer Satire, begeisterndem Humor und absurdem Theater.

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„Literarischer Wettstreit“ ist schon gar kein Ausdruck mehr für das was geschieht, wenn sich die grossartigsten Poetinnen und Poeten aus dem In- und Ausland mit ihren Texten duellieren und dabei so wunderbar friedlich bleiben. Unter anderem mit dabei sind, der grossartige Tino Bomelino aus Stuttgart, der nachdenkliche Wortzauberer Tobias Gralke, der Kabarettist und Finalist der CH-Meisterschaften Jan Rutishauser, der Poesie-Grossmeister Ken Yamamoto aus Berlin, und die Bayern-Meisterin Meike Harms. Das Publikum bestimmt den Sieger, wie sich das gehört, zu gewinnen gibt es eine Flasche Whisky, wie sich das ebenfall gehört und moderiert wird der Spass von Etrit Hasler und Phibi Reichling und wie sich das am Samichlaustag erst recht gehört, rundet DJ Rastapopoulos den musikalischen Rahmen mit einem zu diesem Tag passenden Programm ab.

Überbewertet: „Wenn wir Tiere wären“

Gespräch mit dem gefeierten Autor Wilhelm Genazino,  Lesung aus seinem 2011 erschienenen Roman „Wenn wir Tiere wären“, im Literaturforum des Brecht-Hauses. Für Fans trostloser Sinnsuche, gestelzter Lakonik, inszenierter Belanglosigkeit und allzu zaghaften Grenzübertritts.

Eine typische Genazino-Figur: ein Architekt, der zunehmend die Kontrolle über sein Leben verliert. Es sind vor allen Dingen die Frauen, die ihn für ihre Zwecke einspannen. Er, der sich ständig auf der Flucht „vor zu viel überflüssigen Erlebnissen“ befindet, ist bemüht, sich den Anforderungen nicht nur einer Beziehung zu entziehen, sondern den Verbindlichkeiten des Lebens überhaupt. Im Gefängnis schließlich lässt Genazino seinen Helden so etwas wie Glück finden.

Moderation: Marina Neubert

Zwischen dunkler Seele & Stammtisch-Lüsternheit

In diesem Spannungsfeld lebt und wirkt Jan Weidner. Jan Weidner schreibt. Was er schreibt, das sitzt genauestens – ohne die Luft zu verlieren, die ein derart umsorgtes, niedergeschriebenes Wort zum Leben braucht. Zudem ist Jan Weidner ein wirklich ausgezeichneter Interpret seiner eigenen Texte!

So hofft man also, diesen schwarz behüteten, zu allerlei lakonischen Bemerkungen bereiten und einen abweisenden Charme versprühenden Mann öfter einmal in genau diesem, seinem Metier erleben zu können.

Jan Weidner zeichnet seine geistigen Ergüsse mit kompromissloser Ehrlichkeit, assoziativ und eher passgenau denn abstrakt. Gern zeigen seine Illustrationen diverse Geschlechtsmerkmale und – medial ungewohnte, aber nicht unbekannte – Perspektiven zu Posen, Zusammenhängen und Körperteilen.

Die Ausstellung:

La Nouvelle Justine et Juliette im Zuckerstudio Waldbrunn
kulturinventur, Buchstraße 1, Wedding.

Jan Weidner, Zuckerstudio Waldbrunn Zeichnung von Jan Weidner Der Kleine Tod

Allerweltskabarett & Chansonödnis

oder: Pigor & Eichhorn, Volumen 6

Pigor und EichhornPigor und EichhornPigor und Eichhorn

Von diesen Künstlern hat man schon öfter mal gehört, wenn man sich für die sog. Kleinkunstszene interessiert – und entsprechend gespannt darf man sein, wenn Pigor und Eichhorn zu ihrem aktuellen Programm in die Bar Jeder Vernunft laden. Um gute Plätze zu ergattern, empfiehlt sich frühes Kommen. So sitzen die Ostprinzessin und das Westmonster also eine ganze Weile vorher dort und speisen. Das Essen – billig ist es sicher nicht – überzeugt. Irgendwann dann treten drei Herren auf die Bühne, bereiten noch irgendetwas vor und schauen sich im Publikum um. Ohne große Spannung beginnt nach einiger Zeit der Verwirrung die Show.

Aber was geht nun vor sich? Das Publikum scheint ganz überwiegend amüsiert und belustigt. O.: „Aber bei mir wollte sich dieser fröhliche Zustand einfach nicht einstellen.“ Vor der ersten Pause dann ein Hoffnungsschimmer, der aber – wie sich später herausstellen wird – bereits den Höhepunkt des Programms markiert: Der mit revolutionärem Eifer vorgetragene Song „Nieder mit IT“ entlässt auch Opri und Wemo munter in eine ausgedehnte erste Pause, in der dem Publikum billiger Wodka gereicht wird. Danach dann geht es überraschend schleppend und zäh voran, doch Viele im Publikum scheinen dennoch gebannt an Pigors Lippen zu kleben. O.: „Wir begannen, uns von den Hoffnungen zu verabschieden, die wir mit dem Kreativgeist Pigor verbunden hatten.“ An Fertigkeiten und Präsenz mangelt es ihm sicher nicht, aber in diesem Programm jagt ein Allerweltsthema das nächste. Persiflage und Kabarett? – Fehlanzeige. Aber das Publikum bleibt wie es ist: Vergnügt. Nur einige Wenige schauen weniger angetan drein. Schließlich aber wird sogar jubiliert. Vielleicht hat nun der Wodka angeschlagen.

O.: „Ich hatte das Wodkaglas nicht angerührt, höchstens kurz mal genippt.“ Was für Opri und Wemo zunächst nach gedämpfter Begeisterung und enttäuschter Erwartung aussieht, gerät nun zunehmend zum quälenden Ärgernis. O.: „Die Pointen waren unsäglich unspektakulär und auch noch ernstgemeint.“ Nein, Trash wollten Pigor & Eichhorn nicht produzieren. O.: „Schade, denn vielleicht hätte das funktioniert.“ Stattdessen häufen sich die unbedeutenden Themen, auf Massenbelustigung zugeschnitten. Einer der am häufigsten gebrauchten Begriffe: Deutsch. Das Publikum fordert Zugaben.

Besonders enttäuschend ist, dass in diesem Programm so sehr auf Belanglosem herumgeritten wird. O.: „Rumgeritten, totgeritten – tschüss! Das hätte auch in Fulda oder Altötting sein können, wozu also Berlin? Wenigstens der Salat war gut.“ W.: „Aber dafür können die ja nix“. Inhaltliche Struktur des „Pigor & Eichhorn“-Programms: „Vorurteil, Vorurteil, Vorurteil.“ (O.)

Pigor, mach uns noch mal den da! O.: „Nein, bitte nicht!“

Pigor & Eichhorn Salat Ziege

Ein delikater Ohrenschmaus

Von Einsamkeit und Sehnsucht nach Liebe
und über die Utopie anderer Daseinsformen

Malah Helman liest Carson McCullers

Dazu gibt es Maisauflauf. Und Henry Hübchen, der seit 1984 im Hause wohnt, hat gestern zum ersten Male seine Nachbarin – die Gastgeberin dieses Abends – gegrüßt, so erfährt man im lockeren Smalltalk danach.

Malah Helman setzt sich zum Publikum Auch für's leibliche Wohl ist gesorgt Malah Helman liest Carson McCullers