Wahrhaftigkeit lässt grüßen

S-Bahn-Linie 46, 5. August 2007:

Wenn ein Strassenfeger-Verkäufer von Wahrheit kündet, aufgebracht, und es ihm plötzlich nicht einmal mehr darum geht, eine Zeitung zu verkaufen – was bedeutet das dann?

Wenn er dann den Gedanken ausspricht, laut, dass viele die Wahrheit nicht hören wollen, während gerade viele die Wahrheit nicht hören wollen – was bedeutet das dann?

Wenn daraufhin, während die Vielen niederschauen, ein Einziger den Kopf hebt, ihm ins Gesicht sieht und sagt: „Da hast du schon Recht“ – was bedeutet das dann?

sagt und fragt die Ostprinzessin.
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Als Antwort-Anregung: Video der Ratten 07; Homepage der Ratten

Bart Simpson lässt grüßen

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich völlig ungeniert.

ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.
ICH DARF NUR ÜBER UNVERFÄNGLICHES SCHREIBEN.

Es sollen mich doch Alle liebhaben…!

Dann sind wir es alle

Die Taktik, an Einzelnen ein Exempel zu statuieren, um allen Aktivisten der sozialen, autonomen und kapitalismuskritischen Bewegungen – sowie ihren Sympathisanten – einen gehörigen Schrecken einzujagen, wird am Ende nicht aufgehen, aber sie wird Einzelne ins Verderben gerissen haben. Das hat längst begonnen. Diesen Menschen stehen wir zur Seite, schon auch deshalb, weil wir die Nächsten sein könnten.

Zunächst einmal aber schauen wir auf das zurück, was am Montag passierte: Drei Berliner werden verhaftet, als sie mutmaßlich Brandsätze unter Bundeswehrfahrzeuge zu legen versuchen. Sie wurden bereits längere Zeit observiert und stehen nun doch tatsächlich am Pranger, weil ihnen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (!) unterstellt wird. In dieser mutmaßlichen Vereinigung, die als mg (militante gruppe) bezeichnet wird, finden sich Menschen zusammen, die das gegenwärtige System nicht akzeptieren: Einschränkung der Grundrechte, Unterdrückung und Repression, Militarisierung und Sozialabbau. Ihren Auffassungen lassen sie Taten folgen: Anschläge auf Fahrzeuge und Gebäude der Polizei und Bundeswehr sowie auf ausgewählte Repräsentanzen des Staates und der Wirtschaft. Menschen kommen dabei nicht zu Schaden.

Die ermittelnden Organe des Staates tappen seit vielen Jahren weitestgehend im Dunkeln, während sich die Taten mehren. Den Medien wurde unlängst ein Maulkorb verpasst, damit das tatsächliche Maß der Aktionen und ihre intellektuelle Begleitung nicht ans Licht der Öffentlichkeit treten, niemand also beunruhigt wird, oder seinerseits – womöglich freudig – dem Ende der herrschenden Verhältnisse entgegensieht.

Wir erfahren so gut wie nie die Dinge, die uns zu Aufruhr verleiten könnten.

Ein weiterer Mensch wurde festgenommen, weil man ihm vorwirft, mindestens eine Art intellektueller Terrorist zu sein. Außerdem habe er einen der Brandschatzer mehrmals getroffen. Worüber geredet wurde, wissen aber auch die Ermittler nicht. Doch es lässt sich ja so schön etwas zusammenkonstruieren, wenn die im Verdacht stehende Person den politischen Strippenziehern ohnehin unliebsam erscheint. Die Möglichkeit, dass die Aktionisten einfach bei Anderen abschreiben, wird einfach ignoriert, weil sie entlastend wirken würde. In unserer Zeit wird es wieder zunehmend gefährlich, eine kritische Haltung kundzutun.

Was ist los in der Justiz? Guckt da auch nur irgendeine Richterin auf den absurden Schrieb, den sie von der Staatsanwaltschaft vorgelegt bekommt, bevor sie ihn unterschreibt und damit die Grundrechte von Menschen beliebig in die Jauchegrube der Ermittler tritt?! Offenbar nicht, denn sonst würden sich die absurden, willkürlichen Durchsuchungen und Verhaftungen nicht mehr in der Realität abspielen, sondern nur in den hässlichen Träumen der menschenverächtlichsten Staatsanwälte und Ermittler von BKA und LKA.

Das hat viel von einem totalitären Regime, dessen willfährige Erfüllungsgehilfen in der Justiz sitzen.

Der Paragraph 129a erlaubt es ihnen nicht nur, die tatsächlichen Aktionen – die vielen Menschen ja ohnehin zumindest moralisch legitim erscheinen – ins Licht des Terrorismus zu stellen, sondern er erlaubt es ihnen auch, beliebig terroristische (!) Zusammenhänge zu konstruieren, deren Hauptverdachtsmomente darin bestehen, dass die Verdächtigten kritisch schreiben und recherchieren oder zur falschen Zeit am falschen Ort mit den falschen Leuten plaudern. Das nennt man dann aber bitte wirklich so, wie es ist: Politische Verfolgung durch den Staat.

Wo bitte kann ich Asyl beantragen?

Auf Andrej Holm, der nun ins Untersuchungsgefängnis verschleppt wurde, treffen diese Verdachtsmomente zu. Auf mich treffen sie auch zu. Auf dich auch. Auf sie. Auf ihn. Selbst meine Großmutter scheint nicht mehr unverdächtig. Unter den Vorwänden, die der Paragraph 129a erlaubt, sind wir alle verdächtig, Terroristen zu sein, nein wir sind es schon längst.

Wir warten im Grunde nur noch auf unseren Abtransport.

Andrej H. ist ein sehr gebildeter und bildender Mann, ein Wissenschaftler, der seinen Beruf ernstnimmt. Er ist gefragt und er ist wichtig für uns alle. Als kritischer Mensch, zumal als Sozialwissenschaftler, recherchiert er im politischen und politisch-unternehmerisch-kriminellen Sumpf des Wohnungsmarktes und ist ein glühender Verteidiger sozialer Grundrechte. Er beschreibt die Praxis der Wohnungsverkäufe akribisch und weist an verschiedensten Stellen die negativen Auswirkungen auf die Mieter und die Stadt insgesamt nach. Wir kennen sein Engagement gegen Privatisierungen und wir kennen ihn aus dem Sozialforum. Gegen den gegenwärtigen Umgang mit ALG2-Empfängern hat er bereits unzählige Male angeschrieben – dies alles immer in seiner ihm ureigenen Art der Sachlichkeit und qualitativen Recherche. Gute Beispiele dafür finden sich im MieterEcho.

Möchte sagen, er ist einer unserer größten Helden.

Dass an ihm – stellvertretend für uns alle – ein Exempel statuiert werden soll, das steht außer Frage. Er ist ein Terrorismus-Verdächtiger, sagt die Staatsmacht. Wir sagen: Dann sind wir es alle.

BZ-blog

Für Alle, die sich eine eigene Meinung nicht nur ein BILDen.

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Endzeitpoesie

Berlin ist – wie wohl alle Orte des Ostens – voller Poesie. An vielen Orten wird diese auch in den nächsten Jahrzehnten wie konserviert erscheinen, an vielen anderen Orten wird die noch verbliebene Poesie schon bald durch Investoren-Charme ersetzt werden. Noch aber gibt es – selbst im neo-kolonialisierten Prenzlauer Berg – viele Orte von bezauberndem Verfall:

Endzeitpoesie.

Berlin – Mein erstes Mal

Man sollte immer viel erwarten.

Ich denke, dass Klassenfahrten durchaus Schlüsselerlebnisse sind. Und es ist ja wirklich bemerkenswert, mit wieviel ideologischem Elan manche Lehrkraft ein solches Erlebnis zu gestalten versucht. Aber – und das sei hier auch bemerkt: Ich würde es wohl genauso versuchen.

Als ich vor 8 Jahren erstmals von einer West-Ost-Sternschnuppe nach Berlin getragen wurde – das war lang vor meinem Amtsantritt als Ostprinzessin – da durften wir dank Günter (unserem Wirtschaftslehrer) eine ganz andere Perspektive als die von Fucking-Pain-Sabine einnehmen: Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland, gar die strukturelle – das war unser Thema im Leistungskurs Wirtschaft. Das führte zu einem erklärenden Termin im Arbeitsamt und zu einem Ausflug nach Adlershof, wo gerade die Planungen für „das größte Wissenschaftszentrum Europas“ das realistische Maß überstiegen und der gezeigte Investoren-Propagandafilm auch beim geneigtesten Kapitalisten unter uns einem schalen Nachgeschmack hinterließ.

Aber eigentlich begann es anders: Am Bahnhof Friedrichstraße angekommen, mit den Koffern draußen stehend, lief uns zunächst ein junger, berlinernder Punk mit Hund über den Weg. Von irgendwo in der Nähe wehten ein paar bunte Federboas. Die Love Parade stand bevor, aber das wusste ich gar nicht. Unsere Unterkunft übrigens lag in Wannsee, im Gästehaus der Friedrich Ebert Stiftung, wo Leute arbeiteten, die das Ende der traditionellen Arbeitsgesellschaft genauso herbeisehnten wie auch ich damals schon. Der Fußweg zum Gästehaus führte durch ein exklusives Villenviertel. Zu den geplanten Ausflügen zählten ein Abend in der Vaganten Bühne, wo Shakespeares gesammelte Werke in 90 Minuten zur Aufführung kamen, und ein Abend im Renaissance-Theater bescherte uns einen einprägsam verwirrenden Eindruck von zwischengeschlechtlicher, britischer Schauspielkunst. Günter bestand außerdem darauf, uns sein Lieblingslokal in der Oranienburger Straße zu zeigen, von wo aus wir staunend den Prostituierten zusahen – und dass das Niemanden zu kümmern schien.

Es gab viel freie Zeit und keine Kontrollen. So konnte ich mutterseelenallein Ausflüge in die „berühmte“ Motzstraße machen, um schwule Luft zu schnuppern, und abenteuerliche Begehungen von wundervoll schäbigen Häusern in der Spandauer Vorstadt erleben. Der Gruppenausflug ins nagelneue IMAX-Kino am Potsdamer Platz wurde zwar weniger erfüllend, aber bildete doch einen geeigneten Kontrast.

Im Nachhinein muss ich nun vor Glück wirklich weinen. Das versteht ihr, oder?