Dantons Dilemma

Im besten Sinne theatralisch. Nur: „Das Umsetzen der Ideale scheitert eben doch immer an der Umsetzung der Ideale – oder umgekehrt.“ Im TD.

Dantons Dilemma ist ein wilder Trip durch Lichtinstallationen und Beat. Sir Gabriel Dellmann rauschen durch die sagenumwobenen Sümpfe der Pseudodemokratie, passieren das Spukschloss der Feingeisterei und robben ihre trägen Leiber über den Gipfel der Unterhaltung bis ins Einmachglas der Sinnstiftung. Unterwegs ziehen sie mehrere Altmeister zu Rate – einer von jenen schließt sich ihnen an: Georges Danton – Experte für angewandte Revolutionswissenschaften…

Sir Gabriel Dellmann entwickeln einen ordentlichen Pessimismus gegenüber revolutionären Ansätzen. Sie mixen original Büchnerzitate in einer Textcollage neu ab, die kühn eine Bestandsaufnahme der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse behauptet. Mit keinem geringeren Ziel als einem Diskurs zur Lage der Nation hinterfragen sie die demokratische Ordnung. Sie werden persönlich und streifen aktuelle politische Ereignisse, die unser tägliches Leben betreffen.

Plötzlich springt Lenz um die Ecke und knotet Robespierre die Schürsenkel zusammen, Slavoj Zizek belegt einen Häkelkurs bei P. A. Samuelson und Marion ist sooo begabt, hat aber leider, leider, einen gewissen großen Unbekannten sehr, ja, sehr lieb.

140 Pappkartons, viele Perspektiven & Projektionsflächen, Musik, 6 Baustangen, 5 Standardpodeste, 4 Performer, 3 Theken, 2 Beamer und 1 Störfaktor – skizzieren eine Welt, die im Innersten zusammenfällt.

Mit Janina Rudenska, Fiona Metscher, Martin Hohner und Matthias Hecht.

Die Kunst des Redens über die Kunst

Einem überraschenden Entree folgt eine treffende Analyse des Kunstbetriebs in satirisch-dichterischer Sprache, verkopft und überdicht.

Der Theaterdiscounter nimmt die erfolgreiche Eigenproduktion „Torquato Tasso“ wieder ins Programm. Das Literaturdrama wird vom Fürstenhof in die heutige Berliner Kunstszene versetzt. Aus dem Hofdichter des mäzenatischen Fürsten wird der seine Ausstellung eröffnende Shooting Star seines Galeristen. Mit Reden darüber, was Kunst eigentlich soll, fiebert man der Vernissage als Nagelprobe für den Markt entgegen.

Setzt Goethe noch auf den Selbstwert retardierender Reflexion über Kunst, finden wir mit wenigen Ersetzungen im Text verblüffende Kommentare auf die Verwertungslogik von Kunstproduktion heute. Man lauscht Kuratoren, Kunsthändler und Messegaleristen in Goethes Worten das Marktgeschehen analysieren. Demgegenüber erklärt der Künstler Tasso nichts anderes als sein Werk und seinen Schaffensprozess zum einzigen verbindlichen Wert, wenngleich Liebe und Erfolg, Privatleben und Bonität dafür zu opfern sind.

Die Inszenierung des Torquato Tasso wurde von der Diskussion über die Ausstellung based in Berlin 2011 inspiriert. An der Situation freier Kunstschaffenden aller Sparten hat sich seither wenig geändert. Mit allen Akteuren gemeinsam kämpft auch der Theaterdiscounter um eine Verbesserung der Strukturen der Freien, zum Beispiel aus den Einnahmen der City Tax. Nur durch eine Anpassung der Förderstrukturen jetzt kann die kulturelle Zukunft der Stadt aktiv gestaltet werden.

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Shane Drinion: ABWESEN

Wechselweise halbgar oder angebrannt.

Wir treffen uns zur Dämmerung. Wann? In diesem vagen Zeitraum zwischen Tag und Nacht. Das eine ist noch, das andere schon. Was gilt denn nun, wenn man sich auf der Schwelle befindet? Das Dazwischen ist nicht gut gelitten, aber es ist symptomatisch für unsere Zeit. Und obwohl wir Klarheit lieben, bestimmt es unsere Art des Denkens. Grund genug für Shane Drinion, in der Dämmerung eines Tages dem Dazwischen aufzulauern, das so flüchtig und doch immer gegenwärtig ist.

Der westliche Mensch meidet das Ungefähre und unterteilt die Welt in Gegensatzpaare. Seine Identität entsteht traditionell durch klare Einordnung. Mann oder Frau. Innenleben oder Außenwelt. Heimat oder Fremde. Privat oder Arbeit. Dabei bewohnen wir in vielen Bereichen längst unüberschaubare Zwischenräume. Und gerade die entziehen sich dem Denken, weil sie sich den Begriffen entziehen. Das Dazwischen ist nicht greifbar. Es ist ein Oszillieren, ein stehendes Nun zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht, ein Nicht-ein-noch-aus. Der Mensch des Dazwischen läuft seit je Gefahr, seiner Umwelt ebenso wie sich selbst radikal fremd zu werden.

Ist persönliches Dazwischensein das Resultat von Schwäche? Zögern, Zweifeln und Zaudern bestimmen de facto den Alltag vieler Menschen. Zielstrebigkeit im Handeln und ein Grundton der Überzeugung gilt als wichtigste Bastion, um die in allen gesellschaftlichen Bereichen vorhandenen Zwischenzustände in Schach zu halten. Wehe, wenn sie Raum greifen! Aber was wäre denn dann? Und wie lässt sich auf der Bühne von einem Dazwischen erzählen, wenn in ihm gar nicht gehandelt wird? Shane Drinion wagen genau dieses Kunststück, indem sie alltägliche Räume inszenieren, deren Wirklichkeit stets bedroht ist, Räume, die sich in Bewusstseinsräume transformieren, Körper, in denen das Digitale und das Analoge sich bis in die Stimmritze hinein durchdringen, innere Szenen, in denen die Möglichkeit mit der Realität ein Kleidertauschspiel spielt. In ABWESEN zeigen sie den in den alten Ordnungssystemen sich verkeilenden Menschen im Dazwischen von Zerrissenheit und Auflösung auf der einen und der Sehnsucht, eben genau nicht zuortbar zu sein, auf der anderen Seite.

Im Theaterdiscounter.

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Oh my Irma

Hält, was es verspricht: Smart, eigen, überzeugend debil.

„Ja, ich habe es getan! Aber es war nicht meine Schuld.“ Eine seltsame junge Frau steht mit aufgeschlagenen Knien und blutbefleckten Händen vor dem Publikum. Sie wollte ein Verbrechen lösen und hat aus Versehen selbst eines begangen. Eine fesselnde, rasiermesserscharfe Lebensgeschichte und aberwitzige Krimiparodie.

Das schräge, kraftstrotzende Bekenntnis OH MY IRMA der kanadischen Autorin und Performerin Haley McGee gewann Festivalpreise in der ganzen Welt, unter anderem in New York, Amsterdam, Kiel und im Kosovo.

Treffen Sie Mission Bird – eine nicht unbedingt als gesellschaftsfähig zu bezeichnende Type, die zwischen manischer Aufregung und desperatem Trübsinn hin und her gerissen wird. Mit nichts als Hornbrille und Koffer bewaffnet redet sie auf das Publikum ein und zieht ihre Zuhörer immer mehr in die Logik der eigenen Welt. Mit dem Ziel den Tod von Irma aufzuklären folgt sie der mysteriösen Spur eines Wäschestücks bis in die Wohnung eines fremden Mannes. Wo schließlich alles komplett schief läuft, als sie auf dessen Hund stößt – auf dessen sehr fetten Hund. Plötzlich befindet sich Mission Bird in der Situation ihre eigene unumkehrbare Tat verteidigen zu müssen.

Allerfeinstes Storytelling gepaart mit atemloser Beat Poetry: OH MY IRMA bewegt sich zwischen Heiterkeit und Verzweiflung und stolpert dabei in die Frage, ob es so etwas wie bedingungslose Liebe gibt? Für jeden? Auch wenn man etwas getan hat, was sich jetzt nicht mehr ändern lässt?

Im Theaterdiscounter.

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Wir sind nicht das Ende

Kurz und (leider) schmerzlos.

Nie war ihr an Ziad etwas aufgefallen. Nichts, was auf diesen 11. September hätte hinweisen können, an dem er ein Passagierflugzeug entführte. Das Stück basiert auf einer wahren Geschichte: Aishe wächst in einer gläubigen, türkischen Familie in Deutschland auf. Sie studiert Medizin, lernt den Libanesen Ziad kennen und heiratet ihn. Doch Ziad verschwindet, lässt sich in Florida zum Piloten ausbilden. Wenige Stunden vor dem Anschlag ruft er Aishe an und sagt: Ich liebe Dich. Wer war dieser Mensch, den sie geliebt hat? Und wer ist sie, dass ein Mörder sie liebte?

„Wir sind nicht das Ende“ erzählt von der Distanz zwischen Menschen, die nur eine Liebesgeschichte miteinander verbindet.

Von Carsten Brandau. Regie: Frank Abt. Im Theaterdiscounter.

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„Tugend wird zur Hure frech gemacht“

Robert Wilsons „Shakespeares Sonette“: Beeindruckend, sinnhaft und ins Verrückte verdichtet, ohne Inge Keller (89) als Shakespeare und Ruth Glöss (85) als Fool am Ende aber leider dann doch nur das halbe des möglichen Vergnügens; dank des 81-jährigen Jürgen Holtz als Elisabeth I. und II., Georgette Dee als küchenphilosophische Palaverqueen und einzelner Glanzstücke verschiedener Ensemblemitglieder trotzdem beseelt, sehens- und hörenswert. Im Berliner Ensemble.

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Die kleine Freiheit – vielleicht

Die kleine Freiheit – vielleicht

die-kleine-freiheit-vielleichtStephan Dorn und Falk Rößler nehmen sich die Kleinkunst vor – von Kabarett und Comedy über Pantomime, Zauberei bis hin zu Puppenspiel und Jonglage. Sie fragen dabei, was kritische Kunst war, ist und womöglich (nicht mehr) sein kann und wie eine sowohl spannende als auch unterhaltsame zeitgenössische Theaterästhetik aussieht. Es ist ja so: Einer steht da und erzählt, wie es ist. Man könnte sich mit ihm unterhalten, aber meistens unterhält nur der eine die anderen. Und gut, dass das mal einer sagt. Und dann stehen da Zwei und üben Kraft aus. Gegen den Feind, gegen den Freund, gegen einander, gegen sich selbst. Man schlägt zu und schlägt… ins Leere.

Tucholsky hat den Holocaust verhindert, Georg Kreisler den Vietnamkrieg. Und jetzt also wir. Was wir nicht schon alles verhindert haben! Da ein Lied, hier eine Zeile, schon brechen Imperien zusammen. Sie sitzen da, wir stehen hier. Nichts kann passieren, aber schauen sie mal hier: ein Handstand!

die_kleine_freiheit_vielleichtWenn ich diesen Kaffee austrinke, stirbt irgendwo ein afrikanisches Baby, und wenn ich mir den leeren Kaffeebecher ans Ohr halte, kann ich in der Ferne einen Eisbären zu nah an die Stadt kommen hören. Wegen Essensresten. Aber gut. Das Schmelzen ist dem Schneemann eigen. Soll heißen: der Untergang ist nah, aber wir sind zur Stelle und haben Anzüge an, da kann man eigentlich nichts gegen sagen…

Im Theaterdiscounter.

BUMM, und es ward ernst

Krise. Endzeit. Überleben und Zuflucht im Lager. Die bekannte Welt zerfällt in Angst, Ungewissheit und ihren wahren Kern. Ein Theaterexperiment unter Selbstbeteiligung der Zuschauer, ernstzunehmend bedrückend und verspielt zauberhaft – Wahrheit, Traum und Albtraum zugleich. Bedingt genießbar, unbedingt erlebenswert! Bleibt zu hoffen, dass das Kollektiv Mut, Zeit und Lust findet, dieses Experiment weiter auszubauen. Im Theaterdiscounter. Mit anrührender Livemusik plus Gesang.

BUMM! – Im neuen Projekt des Münchner Performancekollektivs HUNGER&SEIDE kommt die Katastrophe endlich an, wo sie hingehört: bei uns. Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt? Lässt sich unsere Identität auf einen Tascheninhalt reduzieren?

In einem improvisierten Notlager befragt HUNGER&SEIDE die Katastrophentauglichkeit unserer Gesellschaft. Wie viel Freiheit ist uns unsere Sicherheit wert? Und was sind wir bereit aufzugeben? In einer desorientierten Welt wird die Angst zum besten Ratgeber.
Oder hat dieser permanente Ausnahmezustand Methode?

bumm-der-ernstfall_eintrittskarteBUMM! Der Ernstfall ist ein ironisches Spiel vom verlorenen Leben und dem Ernstfall. Eher Installation als klassischer Theaterabend. Die Zuschauer nehmen gemeinsam mit den Performern und dem Berliner Musiker Thomas Meadowcroft auf jeweils einer der Notliegen Platz. Man hockt aufeinander, ist einander ausgeliefert – derartige Situationen schweißen zusammen. Zeit verrinnt und wird erfahrbar. Was tun? Aus der gemeinsamen Erfahrung entsteht der Antrieb, die Ursachen, die in die Katastrophe führten, zu befragen.

“Die Katastrophe wie die Kunst haben ja beide die Fähigkeit, Augenblicke stark aufzuladen und unmittelbar erfahrbar zu machen. Ich bin kein Theaterwissenschaftler, aber meiner Meinung nach geht Performance noch einen Schritt weiter, indem sie dem Zuschauer größere Freiräume anbietet. So gesehen ist die Performance die Kunst der Katastrophe.” (Jochen Strodthoff im Interview mit THEATERMACHER)

Mit Judith Al Bakri, Wowo Habdank, Irene Rovan und Jochen Strodthoff. Konzept, Text und Regie: Judith Al Bakri.

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Die Bedürfnisse der Pflanzen

Manche rufen Bravo, andere klatschen lau. Die schweizerische Gemächlichkeit jedenfalls zeigt Wirkung. Von und mit Sebastian Krähenbühl. Im TD.

die-beduerfnisse-der-pflanzenNach dem Tod seiner Großmutter 2006 entdeckt Sebastian Krähenbühl, dass sie ihr Leben umfangreich und sorgfältig dokumentiert hat: zahlreiche Tagebücher und Briefe, ein Theaterstück aus dem Jahre 1937 über Alkoholismus, Reden für Geburtstagsfeiern und Hochzeiten, akribische Protokolle über geleistete Garten- und Haushaltsarbeit liegen zeitlich geordnet, handgebunden und säuberlich beschriftet vor.

die-beduerfnisse-der-pflanzen_kraehenbuehlEr selbst dokumentierte in den Jahren vor ihrem Tod mit einer kleinen Kamera in größeren zeitlichen Abständen Gespräche, die er mit ihr führt. Er begibt sich auf eine Spurensuche nach Veränderungen, die sie in ihrer Persönlichkeit erfährt — und nach Erfahrungen, die Silvia in ihrem Leben gemacht hat. Diese beiden vorliegenden Dokumentationsysteme zeigen, wie sich die Großmutter in den letzten Jahren ihres Lebens verändert. Sie wird heiterer und leichter, aber auch unselbständiger. Allmählich vergisst sie ein bewegtes Leben. Und das Bild, das Sebastian von ihr hat, beginnt sich zu verzerren.

Aus dem umfangreichen Material, aus den Videoaufzeichnungen und aus persönlichen Erinnerungen entsteht eine Theaterarbeit, die verschiedenste Fragen aufwirft: Welche Wirklichkeit konstruieren die Aufzeichnungen? Kann man ein Leben überhaupt dokumentieren? Welchen Stellenwert hat dies angesichts des Vergessens und des verschwimmenden Erinnerungsvermögens? Zu wem wird die Grossmutter, wenn sie ihr Leben vergisst?

Zehn Jahre Wunsch und Wahnsinn

Der Theaterdiscounter, ein gar nicht mal so kleines, gar nicht mal so unfeines Theater mitten in Berlin-Mittes Mitte, dort nun schon seit ein paar Jahren Untermieter im alten DDR-Fernmeldeamt, feiert zehnjähriges Bestehen. Eine Dekade formidabler Glücks- und liebenswerter Fehlgriffe. Kennern der Materie „Off-Theater“ gilt der TD seit langem als legitimer Bewusstseinserbe von HAU und Sophiensaelen. Während diese sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr in der etablierten Theaterlandschaft verwurzelten, ist der Theaterdiscounter seinen Weg als Experimentierlabor und extrem basisnaher Schautempel für performatives Theater weitergegangen.

Eine solche Melange kann sich sehen lassen. Vertanes und Zahnloses, bezaubernd Entlarvendes, verkannt Genialisches, charmant Verschissenes, Revoltäres und Traditionelles, Interessantes und Irreführendes, Berührendes, Penetrierendes, Steckenbleibendes, Handgemachtes, folternd Verlesenes, intelligent Verlustigtes, sympathisch Vernuscheltes, virtuos Bemessenes, unfreiwillig Komisches, satirisch Vertanztes, freiwillig Unernstgenommenes, brillant getaktete Taktlosigkeit und wie Angegossenes reihen sich wild ans lose Band der Prinzip-Chaos-Konzeption des Theaterdiscounters. Neben einer Vielzahl stetig wechselnder freier Gruppen und diversen Gastspielen finden dort immer wieder auch Eigenproduktionen ihren Platz. Darüber hinaus erweisen sich aufwendige Interventionen à la Monologfestival als möglich und glanzvoll, wenn Zauberhände wie jene von Raumkonzeptionistin Silke Bauer daran mitwirken. Somit ist der TD zu dreierlei gereift: Souveräne Spielstätte, Forschungsraum und Durchlauferhitzer.

Dass „Das Stadttheater ist tot“, die leider nur lauwarme Jubiläumsproduktion des TD, überspannt daherkommt und trotz vieler kluger Verhandlungen und ironischer Anwandlung letztlich weder ins Publikumsherz noch ins theatereigene zu treffen vermag, ist schade. Das Stück aber leidet u. a. darunter, dass die Riege der Darsteller schlichtweg nicht gut zusammenpasst. Ein weiteres Problem benennt ein anderer Zuschauer: „Versatzstücke“. Man fühle sich regelrecht versetzt und könne nicht folgen. Doch angesichts einer langen Liste jüngster Erfolge ist ein solcher Einbruch kein Beinbruch. Außerdem ahnen wir, dass dieses „Scheitern an sich selbst“ womöglich einer metaphysischen Selbstwahrnehmung entspricht, ja dort vielleicht sogar entspringt. So lesen wir im Programmblatt: „Der Theaterdiscounter feiert im April 2013 sein zehnjähriges Bestehen mit einem Format wie es für ihn mal typisch ist: Fünf Tage Probenzeit, viele Köche, geklaute Texte und als Bühnenbild das neu kontextualisierte Kellerinventar.“

Unverdrossenes Publikum kann darauf vertrauen, dass jedem Hop schon bald ein gut erforschtes, zu Tränen rührendes Top-Comeback folgt. Den Eminenzen im Hintergrund des TD jedenfalls – Georg Scharegg, Heike Pelchen und Michael Müller – sei daher ihre Behauptung gegönnt: „Wir sind Forscher“. Und man wünscht ihnen den Mut, darin „Wir sind forscher“ zu lesen. Denn dem Theaterdiscounter obliegt gerade wegen seiner prekären Ausgangssituation nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, der alles überherrschenden Marktkonformität in der Kunstarbeit und den ihr trotzenden Zweiflern eine mutige, eine unbequeme, eine aufwieglerische Adresse zu sein, und den Glücksbegabten unter ihnen ein fester Anker in der Realisierung beherzter Sehnsüchte und Utopien.

Bleibt noch der Wunsch: Macht weiter so! Jenseits von Gut und Böse werdet ihr gebraucht.